Dokumentarfilm:Die Nähe des Schreckens

Die guten Feinde

Günther Weisenborn wurde von der Gestapo verhaftet, überlebte aber den Krieg und die Gefangenschaft.

(Foto: Edition Salzgeber / Christian Weisenborn)

Ein Hommage an Günther Weisenborn und seine Widerstandsgruppe gegen Hitler, die "Rote Kapelle" - inszeniert als Spurensuche seines Sohns Christian.

Von Nicolas Freund

Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass der Boden um den Abfluss herum noch leicht rötlich ist. Dort, in dem kahlen Raum, wo die Guillotine stand. Hier wurden die Frauen ermordet. Dahinter hängen Haken von der Decke. Hier wurden die Männer ermordet. Mit Draht an den Haken aufgehängt. Christian Weisenborn steht dort heute, mehr als 70 Jahre später, zwischen Blumen und Grablichtern. Die Menschen, die hier gestorben sind, waren Mitglieder in der Widerstandsgruppe, die von der Gestapo "Rote Kapelle" genannt wurden, eine eher lose Vereinigung von Künstlern und Intellektuellen aus Berlin und anderen europäischen Städten, die schon früh erkannt hatten, wohin die nationalsozialistische Politik Deutschlands führen würde. Der Schriftsteller Günther Weisenborn notierte in seinem Tagebuch ein Gespräch mit Harro Schulze-Boysen, der in der Nachrichtenabteilung des Reichsluftfahrtministeriums arbeitete. Es war der 31. August 1939, der Tag vor dem Überfall Hitlers auf Polen. "Später wird er in Russland einfallen", stellt Schulze-Boysen nüchtern fest. "Jetzt muss jedes Volk und jeder Mensch beweisen, wo sie stehen. Es wird der größte Krieg der Weltgeschichte werden." Wo die beiden Freunde stehen, ist ihnen und anderen schon nach der Reichspogromnacht im Jahr zuvor klar geworden: Sie leisten Widerstand. Viele von ihnen überlebten diese Courage nicht.

Günther Weisenborn steht im Zentrum des Films "Die guten Feinde", den sein Sohn Christian über die Mitglieder der "Roten Kapelle" gedreht hat, die noch Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges nicht als Widerstandskämpfer, sondern als Verräter galten. Der Film zeichnet die ganze Geschichte der Gruppe nach, von den Anfängen in der Berliner Theaterszene bis zu ihrer späten Rehabilitation in der BRD. Weisenborn führte Interviews mit Angehörigen und Wissenschaftlern, er besucht historische Orte wie die Straßen Berlins und den Raum, in dem die Hinrichtungen stattfanden. Er liest aus Tagebüchern vor und zeigt viele historische Aufnahmen.

Vor dem Krieg hatten viele Amerikaner Sympathien für Hitlers Politik

Besonders unheimlich sind die selten zu sehenden Aufnahmen eines Nazi-Aufmarsches im Madison Square Garden in New York. Zu den Aktionen der Widerstandskämpfer gehörte es, neben humanitären Aktionen wie der Fluchthilfe für verfolgte Juden, ausländischen Geheimdiensten Informationen zuzuspielen. Die Amerikaner waren daran aber wenig interessiert und tauschten sogar den Kontakt der Gruppe in der Berliner Botschaft aus. Wie die vielen Aktionen der "Roten Kapelle" wird auch die bis Kriegsbeginn anhaltende Zustimmung vieler Amerikaner für Hitlers Politik heute oft vergessen.

"Die guten Feinde" lässt diese alten Bilder sehr nah erscheinen. Die Schrecken des NS-Regimes und der Mut der Widerstandskämpfer sind in dem Film so eindringlich, weil es Weisenborn gelingt, seinen Vater und dessen Weggefährten in den Originalzitaten und der Kombination von historischen und aktuellen Aufnahmen lebendig erscheinen zu lassen. Er zeigt sie als die klugen, mutigen jungen Menschen, die sie waren.

Die guten Feinde, Deutschland 2017 - Regie: Christian Weisenborn. Verleih: Salzgeber & Company Medien, 90 Minuten.

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