Diskussion:Krieg und Frieden

Eine denkwürdige Diskussion im Tollwood-Weltsalon

Von Vanessa Kanz

Zickenkrieg, Medienkrieg, Bürgerkrieg. In vielen alltäglichen Bereichen begegnet uns das Wort "Krieg". Was genau impliziert dieser Begriff? Und ab wann ist Krieg ein Krieg? Bei der Podiumsdiskussion "Unfassbare Kriege" im Weltsalon des Tollwood-Festivals stellten sich Claudia Roth, Reinhold Robbe und Hans-Georg Ehrhart diesen Fragen. Die Diskutanten hantierten mit dem Begriff "Krieg". Kriege werden nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten geführt. Umso wichtiger ist die semantisch korrekte Verwendung bestimmter Wörter.

Jutta Prediger, die als BR-Moderatorin die Diskussion leitet, kommt auf die Zustimmung des Bundestags zum Syrien-Einsatz in der vergangenen Woche zu sprechen. Während sich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Claudia Roth, vehement gegen diesen Beschluss ausspricht, positionieren sich die beiden anderen Diskutanten auf der "ja, aber"-Seite. Ist denn die Krise in Syrien per definitionem ein Krieg? Laut Friedensforscher Ehrhart sind die heutigen Konflikte nicht mehr mit den früheren vergleichbar. Deshalb verschöben sich auch die Grenzen der Definitionen und alten Logiken. Es handele sich heute um "transnationale Bewegungen", die als Terrorismus bezeichnet werden. Der Krieg trage ein verändertes Gesicht, sei ein anderes Szenario, das nun auch bis in die Zivilgesellschaft dringe. "Ja, es ist Krieg", resümiert Ehrhart, "allerdings in anderer Form."

Dem schließt sich Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, an. Die Soldaten, die aus den Krisengebieten zurückkommen, empfänden ihre Erlebnisse ganz klar als Krieg. Ehrhart präzisiert den Kriegs-Begriff: Modern seien diese Kriege nicht mehr. Modern bedeutet, dass sich zwei Armeen gegenüberstehen und sich bekämpfen. Der Friedens- und Konfliktforscher charakterisiert die neuen Kriege als postmodern, als "irregulär und hybrid", die sich nicht zwischen Staaten, sondern in Gesellschaften abspielen und durch viele Gruppen mit ständig wechselnder Couleur charakterisierbar sind. Die Grenzen zwischen Krieg und Nichtkrieg verschwömmen. Ein weiteres, neues Phänomen ist, so Ehrhart, der Cyber-Krieg. Anschläge erfolgen nicht mehr nur offensiv, sondern ebenso verdeckt und virtuell.

In der abschließenden Fragerunde gibt ein Zuschauer, "im Namen des Kontinents Afrika", ein Statement, das der Diskussion eine andere, denkwürdige Richtung verleiht, das allerdings von den Diskutanten, aufgrund von Zeitnot, weitestgehend unkommentiert bleibt: "Die Frage sollte nicht heißen: Wann ist ein Krieg ein Krieg? Sie muss sein: Wann sollte Frieden Frieden sein?"

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