Dialog der Schwerelosigkeit
Es war das Jahr der Männerfilme, der einsamen Krieger. Die größte Provokation aber ging von einer unbarmherzig gutgelaunten, stets bunt gekleideten Grundschullehrerin namens Poppy aus, in Mike Leighs "Happy-Go-Lucky". In einer Welt der Einzelkämpfer leistet diese Frohnatur den vielleicht größten denkbaren Widerstand, indem sie stets auf das Gute im Menschen baut. Das ist harte Arbeit, wie auch die Heiterkeit der Komödie harte Arbeit ist. Einmal läuft Poppy nachts einem betrunkenen, zornigen Penner über den Weg. Der spricht keine Sätze mehr, von seiner Sprache sind nur noch Stümpfe übriggeblieben. Die wirft er Poppy hin, und ein wenig bangt man um die junge Frau, die keine Chance hätte, wenn der Verrückte ausrasten würde. Aber Poppy erfühlt die Bedeutung der Satzstummel und beginnt mit dem fast schon Verstummten einen wunderbar choreographierten, schwerelosen Dialog der Einfühlung. Sie reagiert auch auf alles, was nicht gesagt wurde, lässt die Lebensgeschichte des Penners in sich hinein- und durch sich hindurchfließen und verwandelt so seinen Zorn in Trauer und das Gefühl, verstanden und respektiert worden zu sein. Völlig weltenthoben wirkt diese Szene, Poppy selbst mutet wie ein Findling an, ein rätselhafter Monolith in einer geologisch anders gearteten Welt.
Lust: "Waltz with Bashir", v. Ari Folman
Frust: "Der Tag, an dem die Erde stillstand", von Scott Derrickson
Text: Martina Knoben
Foto: Filmverleih