Disney-Vergnügungspark Paris:In Maus und Braus

In der nächsten Woche feiert Micky Maus 80. Geburtstag. Ein Besuch beim berühmtesten Nager der Welt in seiner französischen Dependance - im Disneyland Paris.

Martin Zips

Natürlich regnet es auch mal im Disneyland Paris. Aber es ist ein anderer Regen als draußen, in der ganz realen Welt. Ein Regen, der aus unglaublich fröhlichen trockenen Micky Mäusen unglaublich fröhliche nasse Micky Mäuse macht. Ein Regen, der zwar bis in die mit teuren Mitbringseln vollgestopften Tüten dringt, aber dennoch keinem hier was anzuhaben scheint.

Disneyland Paris

Heile Parallelwelt: Micky Maus und Donald Duck vor dem Disney-Schloss in Paris.

(Foto: Foto: ddp)

Auch nicht dem Ballonverkäufer Hervé, ein großer schlanker Herr in grüner Strickjacke. Kürzlich noch, erzählt Hervé, habe er für ein Bankhaus gearbeitet. Doch nun haben sie ihm gekündigt. Er musste sich mit seinen 50 Jahren einen neuen Job suchen. Im Disneyland nahmen sie ihn als Souvenirverkäufer. Seitdem steht Hervé an der Main-Street, wo gefühlte 125mal pro Tag die Winke-Winke-Parade der Disney-Helden an ihm vorbeizieht. Hervé lächelt. "Ich habe nichts gegen diese Figuren. Sie tun ja keinem was."

Es ist 80 Jahre her, da der erste Micky-Maus-Film "Steamboat Willie" im New Yorker Colony-Theater Premiere feierte. Der 18. November 1928 gilt damit als Geburtstag einer Figur, die auch heute noch - laut Umfragen - 97 Prozent der Weltbevölkerung kennen.

Bereits 1930 gab es Schulmappen mit Micky-Motiv. Die Mappenfirma bezahlte dafür nur 300 Dollar Lizenzgebühr. Dann, Mitte der fünfziger Jahre, entstand auf einer ehemaligen Obstplantage nahe Los Angeles der erste von inzwischen vier Disney-Freizeitparks weltweit. Die Kunstwelt in Anaheim rechnete sich für Disney. Um die Abläufe der Mäusewelt besser zu kontrollieren, ließ er sich, der jahrelang persönlich der Maus in den Filmen seine Stimme lieh, damals ein Appartement gleich über der Park-Feuerwache einrichten.

Das, was vor 80 Jahren mit ein paar Strichen auf dem Zeichenbrett begann, ist so eine Art Weltkulturerbe geworden: Ausstellungen, wie gerade in München, widmen sich Disneys Wurzeln in der europäischen Kunst; Philip Glass denkt über eine Disney-Oper nach; Bayerns IG-Metall-Chef Neugebauer bezeichnet ein Angebot der Arbeitgeberseite als "Micky-Maus-Angebot".

Teures Vergnügen

Im Disneyland Paris tragen kleine Mädchen Micky-Maus-Ohren aus Plastik auf dem Kopf. Vor dem Parkgelände untersuchen drei Soldaten der französischen Armee jeden Papierkorb - auch jeder Besucher wird von einem Sicherheitsteam kontrolliert. Damit in der Micky-Maus-Welt nur nichts passiert, was hier einfach nicht passieren darf.

In Dutzenden von Attraktionen kann man sich entweder in die Höhe schießen (Mondfahrt in der Space-Mission-Achterbahn) oder in die Tiefe fallen lassen (im Tower of Terror stürzt der Besucher mit dem Aufzug ab). Das Souvenir-Angebot in den mehr als 50 Geschäften ist erdrückend, die Preise sind gesalzen.

In dem Park, wo sich der französische Präsident Sarkozy erst vor wenigen Monaten mit Carla Bruni erstmals der Welt präsentierte, erzählt Koch André aus Berlin-Marzahn, dass er gemeinsam mit einem Bekannten und zwei Kindern für drei Tage Disneyspaß schon 1500 Euro ausgegeben hat. "Macht aber nix, das ist ja unser einziger Urlaub im Jahr."

14,5 Millionen Besuche zählte der Freizeitpark im vergangenen Jahr. Rekord. Zum Feiern gibt es dennoch nicht viel. "Walt Disney rechnet mit unerwartet kräftigem Gewinnrückgang" meldeten die Wirtschaftsagenturen vor ein paar Tagen. Und das deutsche Micky-Maus-Heft - in den USA gibt es so etwas gar nicht mehr - soll allein innerhalb eines Jahres mehr als ein Viertel seiner Auflage verloren haben.

Offenbar verrinnt auch hier das Kapital. So wie das Wasser, das sich die von Motoren bewegten Disneyland-Skelette in der "Fluch der Karibik"-Geisterbahn permanent in ihre Mäuler schütten.

Vor dem Micky-Maus-Haus bilden sich weiter lange Schlangen. Geduldig warten Dutzende von Kindern mit ihren Eltern darauf, sich mit einem schwitzenden Kleindarsteller in stickiger Maus-Maskerade fotografieren zu lassen.

Kein Sympathieträger

Noch weihevoller ist die Stimmung vor dem Cinderella-Schloss, wo zwei angehende Studenten gerade einen auf Prinz und Prinzessin machen. Es geht zu wie bei einer Papst-Audienz, kurz vor dem Weltuntergang. Man denkt an diese Szene in dem Film "Enemy Mine", wo ein Außerirdischer einen Menschen fragt, wer sein "großer Lehrer" sei. Der Mensch antwortet: Micky Maus. Ja, so muss es sein.

Doch, merkwürdig, der 80. Geburtstag wird auf den vollkommen müll- und gerümpelfreien Disneyland-Straßen nirgends gefeiert. Vielleicht, weil es Micky trotz der gewaltigen Bekanntheit nie zum großen Sympathieträger geschafft hat. Anders als die ewigen Verlierer Donald und Goofy übrigens, mit denen sich nun wirklich jeder identifizieren kann.

Oder Pinocchio. "Komm her, mein Junge!", ruft ein greiser Brite, der mit Spazierstock und Enkel vor der Peter-Pan-Bahn zufällig auf den Helden seiner Kindheit trifft. Der Mann streckt die Arme in die Höhe, seine Freude ist echt.

Die Enkel finden es dennoch spannender, sich nur ein paar Meter weiter von einem Computerwesen namens Stitch via eines Monitors beschimpfen zu lassen - bevor Stitch versehentlich einen fremden Planeten in die Luft sprengt. Nun ja, jede Zeit hat ihren Humor.

Ein Bedürfnis nach Parallelwelten jedenfalls, das sei zu Mickys Geburtstag festgestellt, wird es immer geben. Weil der Mensch Bereiche braucht, in denen er einmal noch Kind sein darf. In Fußballstadien zum Beispiel. Oder beim Lesen einer richtig guten Geschichte. Oder beim Besuch eines Themenparks.

Auch Ex-Banker Hervé lässt - offiziell zumindest - auf den Disneywahnsinn gar nichts kommen: "Ich hoffe, dass ich hier noch zehn Jahre Ballons verkaufen darf", sagt er. "Schließlich brauche ich ja das Geld." Danach will er den Abflug machen. In den ganz realen Ruhestand, ans ganz reale Meer, mit seiner ganz realen Frau.

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