Diego Rivera zum 125. Geburtstag:Kommunismus, Kunst und Frida Kahlo

Wer das Parlament von Mexiko betritt, kann in eine überwältigende Geschichtsdarstellung eintauchen: Schon im Treppenhaus begegnet einem das 277 Quadratmeter große "Epos des mexikanischen Volkes". Der Erschaffer dieses Monumentalwerkes wäre an diesem Donnerstag 125 Jahre alt geworden.

Lukas Köhler

Wer war dieser Mann, der neben David Alferos Siquerios und José Clemento Orozco zu den drei großen Künstlern ("Los Tres Grandes") der mexikanischen Moderne gezählt wird, und der von Google am heutigen Donnerstag mit einem Doodle zu seinem 125. Geburtstag geehrt wird?

Bereits im Kindesalter wurde Diego Riveras großes Zeichentalent erkannt und an der Academia de San Carlos gefördert. Eigentlich hatte es ihm die Landschaftsmalerei angetan, doch seine Lehrer begeisterten ihn auch für die alten indianischen und mexikanischen Kunstwerke, wie sich in seinen späteren Werken zeigen sollte.

Ein Stipendium und der Verkauf von Bildern ermöglichten es ihm, nach Europa zu reisen und die künstlerischen Strömungen des alten Kontinents kennen zu lernen. In Madrid studierte er im Prado die alten Meister wie El Greco oder Francisco de Goya und traf führende spanische Künstler wie Pablo Picasso und Georges Braque. In Frankreich arbeitete er in den Schulen von Montparnasse, traf englische Literaten in London und besichtigte in Rom die Wandfresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle.

Er skizzierte, kopierte und versuchte, die modernen Stile in Europa zu erlernen. Zwischenzeitlich kehrte er in seine Heimat zurück, wo er vor allem finanziell erfolgreiche Ausstellungen veranstaltete, so dass er es sich leisten konnte, weiter in Europa zu leben und zu arbeiten. Doch während seines kurzen Aufenthalts brach 1911 die Mexikanische Revolution aus, über die der diktatorisch regierende Präsident Porfirio Díaz schließlich stürzte.

Die politischen Wirren in seiner Heimat beobachtete Rivera genau, als er rastlos durch Europa reiste, wo er Ausstellungen gestaltete, weiter neue Stile adaptierte und Künstler traf. München, Prag und Paris lagen auf seinem Weg. Als ihm die politische Lage günstig erschien, kehrte er 1921 nach Mexiko zurück und wurde bald in das Regierungsprogramm des neuen Kulturministers aufgenommen. Dieser sah nach der politischen und der sozialen Reform Mexikos auch eine Kulturreform vor.

Wandgemälde im Auftrag der Politik

Schließlich wurde Rivera beauftragt, großformatige Wandgemälde zu erstellen, die die Bevölkerung erziehen und über die nationale Geschichte und Kultur zu belehren. Hatte sich Rivera bisher an den Kunststilen des alten Kontinents orientiert, so entwickelte er nun zusammen mit anderen zurückgekehrten mexikanischen Künstlern den neuen Stil des Muralismo, des Wandgemäldes im Dienste der öffentlichen Bildung. Im Mittelpunkt der Darstellungen stand neben der nationalen Geschichte Mexikos vor allem die harte Arbeit des Menschen.

Lenin und die Schöpfung

1922 stellte er seine erste Wandmalerei mit dem Titel "Schöpfung" fertig. Rivera begeisterte sich immer mehr für Lenins revolutionäre Ideen und trat im selben Jahr der Kommunistischen Partei bei. Als Angehöriger der offiziellen Delegation reiste er 1927 anlässlich des zehnjährigen Jubliäums der Oktoberrevolution in die UdSSR.

