Die CDs der Woche - Popkolumne:Lässiges Vergnügen

Sasquatch

"Sasquatch IV" von Sasquatch muss man laut hören, schmerzhaft laut.

(Foto: PR)

"Aftershock" von Motörhead scheppert brachial, während die Melvins auf "Tres Cabrones" herrlich laut sind, aber auch ziellos. Sasquatch liefern Schamanenmusik mit ununterbrochen angespannten Muskeln. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Motörhead

Der Herbst, Tage der stillen Wehmut, erstrahlend im letzten goldenen Oktoberlicht. Worum geht es also passenderweise heute in dieser Spalte? Genau: Gitarrenattacken, Trommelgeprügel, wütendes Gebrüll. Hilft ja nichts, ausgerechnet jetzt erscheinen gleich mehrere wichtige Hardrock-Alben.

Motörhead "Aftershock"

"Aftershock" von Motörhead scheppert und lärmt brachial.

(Foto: PR)

Der Titel des neuen Motörhead-Albums "Aftershock" (Rykodisc) spielt darauf an, dass dem Sänger und Bandphilosophen Lemmy, 67, dieses Jahr ein Defibrillator eingesetzt wurde. Es sah knapp aus, aber er hat offenbar alles gut überstanden, jetzt also weiter nach bewährtem Muster. Ihre Formel haben Lemmy und seine beiden Mitmusiker schon vor vielen Jahren perfektioniert, das Rezept geht so: zwei, drei Songs nach dem Bauprinzip ihres größten Hits "Ace Of Spades". Ein lustig prollhumoriger Songtitel, hier "Silence When You Speak To Me". Ein Titel, den Metal-Fans nicht verstehen - "Coup de Grace". Eine Anlehnung an früher - "Going To Mexico" (auf dem 22 Jahre alten Album "1916" gab es "Going To Brazil"). Ein paar nicht so wichtige mittelschnelle Lieder.

Und: der eine ruhige Song. Heißt hier "Dust And Glass" und ist wie immer ziemlich egal; interessant ist daran aber, dass Lemmy, wenn er zu singen versucht, tatsächlich so alt klingt, wie er ist. Abgesehen davon scheppert und lärmt und brachial "Aftershock" daher wie ein perfekt eingestellter Panzer. Also alles genau das Gleiche wie immer? Aber sicher. Und ist daran irgendetwas schlecht? Aber nein. Der FC Bayern soll Tore schießen. Jonathan Franzen soll epische Familiengeschichten erzählen. Motörhead sollen Motörhead-Platten machen. Auftrag erfüllt.

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Melvins

Fast so lang dabei wie Motörhead: die Melvins, gegründet 1983. Auch bei denen geht es um verzerrte Gitarren und möglichst viel Radau. Aber die drei Amerikaner haben ihren Sound nie so präzise auf den Punkt gebracht, schwammen immer etwas zwischen Hardrock, Metal, Hardcore-Punk und kopflosem Gedröhne. Mal große Momente, mal Schulterzucken.

Melvins, Tres Cabrones

Die Melvins klingen auf "Tres Cabrones" zwar herrlich laut, aber leider auch etwas ziellos.

(Foto: PR)

Jetzt also zum Bandjubiläum "Tres Cabrones" (Ipecac/Soulfood), ein Album in Originalbesetzung: herrlich laut, teilweise brutal, auf teenagerhafte Weise destruktiv, stumpf, angeberisch. Toll. Aber leider oft auch etwas ziellos. Wenn ein Song wie "City Dump" mit einem saftigen Riff anschiebt, dann aber außer dem einen Riff nur noch albernes Hexengekeife zu bieten hat, ist schnell die Luft raus. Nachdem fast für die gesamte Albumdauer alles ganz langsam, ganz schwer bleibt, ziehen die Melvins in den letzten beiden Stücken auf einmal das Tempo an, Punkrock, Pogo, Kopfsprung von der Bühne. Sehr hübsch, aber da ist man leider doch schon ein wenig müde. Empfehlung: Album downloaden, andere Reihenfolge programmieren.

Sasquatch

Und damit zu den Epigonen. Sasquatch aus Los Angeles machen seit 2001 das, was immer wieder mit dem hilflosen Begriff Stoner Rock bezeichnet wird. Soll heißen: brachialer Hardrock, dauerverzerrt und im weitesten Sinne drogenschwer. Auf dem neuen Album "Sasquatch IV" (Small Stone/Cargo) hat jedes Gitarrenriff, jeder Schlag, jeder Akkord die Dringlichkeit eines Bandenüberfalls.

Sasquatch

Sasquatch

(Foto: PR)

Hier glüht alles, brennt, tut weh, drückt aus den Boxen wie Lava, Schamanenmusik mit ununterbrochen angespannten Muskeln. Diese Musik muss man laut hören, schmerzhaft laut, dann entwickelt sie kathartische Kraft, kann den Hörer aus seiner Welt rauswuchten, an die Wand schieben, alles vergessen lassen. Adorno, dessen Eignung für die Beurteilung von Hardrock weithin unterschätzt wird, meinte ja, Fun sei ein Stahlbad. Mit Fun haben Sasquatch nicht viel zu tun, aber Stahlbad - ja, das trifft es ganz genau. Groß.

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Red Fang

Zuletzt noch eine lobende Erwähnung: Red Fang, Lärmrocker aus Oregon, mit ihrem neuen Album "Whales And Leeches" (Relapse/Rough Trade). Eine ähnliche Liga wie Sasquatch, aber das Quartett erlaubt sich auch reine Metal-Elemente, verminderte Quinten, komplizierte Breaks. Die Band hat viel gelernt von Black Sabbath, natürlich, ebenso von Judas Priest, manches erinnert an die Neo-Metaller von Mastodon.

Red Fang, Whales and Leeches

Ein lässiges Vergnügen ist "Whales And Leeches" von Red Fang.

(Foto: PR)

Ein wildes, aggressives, aber rätselhafterweise trotzdem immer lässiges Vergnügen. Bei Red Fang lohnen sich übrigens auch die YouTube-Videos: schrullige Langbartträger, die bis zu den Knien in leeren Bierdosen stehen. Selbstironie, wie schön. In der oft so verbissen gestimmten Welt des Hardrock tut es gut, wenn sich mal ein paar Typen nicht so ernst nehmen.

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