Die CDs der Woche - Popkolumne:Dumpfe Zärtlichkeit

Ruhig und traumschön - nie würde man beim Hören auf Mando Diao kommen. Inspiriert von Lyrik versuchen sich die Schweden an funkelndem Slow-Rock, der nichts mit dem wuchtigen Indierock ihrer bisherigen Platten gemein hat. Ihr neues Album und weitere neue Rockmusik - hören Sie selbst in unserer aktuellen Popkolumne in Kooperation mit Spotify.

Max Scharnigg

Die CDs der Woche - Popkolumne: Zauberhafte Einhornmusik und spannungsgeladenes Geschichtenerzählen, meist rund um den Themenkomplex Mann und Frau. Das sind die Stars auf "North":

Zauberhafte Einhornmusik und spannungsgeladenes Geschichtenerzählen, meist rund um den Themenkomplex Mann und Frau. Das sind die Stars auf "North":

(Foto: Unter Schafen Records)

Stars

Die kanadische Band mit dem Allerweltsnamen Stars (bei Google geht das ganz schlecht) hat in der letzten Dekade einige großartige Popsongs vorgelegt und darf guten Gewissens verehrt werden.

Prägend ist bei ihnen weniger die klassische Indiegitarren-Matrix , mal zart, mal zackig, als vielmehr die gemeinsamen Gesangsparts von Amy Millan und Torquil Campbell. Im Duett schaffen sie zauberhafte Einhornmusik und spannungsgeladenes Geschichtenerzählen, meist rund um den Themenkomplex Mann und Frau.

Auf "North" (Unter Schafen Records) werden die Qualitäten der Band noch deutlicher mit Synthieklängen verstärkt und tragen diverse Xylofon- und Glockenspielbandagen, was dem Werk etwas Entrücktes und manchmal sogar etwas von Erasure verleiht.

Große Furcht herrscht bei den Kanadiern offenbar davor, zu lieblich zu werden und Amy Millan mit ihrer berückend zerbrechlichen Stimme auch mal einfach nur stehen zu lassen - da wird dann immer viel Drumherum geschichtet und die ein oder andere Süßlichkeitssperre errichtet.

An die meisterhafte Platte "In Our Bedroom After The War" von 2007 kommt "North" nicht ganz heran, dafür springt die Stimmung von Lied zu Lied zu sehr. Aber es finden sich noch genügend große Momente - mit dem bittersüßen "Hold On When You Get Love and Let Go When You Give It" oder dem matten "Backlines" behaupten die Stars mühelos ihre Topplatzierung in der heiß umkämpften kanadischen Alternativ-Szene.

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Sea + Air

Das deutsch-griechische Ehepaar Daniel und Eleni Benjamin pflegt als Sea+Air (das ist ein Wortspiel) ebenfalls den Zwiegesang vor popmusikalischer Kulisse. Damit kam es schon ins Vorprogramm von Whitney Houston, wo ihr elegischer Sound angeblich so gut anklang, dass die Veröffentlichung des Debüts "My Heart'S Sick Chord" (Motor) beschleunigt wurde.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Live entlädt sich das Konzept von Sea + Air in einer avantgardistisch anmutenden und überaus kurzweiligen Performance. Bei ihrem Debütalbum "My Heart'S Sick Cord"  hört sich das Eigenwillige aber etwas schnell ab.

Live entlädt sich das Konzept von Sea + Air in einer avantgardistisch anmutenden und überaus kurzweiligen Performance. Bei ihrem Debütalbum "My Heart'S Sick Cord"  hört sich das Eigenwillige aber etwas schnell ab.

(Foto: Motor)

Es ist eine schwer fassbare Mischung, die die Eheleute rund um ihre stets dicht verwobenen Stimmen komponiert haben. Ominpräsentes Cembalo und pathetische Orchestrierung, dann wieder musicalhaft-leichter und nur flüchtig skizzierter Mainstream-Pop.

Verwirrend sind die artifizielle Betonung der englischen Texte und eben der indiebarocke Gesamteindruck, der abwechselnd an "Tanz der Vampire" und "Get Well Soon" denken lässt. Die Single "Do Animals Cry" ist dabei eine Ausnahme, ein hörenswerter Geradeauslauf von Schlagzeug, Cembalo und Gitarre, der von der Harmonie der beiden Stimmen sehr schön bedient wird.

Live entlädt sich das Konzept der beiden in einer avantgardistisch anmutenden und überaus kurzweiligen Performance. Auf Plattenlänge gerät manches etwas überpompös und kitschig. Irgendwie hört sich das Eigenwillige dann auch schnell ab. Wer aber eine durchaus sympathische Erweiterung der Hörgewohnheiten sucht und als Kind vielleicht Esther und Abi Ofarim mochte, für den sind Sea+Air bestimmt einen Versuch wert.

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Mando Diao

Die CDs der Woche - Popkolumne: Eine anrührende skandinavische Meditation: Das neue Album "Infruset" von Mano Diao.

Eine anrührende skandinavische Meditation: Das neue Album "Infruset" von Mano Diao.

(Foto: Universal)

Das ist eine etwas drollige Angelegenheit. Die höchst erfolgreichen und mehrheitsfähigen Gitarrenrockstars von Mando Diao haben ein neues Album vorgelegt, das kein bisschen an ihren bisherigen Sound erinnert. Per Zufall war die Band auf Texte des schwedischen Lyrikers Gustaf Fröding gestoßen, einer Art skandinavischem Paul Verlaine.

Er schrieb schwermütige Zeilen, in denen es einerseits um düstere Erkenntnisse und andererseits um die raue Schönheit der schwedischen Natur geht. Als Musik zu diesen Seelennöten gefiel der Band um die beiden großartigen Songwriter Björn Dixgård und Gustaf Norén ein funkelnder Slow-Rock, der nichts mit dem wuchtigen Indierock ihrer bisherigen Platten gemein hat.

Die schwedische Sprache und der sägeraue Gesang führen zu fast sakralem Gesamteindruck und machen "Infruset" (Universal) sehr hermetisch. Kunstvoll sedierte Musik ist das, mit schlafwandelnden Streichern und der dumpfen Zärtlichkeit der schwedischen Laute.

Es geht aber auch mal zugänglich, zum Beispiel beim Titelsong, einem Duett mit minimalistischer Gitarre, so ruhig und traumschön, nie würde man beim Hören auf Mando Diao kommen.

Trotz dieser Qualitäten bleibt "Infruset" ein Liebhaberstück das dem regionalen Markt in Schweden zugänglicher sein dürfte als hiesigen Breiten. Wer sich dennoch darauf einlässt, kann eine sehr sorgfältig vorgetragene und durchaus anrührende skandinavische Meditation durchleben.

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Fortlaufende Popkolumne der SZ:

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