Die Debatte um Buch und Film:Vom Thron geschubst

Der Protest gegen die Verfilmung von "Sakrileg" wird lauter. Der gegen das Buch aber nicht leiser.

SUSAN VAHABZADEH

Ihre große Konzession haben der Regisseur Ron Howard und die Produktionsgesellschaft Columbia schon vorab gemacht - seit Monaten gibt es im Netz die Website thedavincidialogue.com, auf der sich Christen über die Verfilmung des Romans ¸¸Sakrileg", die nächste Woche ins Kino kommt, informieren und austauschen können.

Die Debatte um Buch und Film: ¸¸Diese realen Elemente werden von fiktiven Charakteren interpretiert und debattiert. Ich glaube zwar, dass einige dieser Theorien möglicherweise nicht von der Hand zu weisen sind, doch jeder Leser muss die Standpunkte dieser Charaktere selbst erkunden und zu seiner eigenen Interpretation gelangen."

¸¸Diese realen Elemente werden von fiktiven Charakteren interpretiert und debattiert. Ich glaube zwar, dass einige dieser Theorien möglicherweise nicht von der Hand zu weisen sind, doch jeder Leser muss die Standpunkte dieser Charaktere selbst erkunden und zu seiner eigenen Interpretation gelangen."

Mehr Zugeständnisse scheint Howard nicht machen zu wollen - auch wenn es Boykottaufrufe und Änderungswünsche hagelt in den letzten Tagen vor der Premiere des ¸¸Da Vinci Code". Bislang hat sich Howard nur auf eine Änderung eingelassen - für Großbritannien wurde der Soundtrack ein wenig entschärft, sodass nun auch 12-Jährige den Film sehen dürfen.

In Dan Browns Roman ¸¸Sakrileg", einem der größten Bestseller der letzten Jahre, wird der Serienheld Robert Langdon, bekannt aus Browns ¸¸Illuminati", in einen Mordfall in Paris verwickelt - sein Name steht auf dem Fußboden neben einem Rätsel, das der sterbende Chef des Louvre dort hingemalt hat. Zusammen mit einer französischen Polizistin macht er sich auf die Suche nach einer Geheimgesellschaft, die Beweise versteckt haben will dafür, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war und er ihr die Führung der christlichen Kirche anvertraute. Sie wurde aber später vertrieben und vom Thron geschubst - Feminismusverdacht! Beider Nachfahren leben bis heute unerkannt in Frankreich.

Die Debatte, die das Erscheinen von ¸¸Sakrileg" vor drei Jahren entzündete, ist nun wieder entbrannt - immer noch anhand des Buches, denn den Film, der am kommenden Mittwoch die Filmfestspiele in Cannes eröffnen wird, hat kaum jemand bislang gesehen. Aber nun, da es um den Film geht, ist sie deutlich lauter geworden. Wenn es ums Kino geht - oder auch, seit seiner Entstehung, ums Privatfernsehen -, sind plötzlich ganz andere Publikumsschichten im Spiel. Und vor allem: größere. Eigentlich ist es fürs Kino sehr schmeichelhaft, dass die Macht der Bilder, von Kirchenseite zumindest, als größer und gefährlicher eingeschätzt wird als die des Wortes. Dem liegt aber unter anderem eine zentrale Verwechslung zugrunde - es geht nicht nur um die Menschenmassen, die ins Kino strömen, sondern vor allem auch um die Mutmaßung, die Bilder seien realer als Geschriebenes. Dass ein Thriller kein Dokumentarfilm ist, Filmbilder nicht mehr Realität manifestieren als Malerei, dass es sich vor allem um eine Kunstform handelt - diese Diskussion kann man fast bei jedem Historienfilm führen. Und ¸¸The Da Vinci Code" ist nur ein Thriller, ein Unterhaltungsspektakel.

Ist das Blasphemie, was bei Dan Brown entwickelt wird? Die Debatte um die Fernsehserie ¸¸Popetown" ist gerade erst vorbei - Ende April hat das Erzbistum München-Freising gedroht, den Sender MTV, der die einigermaßen langweilige Papst-Comic-Serie ausstrahlt, zu verklagen. Eine Wiederauflage des Streits will die katholische Kirche in Deutschland nicht - der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, hat vor ein paar Tagen ausdrücklich betont, dass er keinen Wert lege auf eine große ¸¸Sakrileg"-Diskussion.

Anderswo sieht man die Sache nicht so gelassen: In den USA sind Boykottaufrufe angekündigt; der Erzbischof Angelo Amato hat das Buch als unchristlich bezeichnet; ein philippinischer Staatssekretär hat ein Verbot des Films gefordert; und Opus Dei verlangt einen Warnhinweis im Vorspann, dass es sich bei dem Film um reine Fiktion handle - das hat Ron Howard Anfang der Woche ausdrücklich abgelehnt. Doch es ist nicht allein katholischer Widerstand, der sich regt - auf den Färöer Inseln wird der Film nicht gezeigt, weil sich die evangelische Bevölkerung in ihren religiösen Gefühlen beeinträchtigt fühlt.

