Die Satirezeitschrift ¸¸Pardon" kommt wieder:Feuer ist des Teufels einziger Freund

Der Mann ist durch das Fegefeuer der Satire-Eitelkeiten gegeangen. Denn er musste jahrelang Gags für Harald Schmidt schreiben. Jetzt legt Bernd Zeller die Satirezeitschrift "Pardon" neu auf. Richtig, das ist die mit dem Logo des grüßenden Leibhaftigen.

CHRISTIAN FUCHS

Auf dem Satiremarkt in Deutschland gab es länger nichts mehr zu lachen. Harald Schmidt ist in der ¸¸Kreativpause". Der letzte Titanic-Skandal (das war der mit der gekauften Fußball-WM) liegt vier Jahre zurück. Und das Osthumorblatt Eulenspiegel hat den Sprung über die ehemalige Sektorengrenze noch immer nicht geschafft. Zeit für ein neues Satiremagazin. Beziehungsweise für ein altes: ¸¸Nach einer kurzen Pause von 22 Jahren", wie Bernd Zeller sagt, gibt es jetzt wieder Pardon. Zeller ist der Mann, der den Mythos wiederbeleben möchte. Von Mitte April an soll Pardon, einst die erste deutsche Satirezeitschrift, neu an die Kioske kommen. Und zwar wieder unter dem Signet des listigen Teufelchens mit gezogenem Hut. Von 1962 an tobte Pardon lustig in der noch von Adenauers Ernst geprägten Gesellschaft herum. Texte und Zeichnungen kamen einst von Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, Erich Kästner und Loriot, später auch von Günter Wallraff, Alice Schwarzer, Henryk M. Broder und Herbert Feuerstein. 304 000 Exemplare verkaufte Pardon in seinen besten Zeiten.

Die Satirezeitschrift ¸¸Pardon" kommt wieder: November 1966: Das deutsche Wirtschaftswunder und die Satire prallen in Gestalt des Hans A. Nikel in Frankfurt am Main aufeinander. Dem Dunst der entstehenden Exposionswolke. Hans A. Nikel (72), einst Verleger und Erfinder des Satire-Magazins "Pardon", lebt heute als Bildhauer in Bad Homburg bei Frankfurt. Nach dem Abitur 1948 studierte der in Oberschlesien geborene Nikel, der via Erfurt nach Frankfurt gezogen war, einige Semester Philosophie, Soziologie und Volkswirtschaft unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, den Ikonen der Frankfurter Schule. (zu lhe-Korr.: "Journalist, Verleger, Visionär und Bildhauer: Hans A. Nikel" vom 28.08.2002 - nur s/w)-Manfred Rehm

November 1966: Das deutsche Wirtschaftswunder und die Satire prallen in Gestalt des Hans A. Nikel in Frankfurt am Main aufeinander. Dem Dunst der entstehenden Exposionswolke. Hans A. Nikel (72), einst Verleger und Erfinder des Satire-Magazins "Pardon", lebt heute als Bildhauer in Bad Homburg bei Frankfurt. Nach dem Abitur 1948 studierte der in Oberschlesien geborene Nikel, der via Erfurt nach Frankfurt gezogen war, einige Semester Philosophie, Soziologie und Volkswirtschaft unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, den Ikonen der Frankfurter Schule. (zu lhe-Korr.: "Journalist, Verleger, Visionär und Bildhauer: Hans A. Nikel" vom 28.08.2002 - nur s/w)-Manfred Rehm

(Foto: Foto: dpa)

Bernd Zeller ist dem Publikum der Harald-Schmidt-Show in der Rolle ¸¸Unser Ossi" bekannt. Daneben zeichnete er Cartoons, unter anderem für Titanic, Eulenspiegel, Freitag und das Berlin-Magazin zitty. Oder er verkaufte seine Gags in Buchform: Mit 101 Gründe kein Ossi zu sein hatte er einen Bestseller. Harald Schmidt war der erste, der seine Mitarbeit am neuen Pardon zusagte. Der Thüringer Zeller und der Kreativpäusling kennen sich schon viele Jahre. Zeller gehörte zu denen, die von Anfang an Gags für Schmidt schrieben. Davor hatte er schon als Autor für die Late-Night Show von Thomas Koschwitz gearbeitet. Noch auf der Schmidt-Show-Weihnachtsfeier engagierte er seinen Cheffe per Handschlag.

