Die CDs der Woche - Popkolumne:Veralteter Muskelheini-Rap

50 Cent performs on Good Morning America's Summer Concert Series in New York City's Central Park

50 Cent setzt immer noch auf prollige Reime und Bling-Bling-Gepose

(Foto: REUTERS)

Rapper 50 Cent hat nicht mitgekriegt, dass sich der Hip-Hop weiterentwickelt hat - und macht Gangster-Rap, der nach 2005 klingt. Pharell Williams entschuldigt sich für seinen Hut. Und Jeff Tweedy sollte noch ein bisschen üben. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Bob Mould müsste eigentlich gar nichts mehr machen, trotzdem wäre er in der Welt, die er erschaffen hat, für immer ein Gott. Mit Hüsker Dü hat er den Alternative Rock einer ganzen Generation erfunden, mit seinen Soloalben hat er gezeigt, wie man brachiale Verzerrung und kammermusikalische Sensibilität zusammenbringt.

Er könnte sich zurücklehnen und auf das Vollbrachte zurückblicken. Alle paar Jahre aber macht er neue Solo-Alben, auf denen er seine Rezepte maßvoll variiert, solide, ohne Interesse an Weiterentwicklung. Wie er dabei wirkt, ist ihm sympathischerweise völlig klar: Das Video zu seiner neuen Single "I Don't Know You Anymore" hat er von den Machern der erfolgreichen Internet-Seite "Funny Or Die" drehen lassen.

Da steht er mit weißem Bart und zauseligem Blick vor Colin Meloy, dem Sänger der bejubelten Indieband The Decemberists, und der erklärt ihm mit der Gutmütigkeit eines Altenpflegers, wie Social Media funktioniert, warum Vinyl-Singles keine Sau mehr interessieren und wie man mit viralem Marketing Erfolg hat. Mould spielt herrlich den alten Trottel, der den Anschluss an die Gegenwart verpasst hat. Und dafür verdient er mindestens die Selbstironie-Medaille der Woche. Das Lied übrigens, wie auch das dieser Tage erscheinende Album "Beauty & Ruin", ist immerhin für alte Mould-Bewunderer herzerwärmend.

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Einer, der dagegen nicht so richtig weiß, dass seine besten Momente schon vorbei sind, ist der Rapper 50 Cent. Sein neues Album "Animal Ambition" wird gerade überall, naja, man kann nicht mal "verrissen" sagen, eher: belächelt. Der Mann kriege nicht mit, wie sich der Hip-Hop in den vergangenen Jahren weiterentwickelt habe, heißt es; er mache einfach stumpf da weiter, wo er zuletzt erfolgreich war, also im Jahr 2005, mit prolligen Reimen und Bling-Bling-Gepose; er habe sich verzettelt zwischen Werbeverträgen und zweitklassigen Filmrollen.

Ja, stimmt alles. Aber noch schlimmer ist der sagenhaft versemmelte First Pitch, mit dem er in die Geschichte eingehen wird: Bei besonderen Baseball-Spielen in den USA treten oft Prominente zum symbolischen Ballwurf an. Als jetzt die Pittsburgh Pirates gegen die New York Mets spielten, war also 50 Cent dran, und er setzte seinen Wurf in die Kulissen. Im Vergleich zu dieser Lachnummer erscheint einem der Muskelheini-Rap von "Animal Ambition" schon fast wieder in Ordnung: Da kennt 50 Cent sich wenigstens aus.

Pharrell Williams

Pharrell Williams mag ungewöhnliche Kopfbedeckungen, das weiß die ganze Welt spätestens, seit er bei den Grammys mit Vivienne Westwoods lustigem Riesenhut zum Darling des Abends wurde. Jetzt hat er sich auf dem Cover der britischen Frauenzeitschrift "Elle" mit indianischem Federschmuck auf dem Kopf gezeigt - und kriegt dafür ordentlich auf die Mütze. Auf Twitter schimpfen Kritiker, ein Kopfschmuck sei keine Verkleidung, sondern repräsentiere traditionelle Werte.

File photo of Pharrell Williams at the 27th Annual Kids' Choice Awards in Los Angeles

Pharrell Williams mag riesige Hüte.

(Foto: REUTERS)

Williams hat sofort mit einem offiziellen Statement reagiert: "Ich respektiere und ehre alle Arten von Rasse, Hintergrund und Kultur. Es tut mir aufrichtig leid." Sehr korrekt so, danke, aber eine Frage sei erlaubt: Wo wäre die Populärkultur heute, wenn ihre Exponenten die Umdeutung von Zeichen aller Art - also auch: politische, kulturelle, religiöse Zeichen - immer brav hätten bleiben lassen? Dann würden wir Pharrell jetzt vielleicht dafür applaudieren, dass er gelegentlich frech mit der Hüfte wackelt. Sauber fad.

Was ist eigentlich los, nur Männer diese Woche? Tja, hilft gerade nichts, jetzt kündigt auch noch Jeff Tweedy an, dass er nach fast 20 Jahren als Sänger der Band Wilco im Herbst sein erstes Soloalbum veröffentlichen will. Das könnte spannend werden, schließlich gilt der Mann als einsames Genie, weil er mit Wilco Country und Alternative Rock zusammenbrachte.

Also hurra? Hm, vielleicht nur verhaltener Grund zur Vorfreude. Den ersten Solo-Song gibt's auf der Wilco-Homepage zu hören, er heißt "I'll Sing It", Tweedy spielt fast alle Instrumente selbst. Das Lied rattert und wackelt wie eine Dampflok, gut so weit, aber über die simple Grundidee, ein minimales, sich wiederholendes Motiv, kommt es kaum hinaus. Offenbar braucht Tweedy die Zusammenarbeit, die Konfrontation mit anderen. Man hätte nichts dagegen, wenn bis September die Wilco-Kollegen noch ein bisschen an das Solo-Material ran dürften.

Also gut, dann zum Abschluss eben noch ein Mann: Hamilton Leithauser. Der war mal Sänger der Band The Walkmen. Veröffentlicht jetzt sein erstes Soloalbum, es heißt "Dark Hours". Und wer hören möchte, ob sich die Grandezza alter Sinatra-Aufnahmen mit dem Straßenkötersound des frühen Bob Dylan verbinden lässt, der möge dieses Album hören und feststellen: Ja, das geht.

Man muss dazu nur mit Leithauseres herrlicher, naiver, überbordender Offenheit versuchen. "Dark Hours" könnte ein schönes Album für die ganz späten Sommernachtsstunden auf dem Balkon werden, wenn man eigentlich schon leise sein muss, aber sich noch ein bisschen Musik im Flüsterton gönnt.

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