Die neuen Serien aus Amerika:Schockiert, düpiert

Den Abgesängen auf das amerikanische TV zum Trotz: In den USA starten viele hochkreative neue Serien. Von der Dating-Vogelscheuche bis zum Seitensprung-Spitzenpolitiker - ein Überblick.

Gerti Schön

Die Abgesänge auf das amerikanische Network-TV werden schon seit einiger Zeit gesungen: Das Medium ist nicht mehr kreativ genug, heißt es, die Serien sind zu teuer und angesichts der Konkurrenz des Internets und des Kabelfernsehens sind Sender wie ABC, CBS und NBC ohnehin dem Untergang geweiht.

Doch als wollten sie es den Kritikern erst Recht noch einmal zeigen, tischen die Networks in dieser soeben begonnenen Herbstsaison eine ganze Palette hochkreativer, mitunter gar brillianter neuer Serien auf.

Ganz oben auf der Skala der besten neuen Shows ist das ABC-Drama "Flash Forward", ein temporeicher, höchst spannender und aufwändig gemachter Sci-Fi-Thriller, der nicht nur jeden "Lost"-Fan an den Sessel schnüren dürfte.

Der Plot entfaltet sich um einen geheimnisvollen Bewusstseins-Blackout, in dem jeder Mensch von Los Angeles bis Hongkong zwei Minuten eine Vision durchlebt, wie sein Leben in sechs Monaten aussehen wird.

Die erste Episode beginnt mit einem weltweiten Crash, als wie auf Kommando 6,8 Milliarden Menschen gleichzeitig umkippen und millionenfach Unfälle auslösen. Wir lernen die Hauptfigur, FBI-Agent Mark Benford, kennen. Joseph Fiennes ("Shakespeare in Love") verkörpert überzeugend und empathisch den jungen Familienvater, der mit Alkoholismus kämpft. Er soll im Laufe der Serie, die schon jetzt so komplex ist, dass genug Stoff für mehrere Jahre vorhanden ist, das Geheimnis um den globalen Blackout und seine teuflischen Drahtzieher lösen, was ihn jedoch potentiell seine Familie kosten wird.

"Der Vergleich mit 'Lost' trifft insofern zu, als wir eine große Besetzung haben und eine umfassende, ehrgeizige Geschichte erzählen", sagte der Schöpfer der Reihe, David Goyer, bei einer Pressekonferenz, auf die zahlreichen Vergleiche mit der Hit-Show angesprochen. "Doch damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf".

Das zweite Drama, das wegen seiner Aktualität eine Menge Vorschlusslorbeeren erhielt, ist "The Good Wife", in dem Julianna Margulies (früher die nachdenkliche Schwester Hathaway aus "ER") die düpierte Politiker-Gattin Alicia Florrick verkörpert.

Man kennt sie seit Jahren, schockierte Ehefrauen erfolgreicher Politiker wie Silda Spitzer und Hillary Clinton, die in der Öffentlichkeit treu ihren Männern zur Seite stehen, während sie privat die Folgen von Untreue ausfechten. Alicia versucht nach einem solchen Skandal um Sex und Korruption, wegen dem ihr Mann (Chis Noth) im Knast landet, ihr Leben als Anwältin wieder zusammenzuflicken und nebenbei den Konflikt mit der Familie zu bewältigen. Margulies gelingt es, die Gratwanderung zwischen gedemütigter Ehefrau und resolutem Kriminal-Profi überzeugend darzustellen.

"Peinlichkeit für die gesamte Menschheit"

Die besten Kritiken haben bisher allerdings eine Reihe neuer Komödien erhalten. Schwere wirtschaftliche Zeiten verlangen nach Ablenkung, wenn die Rezession in der Regel auch nicht direkt das Thema ist. Lediglich in "Hank", einer Sitcom mit "Frasier"-Star Kelsey Grammer, steht ein gefeuerter Wall Street Boss in Mittelpunkt. Grammer, dessen Rollen in der Regel von einem gewissen elitären Pathos geprägt sind, ist auch hier in seinem Element als überheblicher Topmanager, der sich nach jahrelangem Umgang mit den einschlägigen "Type-A-personalities" mit seiner Hillbilly-Verwandschaft auseinandersetzten soll.

Den Puls der Zeit trifft noch genialer "Modern Family", wo ein grantiger alter Mann eine resolute, sexy Latina-Frau heiratet, die wiederum von ihrem schwergewichtigen poetischen Sohn um den Finger gewickelt wird. Der Sohn des Alten ist schwul und hat mit seinem Partner soeben ein Adoptivtöchterchen aus Vietnam abgeholt, was seine Schwester überaus entzückend findet, wohl weil sie ihre drei missratenen Gören nur schlecht im Griff hat. Weil ihr Sohn aus Versehen seine Schwester mit dem Luftgewehr angeschossen hat, wird ein Termin für den Nachmittag vereinbart, wo der Familienvater zur Strafe den Sohn anschießen wird - was am Ende zu einem schmerzensreichen Luftgewehr-Massaker ausartet.

Weniger überzeugend kommt dagegen Courtney Cox in "Cougar Town" daher. Der ehemalige "Friends"-Star versucht sich mit ihrer Rolle als Frau über 40 anzufreunden, die sich nach Scheidung und gesicherter Karriere zurück in die Dating-Szene wagt.

Jules sehnt sich nach einem Mann, der mehr hermacht als ihr früherer Loser-Gatte. Solche Typen sind ihrer Ansicht nach alle hinter jüngeren und schlankeren Frauen her. Die erste Einstellung zeigt ein Stück schlaffe Haut am Ellenbogen (!) der Schauspielerin in dem vergeblichen Versuch, die perfekt durchtrainierte und geschminkte Cox als alternde Vogelscheuche darzustellen. Ihr Kommentar "Ich sehe aus wie ein Stück Vieh" ist mehr als nur leicht daneben.

Am Ende landet sie mit einem jungen Beau in Bett, der so alt ist wie ihr Sohn, und dem sie nach vollzogenem Liebesakt ein paar Cracker mit Erdnußbutter schmiert - die Zeiten der Zigarette danach sind wohl endgültig vorbei. Die Serie versucht sich offenbar als Gegenstück zu den Dutzenden von TV-Shows, wo bisher nur trottelige Männer in der Midlife-Crisis stecken geblieben sind. Der Versuch sei gescheitert, urteilt das Onlinemagazin Salon.com. "Jules ist nicht nur eine Peinlichkeit für Mütter oder Frauen generell, sondern für die gesamte Menschheit".

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