Die CDs der Woche - Popkolumne:Reichhaltiges Tortenbüfett

Die CDs der Woche - Popkolumne: Katy Perrys "Prism" ist Hochleistungssport für die Ohren.

Katy Perrys "Prism" ist Hochleistungssport für die Ohren.

(Foto: PR)

Katy Perrys "Prism" ist Hochleistungssport für die Ohren, "Kung Fu Fighting" von Erdmöbel hebt die Laune wie stabiles Hochdruckwetter und The Avett Brothers klingen auf "Magpie and The Dandelion" süffig und schüchtern. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Scharnigg

Katy Perry

Mit ihrer Novelle vom Kuss unter Mädchen hat sich Frau Perry vor fünf Jahren aus dem Nichts in die Popgeschichte gestanzt: Eine geniale Beichte, die erotische Spannung und Tabubruch so lammfromm und heiter verkaufte, dass jeder Kindergeburtstag damit beschallt werden konnte. Nach dieser Tat, etlichen Nummer-Eins-Singles und viel Boulevard kommt mit dem Album "Prism" neue Musik aus ihrer Ecke, und zwar jede Menge.

16 Songs, eine ganze Stunde Katy Perry, das ist erst mal vor allem eines: Hochleistungs-Workout für die Ohren. Die gute Single "Roar" eröffnet dieses reichhaltige Tortenbüfett und trifft dabei exakt die derzeit gefragte Backmischung - posher Off-Beat, Ethno-Klangaccessoires und absolute Feierbereitschaft im Refrain. Im weiteren Verlauf probiert Katy Perry alle anderen Strömungen zeitgenössischer Popmusik an sich aus, wie sich das für ein derart großes Radiokaliber gehört.

Musik fungiert in dieser Liga eben eher wie Mode, die Sängerin tritt in einem Dutzend unterschiedlicher Klangoutfits auf, die Tracks sind maßgeschneidert auf sie. Wir erleben Perry als Hiphop-Göre, Perry als Elektroschwedin, Perry als Discokugel, als Taschentuchfreundin. Bei schlechten Aktricen gerät diese fortlaufende Neubereifung der Singstimme schnell zum Kuriositätenkabinett. Perry schafft es aber, dem musikalischen Allerlei so etwas wie eine unterhaltsame Kontinuität zu verleihen. Manchmal reicht beim Hören das Gefühl, auf einem wirklich guten Kindergeburtstag zu sein.

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Erdmöbel

Markus Berges hat zweifellos eines der besten Textverarbeitungsprogramme der Republik im Kopf. Er zelebriert die Silben, er handverliest die schönsten Wörter, er kann jedes einzelne R anders betonen, und der Hörer merkt, wie viel Lust er auf diese Spiele hat. Mit seiner fleißigen Band Erdmöbel zupft, blechbläst und knarzt der Kölner schon seit geraumer Zeit mit Indiechansons, irren Coverversionen und insgesamt viel Altbaucharme am Rande der großen Aufmerksamkeit herum.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Reizende Sprachblumen gibt es auf "Kung Fu Fighting" von Erdmöbel.

Reizende Sprachblumen gibt es auf "Kung Fu Fighting" von Erdmöbel.

Neu und hinter einem wunderschönen Cover liegt jetzt "Kung Fu Fighting" vor, und das erste Lied "Blinker" bietet gleich poetische Höchstleistungen und Strophen, die funktionieren wie Strophen eigentlich nicht funktionieren dürften: "Der beste Köder im Fluss. Forelle im Gleisfeld. Die allerschönste Kuh. Steigt bei voller Fahrt zu." Und so weiter. Berges pflückt diese und andere reizende Sprachblumen lakonisch und ohne zu sehr auf seine Wunderlichkeit stolz zu sein.

Eine gewisse Gefahr bestand bei Erdmöbel immer darin, dass sie ein bisschen zu kordhosig und schrullig werden und mit der originellen Tapete hinter sich verwachsen. Dem wird auf "Kung Fu Fighting" (Jippie!) mehrfach entgegengetreten. Zum Beispiel mit einem herrlichen Hit wie "Vivian Maier", in dem Berges im Refrain auch unentwegt den magischen Satz singt "Anbei die Rollei von Vivian Maier!" Das ist so gut komisch, man will das gleich mitsingen, so wahr klingt es. Und dann gibt es auch noch ein Duett mit Desirée Nosbusch! Dieses Album hebt die Laune etwa genauso wie stabiles Hochdruckwetter im Oktober. Man weiß, wenn es vorbei ist, wird alles dunkler und es wird lange Zeit so bleiben.

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The Avett Brothers

Huch, schon wieder? Wieder ein Album, wieder ein gutes, wieder mit Rick Rubin am Steuer? Dreimal ja. Die Avett-Brüder haben einen Lauf und offenbar nichts anderes vor, als ihre erfrischenden Vision von Bluegrass und Folk in immer dichterer Abfolge unter die große Anhängerschaft zu streuen. Der Starproduzent am Mischpult dürfte dabei nicht unerheblich sein, Rubin gilt ja als Selektierer, der bei seiner Arbeit mit den Bands viel Material übrig lässt.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Auf "Magpie and The Dandelion" klingen The Avett Brothers süffig - und nach schüchterner Schlagseite.

Auf "Magpie and The Dandelion" klingen The Avett Brothers süffig - und nach schüchterner Schlagseite.

Im Falle der Avetts klingt ihr "Magpie and The Dandelion" (Universal) aber keine Minute nach B-Seiten und es wird Frühfans in North Carolina möglicherweise beruhigen, dass es auch etwas weniger nach Rubins Polierpaste klingt als "The Carpenter" vom letzten Jahr. Es hat wieder eine deutlich schüchterne Schlagseite. Süffig ist das alles immer noch.

Die Bereitschaft der Avetts, Country, Folk und Pop zu vermengen, ohne dabei ihre Bluegrass-Wurzeln dranzugeben, fällt in eine äußerst günstige Zeit. Bands wie Mumford&Sons haben schließlich genau diesen Trampelpfad zur Autobahn ausgebaut. Den Avetts fehlt immer noch dieses eine Lied, dass sie international durchbrechen lässt und es ist wahrscheinlich auch auf "Magpie. . ." nicht dabei. Aber bei dem Veröffentlichungs-Tempo ist das nur noch eine kurze Frage der Zeit.

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