Die CDs der Woche - Popkolumne:Verbummelte Sommermusik

Sylvan Esso

Nick Sanborn und Amelia Meath bilden neue das Elektro-Pop-Duo Sylvan Esso.

(Foto: Cityslang)

Wer sich bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Badesee macht, sollte dabei Elektro-Pop von Sylvan Esso hören. Das erste Album des amerikanischen Duos ist eine Sammlung von Knallern. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Jens-Christian Rabe

Das Album der Woche kommt eindeutig von dem neuen amerikanischen Elektro-Pop-Duo namens Sylvan Esso und heißt "S.E." (City Slang/Universal). Und wenn die Ohren hier nicht gerade vollkommen verklebt sind, dann könnte diese Musik im Sommer für einiges Aufsehen sorgen. Nick Sanborn ist der Mann an den Musik-Maschinen, er war einst Teil einer Psychedelic-Folk-Band mit dem bezaubernden Namen Megafaun, Sängerin Amelia Meath wiederum war Mitglied des Vocal-Folk-Trios Mountain Man, das auf der letzten Tour von Feist, der Königin des jüngeren Folk-Pop, zu bestaunen war.

Zusammen haben sie auf ihrem Debüt irrsinnig schön traumhaft-verbummelte moderne elektronische Popmusik erschaffen. Und zwar ein komplettes Album lang. Es sind da also Knaller wie "Coffee", "Play It Right" oder "Could I Be" zu hören - und dann noch sieben weitere Bomben. Sollte man sich noch fragen, was man im Auto hören soll auf dem Weg zur See, wenn einem endlich die Hitze zart die Schädeldecke ansengt - dieses Album, bitte sehr!

Und wenn - was für eine Woche! - einem das elektronische Geknarze irgendwann doch etwas auf die Nerven gehen sollte während der Fahrt, dann gibt es ja auch noch das wunderbare Debüt des britischen Sängers und Songwriters Nick Mulvey: "First Mind" (Caroline). Noch zarter als die Sonne die Schädeldecke bearbeiten nämlich nur noch Songs wie "Fever To The Form", "Meet Me There" oder "Cucuruchu".

Ganz sanft hymnisch, aber nie schmierig-sentimental. Es ist natürlich nicht so, dass Ähnliches noch niemandem zuvor gelungen ist. Nick Drake bleibt unerreicht. Und in den vergangenen Jahren gab es etwa den Amerikaner Bon Iver oder den Schweden José González. Aber dieser neue murmelnde Folk-Zauberer hat jetzt seinen Moment!

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Led Zeppelin

Wer kein besonderes Interesse an Urheberrechten im Pop hat und auch noch nicht weiß, dass Led Zeppelin das Intro ihrer Monster-Ballade "Stairway To Heaven" - die in diesem Moment, also genau JETZT in mindestens zwei Millionen Gitarrenläden auf der ganzen Welt angestimmt wird - geklaut haben könnten, dann lesen Sie bitte mit dem nächsten Absatz weiter. Für alle anderen sei hier gesagt: Meine Güte, der Anfang des 1968 veröffentlichten Songs "Taurus" der amerikanischen Progressive-Rock-Band Spirit klingt wirklich verblüffend ähnlich. Schätzungen zufolge hat Led Zeppelin mit "Stairway To Heaven" bislang knapp 690 Millionen Euro verdient. Band und Plattenfirma Warner verweigern bislang jeden Kommentar. Plagiats-Vorwürfe gegen Led Zeppelin gab es in der Vergangenheit schon einige, sie wurden alle außergerichtlich geklärt.

ROBERT PLANT JIMMY PAGE

Sänger Robert Plant (links) und Gitarrist Jimmy Page von Led Zeppelin haben mit "Stairway to Heaven" einen Haufen Geld verdient.

(Foto: AP)

Grundsätzlich eine Erwähnung wert ist die fabelhafte schwedische Songwriterin, Produzentin und Sängerin Robyn. Und zwar wegen ihres wahnwitzigen Projekts, etwas eigentlich Unmögliches wie Indie-Mainstream-Dance-Pop machen zu wollen - und das auch noch zu schaffen. Man höre sich nur einmal Songs wie "Handle Me", "Konichiwa Bitches" oder "Cobrastyle" an. Oder das Titelstück der nun erscheinenden neuen EP "Do It Again" (Embassy One), die sie mit dem norwegischen Elektro-Duo Röyksopp aufgenommen hat. Bitte immer wieder machen.

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Fantasy

Womit wir beim Grauen wären. Es hat einen Namen und meistens steht es ganz oben in den deutschen Charts. In dieser Woche hört es noch ein paar Tage auf den Namen Fantasy. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Hair-Metal-Band aus Südhessen, sondern um ein Schlager-Duo aus Nordrhein-Westfalen. Deren aktuelles Album "Eine Nacht im Paradies" steht auf dem ersten Platz der Album-Charts. Die Basstrommel patscht einem darauf so erbarmungslos den letzten Nerv aus dem Leib, wie es so hartnäckig nur der deutsche Schlager vermag.

Von Freitag an ist damit ganz oben jedoch Schluss, dann nämlich - husch, husch - verscheucht die beiden Herren von Fantasy der deutsche Gangster-Rapper und Bodybuilder Kollegah und übernimmt mit seinem neuen Album "King" den Spitzenplatz. Das allerdings ist allein deshalb hochverdient, weil im deutschen Gangster-Rap inzwischen sogar erstmals die Postmoderne besungen (von Fler auf seiner neuen Single "Hipster Hass"), noch nie, nie, nie aber so formvollendet an die Philosophie Kants erinnert wurde.

In "Alpha" rappt Kollegah: "Ich habe Punchline-Rap revolutioniert / Ich habe Doubletime-Rap revolutioniert / Ich habe Deutschrap AN SICH revolutioniert". Wobei uns gar nicht wundert, dass Kollegah hier, anders als Kant, der ja der Ansicht war, dass uns die Dinge "an sich" nicht zugänglich sind, sondern nur die Art und Weise, wie sie uns erscheinen - dass Kollegah hier also befindet, durchaus einen Zugang zu Deutschrap "an sich" zu haben, sogar Macht über dessen Wesen. Wenn das mal nicht die maximale Rap-Protzerei an sich ist. Wow!

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