Die CDs der Woche - Popkolumne:Zwei zu eins im Bruder-Zwist

"BE" von Beady Eye

Das zweite Beady-Eye-Album "BE" ist fast besser als das Debüt.

(Foto: Sony)

Seit Oasis wegen des Streits zwischen Liam und Noel Gallagher auseinanderbrach, duellieren sich die Brüder mit jeweils eigenen Bands. Liam ist mit "BE" nun wieder schneller als Noel, und überzeugt dabei sogar. KT Tunstall gelingt auf ihrem neuen Album ein wunderbar hingetupfter Neo-Folk-Song - mehr aber nicht. Und Mount Kimbie fehlen zwar zündende Ideen, doch der Tanzwut dienen sie. Die Popkolumne - zum Lesen und zum Hören.

Von Jens-Christian Rabe

Beady Eye

Beady Eye ist die Band von Liam Gallagher, dem ehemaligen Sänger von Oasis, der größten größenwahnsinnigen britischen Rockband der Neunziger. Er war aber nicht nur der Sänger der Band, sondern auch der jüngere Bruder des Oasis-Chefs Noel Gallagher. Die beiden führten den wüstesten Bruderzwist der jüngeren Popgeschichte auf, was 2009 zur Auflösung der Band führte. Die große Zeit von Oasis war da allerdings schon vorbei. Als dann 2011 zuerst Liam mit seiner neuen Band Beady Eye und nur Monate später Noel mit dem Projekt Noel Gallagher's High Flying Birds erste eigene Alben veröffentlichten, war man überrascht. Noel bot großen, hymnischen Gitarrenbritpop. Liam , den Noel als Songwriter bei Oasis klein gehalten hatte, lieferte das rohere Rock-Album und hatte sogar fast die besseren Songs. Die bessere Stimme hat er ja ohnehin. Und jetzt ist er auch wieder schneller.

Am Ende dieser Woche erscheint mit "BE" (Sony) das zweite Beady-Eye-Album - fast besser als das Debüt. Schon der erste Song, "Flick Of The Finger", ist ziemlich unwiderstehlich: eine so schwer-schleppende Rock-Attacke mit Bläser-Riff, die nicht versumpft, gibt es nicht so oft. Es war eine kluge Entscheidung, das Album von David Sitek produzieren lassen, dem Kopf der New Yorker Indiepop-Band "TV On The Radio". Beady Eye klingen immer noch wie die Band des größten John-Lennon-Fans der Welt, nur jetzt eben auf gute, minimalistische Art etwas dichter, filigraner, ambitionierter. In dieser Zeitung stand, dass das erste Beady-Eye-Album in der ewigen Tabelle der besten Beatles-Alben, die nach der Trennung der Beatles aufgenommen wurden, den elften Platz belegt. Dahin gehört jetzt "BE". Mindestens.

KT Tunstall

Die schottische Sängerin und Songwriterin KT Tunstall wurde Mitte der Nullerjahre bekannt. Zuerst im britischen Fernsehen mit einer Version ihres Songs "Black Horse and the Cherry Tree", bei der sie mit Hilfe eines kleinen Loop-Pedals und einer akustischen Gitarre gekonnt eine ganze Band simulierte. Den Durchbruch bedeutete dann ihr hinreißender Indiepop-Hit "Suddenly I See". Das Album zum Hit "Eye To The Telescope" verkaufte sich danach unglaubliche zweieinhalb Millionen Mal. Ein neuer weiblicher Indie-Star war geboren. Die nächsten Alben hatten dann auch wieder gute Momente. Aber anders als Feist, die fast zur selben Zeit zum weiblichen Indie-Star wurde, hat KT Tunstall die deutlich stämmigere Stimme, weshalb sie immer Gefahr läuft, wie eine klassische Rockröhre zu klingen. Das jedoch, macht ihren Sound und ihre Songs gelegentlich gewöhnlicher, langweiliger, als sie sein müssten.

"Invisible Empire / Crescent Moon" von KT Tunstall

Auf "Invisible Empire / Crescent Moon" gelingt KT Tunstall ein wunderbar hingetupfter Neo-Folk-Song - mehr aber nicht.

(Foto: Virgin)

Es ist besonders im Popgesang ja doch meistens eine Tugend, gerade nicht an die Grenzen seiner Fähigkeiten zu gehen, sondern ganz entspannt immer ein bisschen sein eigenen Möglichkeiten hinterherzuwackeln. Beim neuen, vierten Studioalbum "Invisible Empire / Crescent Moon" ist man ganz in diesem Sinne schon nach ein paar Takten des ersten Songs "Invisible Empire" ganz bezaubert. Was für eine leicht gebrochene, aber entspannte Stimme, was für ein wunderbar hingetupfter Neo-Folk-Song! Der übrigen zwölf Songs des Albums sind dann jedoch im Grunde verblüffend glanz- und einfallsloser Country-Folk. Sei's drum. Hören sie sich einfach 13 Mal hintereinander "Invisible Empire" an!

Mount Kimbie

"Cold Spring Fault Less Youth" von Mount Kimbie

Bei "Cold Spring Fault Less Youth" von Mount Kimbie fehlen die zündenden Song-Ideen, doch skrupellos abgemischt könnte das Album großen Tanzspaß fördern.

(Foto: Warp)

Und zum Schluss noch das Laptop-Frickelpop-Album der Woche. Es kommt von den beiden Briten Dominic Maker und Kai Campos alias Mount Kimbie. Seit ihrem 2009 veröffentlichten "Sketch On Glass" haben sie einen festen Platz auf meiner Liste der besten Songs des 21. Jahrhunderts. Auch das 2010 folgende Debüt "Crooks & Lovers" war noch sehr guter Post-Dubstep, also sehr sorgfältig produzierte, konsequent eingebremste elektronische Bassmusik mit einem Sinn für Melodien. Man konnte es auch Popstep nennen.

Das Sound-Design des neuen zweiten Albums "Cold Spring Fault Less Youth" (Warp) ist wieder auffällig gewissenhaft produziert, was in diesem Genre überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist. Hier patscht und klackt und zirpt und wummt es nirgends einfach so herum. Unüberhörbar ist aber auch, dass offenbar alles etwas verspielter klingen sollte. Vielleicht fehlen deshalb diesmal die wirklich zündenden Song-Ideen. Man kann sich allerdings gut vorstellen, dass das Album vor einem erwartungsvoll-tanzwütigen Club-Publikum - dann natürlich pointierter, skrupelloser abgemischt - ein großer Spaß ist.

Fortlaufende Popkolumne der SZ.

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