Neben seiner Arbeit für das Kulturministerium Mexikos erschuf der Künstler weiterhin Tafelbilder, Mosaike und Ölgemälde, die er vor allem in den nordamerikanischen Raum verkaufte. Dort wurde er so bekannt, dass er später zahlreiche Wandmalereien verkaufte, etwa an die California School of Fine Arts oder an die Börse in San Francisco.

Seine erfolgreiche Karriere in den USA gipfelte 1933 in dem Werk "Der Mensch am Scheideweg", das er auf eine Wand im Rockefeller Center in New York zeichnete. Darin war deutliche Kritik am Kapitalismus und in der Endfassung auch ein Porträt Lenins zu erkennen. Ein Skandal im Mutterland des Kapitalismus, der zu einem heftigen Streit zwischen Künstler und Auftraggebern führte.

Zwar hatte Rivera viele Unterstützer, unter anderem Henry Ford in Detroit und andere Größen des Landes, doch schließlich wurde das Gemälde zerstört. Rivera kehrte den USA enttäuscht den Rücken und kehrte nach Mexiko zurück, wo er es für den Palacio de Bellas Artes noch einmal erschuf.

Privat lebte der Künstler so rastlos wie in seiner Kunst. Er galt als Frauenheld und Lebemann. In Europa hatte er neben seiner Lebensgefährtin Angelina Beloff eine uneheliche Tochter und eine Geliebte zurückgelassen. 1922 heiratete er zum ersten Mal eine junge Frau, die Modell für seine Werke gestanden hatte, doch die Ehe scheiterte an seinen vielen Affären.

1929 schließlich heiratete er die populäre mexikanische Künstlerin Frieda Kahlo, die ihn zwar künstlerisch beeindruckte und beeinflusste, die ihn an seinem unsteten Leben aber auch nicht hindern konnte. Diese Enttäuschungen verarbeitete sie in ihren Arbeiten. Die gegenseitige Inspiration machte aus den beiden Künstlern ein Traumpaar - doch sowohl politisch als auch emotional flogen immer wieder die Fetzen, was zur vorübergehenden Scheidung der Ehe führte.

Der Kommunist Rivera wurde glühender Anhänger des Trotzkismus und setzte sich, als Leo Trotzki ins Exil geschickt wird, für dessen Aufnahme in Mexiko ein und nahm ihn zwischenzeitlich in sein Haus auf. Doch 1939 zerriss auch hier das Band wegen unterschiedlicher politischer Ansichten und persönlicher Streitigkeiten. Aus der kommunistischen Partei wurde Rivera wegen seiner anti-Stalinistischen Einstellung schließlich ausgeschlossen.

Erfolg in der Heimat

Nach der Wiederheirat mit Frieda Kahlo 1940 zog Diego Rivera zu ihr in das berühmte blaue Haus. Spätestens in diesen Jahren wurde er auch in seiner mexikanischen Heimat als großer Künstler der Moderne anerkannt und zu einem der ersten 15 Mitglieder des neu gegründeten Colegio Nacional ernannt. Schließlich wurde er zum Professor der Kunstakademie und sollte erneut reformieren - diesmal den Kunstunterricht an Mexikos Hochschulen.

Bis 1952 arbeitete Diego Rivera mit Unterbrechungen an den riesigen Fresken im Palacio Nacional, die ihm seinen größten Ruhm einbrachten. Fünf Jahre später starb der rastlose Künstler schließlich, bis zuletzt an seinen zahlreichen Bildern arbeitend. Bis heute tauchen immer wieder neue Ölgemälde und Zeichungen auf, die ihm zugeschrieben werden. Die genaue Zahl seiner Tafelbilder, die immer im Schatten seiner großen Wandfresken standen, ist unbekannt.

Das Internet-Unternehmen Google nimmt den 125. Geburtstag zum Anlass, das eigene Logo im Stil des Muralismo erstrahlen zu lassen. Mit dem so genannten Google Doodle erinnert der Konzern aus Kalifornien in unregelmäßigen Abständen an historische Persönlichkeiten oder Ereignisse.

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