Götz Alsmann wird beim neuen Pardon mitarbeiten, genauso wie Wiglaf Droste, die Zeichner Manfred Deix, Martin Perscheid und Freimut Wössner. Aber auch der Fernsehintellektuelle Roger Willemsen und die Regisseurin Doris Dörrie bekamen Kolumnen.

Schuld an der Neuauflage ist aus Zellers Sicht eigentlich Titanic. Das Satireblatt war 1979 aus dem alten Pardon hervorgegangen. Verleger Hans A. Nikel und einige Redakteure hatten sich auseinandergelebt. Die Mitbegründer des deutschen Nachkriegshumors - die sogenannte ¸¸Neuen Frankfurter Schule" um Gerhard Henschel, Robert Gernhardt und F.K. Wächter - fanden damals, ihr Chef sei zu esoterisch geworden. Viel später, Anfang der Neunzigerjahre, entdeckte der damalige Titanic-Chefredakteur Hans Zippert das Talent eines unrasierten Langzeitstudenten aus Jena. Und jetzt macht dieser Bernd Zeller den Frankfurtern Konkurrenz, ausgerechnet unter dem Namen des Vorgängers. Da kennt er kein Pardon.

Verleger eines Satiremagazins zu werden, sei nie sein Traum gewesen sagt Zeller. Aber Titanic, die lebe doch nur noch vom Mythos, lästert der Jungverleger. Wortgewaltig erklärt er, dass ¸¸Lustigkeit kein Genre, sondern eine Haltung" sei. Genau wie bei Harald Schmidt. Und wie eben damals bei Pardon.

Bei Titanic freut man sich sogar über Konkurrenz. Chefredakteur Martin Sonneborn sagt freundlich, er habe dafür extra seinen ¸¸wertesten und hochgeschätzten Mitarbeiter freigestellt". Zellers Name steht von der nächsten Ausgabe an nicht mehr im Impressum - und um ¸¸ihn zu ärgern, bringen wir auch wieder Zeichnungen von F.K. Waechter", sagt Sonneborn. Deutschland verkrafte durchaus noch eine weitere Satirezeitschrift. Doch ohne einen Großverlag, der ¸¸sinnlos Millionen bereitstellt", rechnet Sonneborn dem neuen Blatt wenig Erfolg aus. Wirklich das Gleiche wollten Sonneborn und Zeller ja eigentlich sowieso nicht. Titanic sei ¸¸ein reines Satiremagazin", sagt Sonneborn, und ¸¸Pardon hatte früher auch einen ernsten Anspruch". Hier sieht auch Ein-Mann-Verlag Zeller den größten Unterschied.

Cartoons, kurze Stand-Up-Comedy-Texte, lustige Kurzprosa und einen Polit-Manga mischt Bernd Zeller ohne Berührungsangst mit Reportagen, Essays und Kolumnen - wie bei Pardon. Doch die Neuauflage soll kein billiges Remake werden. Darum gibt es auch die zum Humorklassiker erhobene Rubrik ¸¸Welt im Spiegel" (WimS) nicht wieder. Nur zwei Dinge hat Zeller übernommen: Das alte Logo und den Anspruch.

¸¸Was Pardon im damaligen Umfeld geleistet hat, wollen wir heute leisten", heißt sein Credo. Verlagssitz des Experiments ist Zellers Wohnort Jena, die meisten festen Mitarbeiter kommen aus dem Osten, und auch die Druckerei steht in Thüringen. Doch Pardon soll kein Eulenspiegel für junge Leute werden - kein zweites Osthumorblatt. Außer bei Titanic war Zeller auch mal bei der Eule angestellt, bis ihn die bierernsten Berliner Humoristen wegen ¸¸Nestbeschmutzung" nach wenigen Wochen feuerten.

Bernd Zeller hat in das erste Pardon-Heft sein Privatvermögen investiert. Nun hofft er, dass die Hälfte der 100 000 gedruckten Hefte verkauft wird. Das gilt als Voraussetzung für eine Weiterführung des Experiments. Die größte Anerkennung wäre ihm jedoch, wenn die ehemaligen Mitbegründer der ¸¸Neuen Frankfurter Schule" wieder für das neue Pardon arbeiten würden - auch wenn sich das ziemlich ist. Die Alt-Satiriker haben schließlich schon einmal einen Verleger fast in den Wahnsinn getrieben.

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