Den Widerstand gibt es in unterschiedlichen Härtegraden, von Opus-Dei-Informationsveranstaltungen in London bis zu den Äußerungen des Sprechers der tschechischen Bischofskonferenz, Martin Horálek, der den Film mit dem Mohammed-Karikaturen-Streit vergleicht: ¸¸Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Christen dank ihrer kulturellen Tradition deswegen nicht auf die Straße gehen, keine Gewalt benutzen und nicht zur Ermordung von Dan Brown aufrufen." Gewaltausbrüche gegen Filme hat es allerdings durchaus schon gegeben. Ende der Achtziger provozierte Jean-Luc Godards ¸¸Maria und Joseph" Bombendrohungen, bei Martin Scorseses ¸¸Die letzte Versuchung Christi", mancherorts verboten, blieb es nicht bei Drohungen, es explodierte tatsächlich eine Bombe in einem Filmtheater in Paris, und Scorsese durfte jahrelang seine Post nicht aufmachen. In einer Vorstellung von Claude Chabrols Abtreibungsfilm ¸¸Eine Frauensache", wieder in Paris, explodierte eine Tränengasbombe, worauf ein Mann im Publikum an einem Herzinfarkt starb. Als 2002 ¸¸Die unbarmherzigen Schwestern" über den Schrecken in den irischen Magdalenenheimen in den Fünfzigern ins Kino kam, blieb es bei verbalen Angriffen.

Es sind vor allem zwei Aspekte, die die katholische Kirche am ¸¸Sakrileg" stören. Das ist einmal die Geschichte mit Jesu Gattin, und zum anderen die nicht sehr schmeichelhafte Darstellung von Opus Dei, deren Mitglied der Mörder Silas im Buch ist - der sich auch noch selbst flagelliert und sich mit einem Bußgürtel peinigt. Genau genommen aber ist Silas eine durchaus mitleiderregende Figur, mit einer bitteren Vorgeschichte. Was die Rolle von Opus Dei als Brutalo-Verschwörer angeht - wer sich den Spaß nicht verderben will, sollte erst beim nächsten Absatz weiterlesen: Sie erweist sich im Rahmen der Aufklärung des Mordes als Lug und Trug.

Als überprüfbare Tatsache wird die Theorie von Maria Magdalena als geschasster Kirchenmutter im ¸¸Sakrileg" übrigens nicht stilisiert - Brown hat keinen endgültigen Beweis erfunden. Man könnte allerdings, wenn man auf Streit aus ist mit dem Vatikan, auch behaupten, dass es den auch für die Darstellung der Maria Magdalena als Dirne nicht gibt. Die Geschichte von der Liaison zwischen Jesus und Maria Magdalena war schon bei ¸¸Die letzte Versuchung Christi" der Hauptangriffspunkt. Zu Godards Version der Mariengeschichte ¸¸Maria und Joseph" - Maria als modernes Mädchen, das Basketball spielt, Joseph fährt Taxi - antwortete der amerikanische Filmkritiker Roger Ebert auf den Protest aus dem Vatikan mit einem offenen Brief an den Kardinal Bernardin, von Katholik zu Katholik: ¸¸Ein zentraler Punkt des Katholizismus ist die Menschwerdung Gottes, aber wenn wir die Marienfigur zu einer blutleeren, asexuellen Abstraktion machen, schwächen wir die Bedeutung dieses Punkts." Man kann, was Jesus und Maria Magdalena angeht, Ähnliches sagen. Ist es ein zentraler Punkt des christlichen Glaubens, dass Jesus nicht verheiratet war? Warum eigentlich soll es unmöglich sein, seinen christlichen Glauben sich zu erhalten, weil in einem Film - oder Buch - die Darstellung Maria Magdalenas angezweifelt wird?

Die Theorien hat Dan Brown keineswegs erfunden - er sagt selbst, dass ihn diese Theorie fasziniert hat, als er sie bei anderen las - und hatte deswegen sogar einen Plagiatsprozess am Hals. Der Verlag wirbt hinten im Buch unter anderem für Laurence Gardners ¸¸Hüterin des Grals", ein dem ¸¸Sakrileg" verwandtes Sachbuch. Brown hat reale Elemente - die Gemälde von da Vinci beispielsweise - mit Theorien und Fiktion gemixt: ¸¸Diese realen Elemente werden von fiktiven Charakteren interpretiert und debattiert. Ich glaube zwar, dass einige dieser Theorien möglicherweise nicht von der Hand zu weisen sind, doch jeder Leser muss die Standpunkte dieser Charaktere selbst erkunden und zu seiner eigenen Interpretation gelangen." Wer die Befürchtung äußert, das Publikum würde Dan Browns Story für bare Münze nehmen, traut den anderen die Fähigkeit zur Differenzierung nicht zu, die er für sich selbst beansprucht.

Hollywood gibt sich aus anderen Gründen besorgt, dort hat der ¸¸Code" eine andere Debatte ausgelöst - ob nämlich das aggressive Marketing, der weltweit gleichzeitige Start, die Omnipräsenz von Tom Hanks wirklich den gewünschten Erfolg an der Kasse bringen, und ob die Fans Hanks akzeptieren als Robert Langdon. Dass der Krach mit den Katholiken dem Einspielergebnis hilft, steht außer Frage. Das hat ja auch bei ¸¸Popetown" geklappt - eine Woche lang. Die zweite Folge musste dann für sich bestehen und war ein Flop.

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