Die CDs der Woche - Popkolumne:Und die Pariser Fashion Week fragt: "Quoi?"

Zebra Katz

Zebra Katz prägte den neuen Ausdruck "Ima", was so viel heißt wie: "I am going to".

(Foto: Mad Decent)

Lernen Sie in dieser Popkolumne Englisch! Denn zu den Highlights des vergangenen Musikjahres, das wir derzeit resümieren, gehörte der Wortschatz der Weltsprache, der sich rasch weiterentwickelt hat. Oder wussten Sie vor Zebra Katz, Mykki Bianco und anderen was "Ima", "Wavvy", "Ladera Heights" und "Seapunk" zu bedeuten haben?

Zum Lesen und Hören in unserer Popkolumne. Von Jan Kedves

Um die Jahreswende erscheinen selten wichtige Alben. Ein guter Zeitpunkt also, um das Pop-Jahr 2012 zu resümieren. In den vergangenen Wochen bekannten sich schon Karl Bruckmaier, Max Fellmann, Max Scharnigg und Joachim Hentschel zu ihren Platten und Pop-Momenten des vergangenen Jahres, heute ist Jan Kedves am Zug. Es folgt nächste Woche noch Jens-Christian Rabe.

Zebra Katz

Mit Popmusik ließ sich schon immer gut Englisch lernen und 2012 war in dieser Hinsicht ein großes Jahr. Im März ging's los mit "Ima Read", einem düsteren Rap des New Yorker Duos Zebra Katz & Njena Reddd Foxxx. Eine verzerrte Bassdrum und Drohungen, sonst nichts. Rick Owens, der kalifornische Haute-Goth-Designer, hatte das vorher unbekannte Stück bei seiner Modenschau gespielt, und die ganze Pariser Fashion Week fragte: Quoi?

Also: "Ima" ist die im Slang populäre Verkürzung der Ankündigung "I am going to", und laut urbandictionary.com auch die einzige gebräuchliche Dreifach-Auslassung von unbetonten Vokalen im Englischen. "Read" wiederum heißt hier nicht "lesen", sondern, viel drastischer, so etwas wie "totlesen": In der queeren Ballroom-Szene von New York, der "Ima Read" huldigt, fechtet man Hierarchien nicht nur tanzend via Voguing aus, auch "Reading" ist eine eigene Disziplin, das heißt: Man zerlegt sich mit Worten.

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Mykki Bianco

"Lasst uns wellig werden!" Das war der Schlachtruf von Mykki Blanco, einem weiteren neuen Rap-Star aus New York, das versprach Spaß und bacchantische Exzesse. "Wavvy", Blancos Hit, basiert nämlich auf der Philosophie des "Wavy"-Seins, also einem Hedonismus, der einen zu dem macht, was man früher als "cool" und "fresh" bezeichnet hätte, oder man ist einfach "superbetrunken" oder "superhigh" - oder beides.

Cover von Mykki Blancos Single "Wavvy"

Mykki Blancos Single "Wavvy" basiert auf der Philosophie des "Wavy"-Seins, also "cool" oder "fresh" sein.

(Foto: UNO NYC)

Das Bild mit der Welle passt bei Blanco vor allem auch deswegen sehr gut, weil es bei ihm/ihr um fluide Geschlechterverständnisse geht: Mal tritt er als Superfemme auf, mal sie als Gangster. Irgendwie hatte man auch den Eindruck, das Wörtchen "wavy" müsse wohl verwandt sein mit dem offiziellen deutschen Jugendwort des vorhergehenden Jahres 2011, dem lässigen "swag". So ganz ließ sich das aber nicht klären.

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Frank Ocean

Frank Ocean

Frank Ocean hat 2012 den Wortschatz der im R&B artikulierbaren Männlichkeit um die Vokabel "bisexuell" erweitert.

(Foto: PR)

Frank Ocean hat 2012 nicht nur den Wortschatz der im R&B artikulierbaren Männlichkeit um die Vokabel "bisexuell" erweitert, es ist ihm auch gelungen, einen ganz neuen Sehnsuchtsort an die Karte zu heften. Oder hätte man vor Oceans Song "Sweet Life" gewusst, dass es im Südwesten von Los Angeles eine Gegend gibt, die den reizvollen Namen Ladera Heights trägt und eine Art "schwarzes Beverly Hills" ist, ein "domestiziertes Paradies"?

Das Auto-Korrektur-Programm dieser Zeitung - wenige Tage nach der Layout-Überarbeitung im Juli noch nicht auf das Neueste aus Amerika eingestellt - wusste es nicht. Und taufte in der Besprechung von Oceans großem Debütalbum "Channel Orange" den Nobelort, in dem - so Ocean - afroamerikanische Trust-Fund-Kids ihre Zeit damit vertreiben, sich mit unaussprechlich teuren Tropfen aus dem Weinkeller ihrer verreisten Wellness-Eltern abzuschießen, um - in "Lader Fights"!

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Grimes

Claire Boucher alias Grimes

Grimes hat einen einnehmenden Mix aus R&B, Enya-Gesang und derber DAF-Motorik erfunden.

"Totlesen", "wellig werden", "Ladera Heights" - was wir alles schon gelernt haben! Bei den Highlights 2012 fehlt aber natürlich noch eine Frau: Auch Claire Boucher alias Grimes vergrößerte unseren Wortschatz, wenn auch indirekt: "Seapunk" war der Begriff, den sie selbst in keinem ihrer Songs sang, der aber überall fiel, wo über Grimes geredet wurde. Kurz: Seapunk ist eine über Tumblr-Blogs und YouTube ausgetragene Online-Subkultur, in der man ein affirmatives Verhältnis zu Techno-Grafik und Digitalästhetiken der Neunzigerjahre pflegt.

Erkennungszeichen: kitschige Delfin-Animationen. Wunderwelt Internet! Die Liebe zum Wasser spiegelte sich bei Grimes im verwaschenen, vom Schlammigen ins Meerblaue hinüberspielenden Bettie-Page-Pony. Für die Gültigkeit von Seapunk kann nichts garantiert werden, aber Grimes hat - was nun ihre Musik angeht - einen einnehmenden Mix aus R&B, Enya-Gesang und derber DAF-Motorik erfunden, man wird sie sich merken müssen. Believe the hype!

Fortlaufende Popkolumne der SZ:

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