Digitale Bibliotheken:Forschen an der Schranke

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Verleger und Wissenschaftler streiten über das Urheberrecht: Wie weit dürfen Fachpublikationen digital freigeschaltet werden? Die Bundesregierung plant eine neue Regelung. Mit ihrem Entwurf können bislang nur die Wissenschaftler leben.

Von Lothar Müller

In den Diskussionen um den Entwurf für ein "Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft" gibt es einen Zentralbegriff: die "Wissenschaftsschranke". Es handelt sich dabei im Kern um die Schaffung von gesetzlich erlaubten Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke im schulischen Bildungsbereich und in öffentlichen Bibliotheken, in Forschung und Lehre sowie bei internen Zugriffen innerhalb von Archiven, Museen und Bibliotheken.

Es gibt die Diskussion, weil die Digitalisierung von Bibliotheksbeständen und der aktuellen wissenschaftlichen Publikationen nicht nur im naturwissenschaftlichen Bereich zugenommen hat. Welchen Anteil eines geschützten Werkes darf ein Hochschullehrer in seinen elektronischen Semesterapparat stellen? Wie sollen diese zulässigen Nutzungen vergütet werden? Der Referentenentwurf des Justizministeriums hatte einen Nutzungsumfang von 25 Prozent vorgesehen, der überarbeitete Regierungsentwurf hat dies auf 15 Prozent reduziert. Der Nutzungsumfang wie die Vergütungsmodelle sind Hauptkonflikte zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der die Verlegerinteressen vertritt, und der "Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen".

Beide traten am Montag bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages auf. Der Börsenverein wiederholte seine Forderung, die Vergütung über ein Lizenzmodell abzuwickeln, das an das jeweilige Digitalisat gekoppelt ist. Eine Schrankenregelung würde etwa die Zusammenstellung von digitalen Semesterapparaten ohne Lizenzvereinbarungen für die einzelnen Texte ermöglichen. Die Unternehmerin Barbara Budrich, die einen sozialwissenschaftlichen Fachverlag führt, rechnete dem Ausschuss vor, das Gesetz werde sich auf ihren Betrieb existenzgefährdend auswirken.

Die Wissenschaftsorganisationen unterstützten den Regierungsentwurf wegen der "bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Schrankenregelungen", die im Prinzip ein pauschales Vergütungsmodell vorsehen, das über Verwertungsgesellschaften abgewickelt wird. Seine Kritik am Vorrang der Schrankenregelungen vor Lizenzvereinbarungen verband der Börsenverein mit dem Hinweis auf die jüngst vollzogenen Änderungen im Ausschüttungsprinzip der VG Wort. Hiernach fließen die Ausschüttungen generell nur noch an die Urheber, nicht aber die Verlage - es sei denn, Autoren verzichten ausdrücklich auf den bisherigen Verlegeranteil.

Die Experten plädierten am Montag mehrheitlich für die Regelungen des Regierungsentwurfs. Die Juristin Katharina de la Durantaye (Humboldt-Universität) verband aber ihre grundsätzliche Zustimmung zum Entwurf mit deutlicher Kritik an der Reduzierung der Nutzungsumfänge in der aktuellen Regierungsvorlage gegenüber dem Referentenentwurf. Die Reduzierung auf 15 Prozent bezeichnete sie als "deutliche, sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung".

Mit der Anhörung ist der Gesetzgebungsvorgang einen Schritt weitergekommen. Die Konfliktlage hat sich nicht verändert.

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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