Die CDs der Woche - Popkolumne:Herzschmerz für die Mama

Die CDs der Woche - Popkolumne: Das neue Bon-Jovi-Album "What about now": Muss man diese Platte respektieren, nur weil sie so gut gemacht ist? Ja. Muss man sie deshalb lieben? Nein.

Das neue Bon-Jovi-Album "What about now": Muss man diese Platte respektieren, nur weil sie so gut gemacht ist? Ja. Muss man sie deshalb lieben? Nein.

(Foto: Universal)

Bon Jovi ist die Disney-World-Version von Rock 'n' Roll: so kanten- und bruchfrei, dass nie echte Gefühle aufkommen. Auch die neue CD "What About Now" ist für die ganze Familie geeignet. Weniger brav sind da die aktuellen Alben von Nicolas Repac und Johnny Marr - zum Lesen und Hören in unserer Popkolumne.

Von Max Fellman

Jon Bon Jovi

Es gibt ja Tippfehler, die einem immer wieder passieren, "Gürße" statt "Grüße" zum Beispiel. Oder "Leid" statt "Lied" wenn man über das neue Bon-Jovi-Album schreibt. Ich gebe zu, der Bon und ich, wir werden keine Freunde mehr. Und ja: Der Typ heißt eigentlich Jon Bongiovi und füllt mit seiner Band Stadien in aller Welt.

Jedes Räuspern wird ihm zum Hit. Und trotzdem ist es verdammt schwer, das, was er macht, ernst zu nehmen. Bon Jovi ist die Disney-World-Version von Rock'n'Roll: Man erkennt alles irgendwie wieder, nur ist es jeglicher Aufregung beraubt. Die Posen reißen nicht mit, die elektrischen Gitarren elektrisieren nicht.

Bon Jovi machen ihren Job natürlich perfekt, aber es klingt eben immer alles nach: Job. Autoradio-Rock, der niemanden erschreckt und nach drei Sekunden schon altbekannt klingt.

Wer die neue CD "What About Now" (Universal) hört, möchte schwören, dass er jedes Lied schon seit Jahren kennt. Dabei ist alles so herzlos auf Hit getrimmt, so kanten- und bruchfrei, so doppelt und dreifach lackiert und nachgeölt, dass nie echte Gefühle aufkommen.

Perfektioniert wurde zum Beispiel die Kunstpause vor dem Refrain: Für einen Takt setzt etwa im Titelsong "What About Now" die Musik aus, der Gesang steuert mit ein paar Silben auf den nächsten Takt zu, 2, 3, 4, alle gemeinsam setzen wieder ein, und Golffahrer in ganz Deutschland schalten automatisch einen Gang rauf und schieben ihre doofen Sonnenbrillen zurecht.

So schematisch geht's dann weiter quer durchs Familienprogramm: Rock für den großen Bruder, Süßliches für die kleine Schwester, Herzschmerz für die Mama. Beim fünften Leid, äh: Lied ist dann höchste Zeit für die Ballade, hier heißt sie "Amen" und genauso klingt sie auch - schrecklich.

Muss man diese Platte respektieren, nur weil sie so gut gemacht ist? Ja. Muss man sie deshalb lieben? Nein. Egal: Weder den Bon (ja, genau, Jon) noch seine Abermillionen Fans wird es interessieren, was wir hier daran auszusetzen haben. Sie werden sich trotzdem wie jeden Sommer im Fußballstadion ihrer Wahl treffen. Na dann: Viel Spaß.

Nicolas Repac

Das ist jetzt auch schon wieder 14 Jahre her, dass der New Yorker Moby Millionen Platten verkaufte, indem er alte Blues-Samples mit käsigen Synthesizerklängen kombinierte. Hits wie "Why Does My Heart Feel So Bad" waren smart zusammengebastelt, nur leider waren die alten Originale für Moby kaum mehr als hübscher Plastikschmuck.

Der Pariser Nicolas Repac macht jetzt etwas Ähnliches mit neu zusammengesetzten Schnipseln aus der afrikanischen und afroamerikanischen Welt. Er gibt behutsam moderne Sounds dazu und kombiniert die Samples zu neuen Zusammenhängen.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Hätten CDs einen Duft, würde "Black Box" von Nicolas Repac nach altem Holz riechen, nach langen heißen Tagen und ein kleines bisschen auch nach selbstgebranntem Schnaps.

Hätten CDs einen Duft, würde "Black Box" von Nicolas Repac nach altem Holz riechen, nach langen heißen Tagen und ein kleines bisschen auch nach selbstgebranntem Schnaps.

(Foto: No Format Indigo)

Dabei behandelt er die Fundstücke jedoch mit Respekt. Auf dem Album "Black Box" (Nø Format! / Indigo) wird aus einem afrikanischen Chor ein afrikanischer Chor, keine überflüssige Exoten-Revue.

Repac schichtet Bluesstimmen und archaisches Trommeln übereinander, Lieder von Häftlingen aus den 30er Jahren, Bo Diddley taucht kurz auf, ein angolanischer Sänger übernimmt. Hätten CDs einen Duft, diese würde nach altem Holz riechen, nach langen heißen Tagen und ein kleines bisschen auch nach selbstgebranntem Schnaps.

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Johnny Marr

Seit seinen guten alten Tagen als Gitarrengott bei den Smiths hat Johnny Marr nie mehr zur alten Form gefunden. In den vergangenen Jahren hat er ab und zu mal bei jemand anders mitgespielt, 2003 gab's eine maue Soloplatte, naja.

Und was machen die Engländer? Denen ist das sauber egal, die feiern ihren Johnny trotzdem, zeigen ihn auf Magazintiteln, führen große Interviews, drehen TV-Porträts. Der Mann hat nun mal vor 30 Jahren den Gitarrensound eines ganzen Jahrzehnts erfunden, das reicht fürs Leben, das werden sie ihm auf der Insel nie vergessen.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Aus Johnny Marrs neuer Platte "The Messenger" könnte eine Menge werden, dann aber wird leider nur ein bisschen.

Aus Johnny Marrs neuer Platte "The Messenger" könnte eine Menge werden, dann aber wird leider nur ein bisschen.

Warum also jetzt noch mal ein Soloalbum? "The Messenger" (Warner Music) geht mit einem schönen Northern-Soul-Beat los, die Gitarren machen auf wie die Bäume im Frühling. Daraus könnte eine Menge werden, wird dann aber leider nur ein bisschen.

Großer Sound, tolle Gitarren, Breitwandpop, keine Frage. Doch Marr fehlt der eine richtig gute Song. Im Ohr bleiben glasklare Arpeggien, aber nicht ein Refrain. Das war bei Morrissey anders: Der hat bei den Smiths zwar oft nur rumgeflötet, hatte aber immer ein paar gute Slogans über Fleisch und dicke Mädchen parat. Dagegen ist Marrs Album wie ein perfekt geschnittener und verarbeiteter Anzug - es fehlt nur der richtige Mann, ihn zu tragen.

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