Die CDs der Woche - Popkolumne:Dicke Beats und Weichmacher

Fettes Brot

Zu "3 is ne Party" von Fettes Brot will man im Zimmer rumspringen und die Topfpflanze kicken

(Foto: PR)

Bei "3 is ne Party" von Fettes Brot ist drin, was draufsteht, während sich Jupiter Jones auf "Das Gegenteil von allem" in zu viel Gefühlsverbundenheit suhlen. "Schau in den Lauf, Hase" von Die höchste Eisenbahn ist warm wie Kuchen, der aus dem Ofen kommt. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Fettes Brot

Bitte, liebe Wissenschaftler, bitte nie den Gendefekt entschlüsseln, der dafür sorgt, dass wir auch im gesetzten Alter zu Fettes Brot noch im Zimmer rumspringen und die Topfpflanze kicken müssen. Es tut zwar ein bisschen weh, ist aber auch schön. Und die drei Jungs sind noch von schlimmeren Seuchen befallen, unter anderem einer, die sie immer noch Jungs sein lässt, obwohl sie auf dem Papier längst gestandene Familienväter sind.

Im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens sprengten sie wieder die Rote Flora auf dem Hamburger Schulterblatt - und das trotz Hausverbots. Das ist gut. Genau wie das bei dieser Gelegenheit vorgestellte neue Album "3 is ne Party" (Fettes Brot Schallplatten), wo genau drin ist, was drauf steht. Party. Also Feiern, wie man seit zwölf Jahren dazu sagt. Mehr wollen die nicht, und das geht ausgesprochen gut, allein drei Hits - "Kannste kommen", "KussKussKuss", "Wackelige Angelegenheit" - knutschen wach, was noch vom vergnüglichen Oldschool-Hip-Hop in Erinnerung war. Mal Deichkind, mal EinsZwo - die Brote machen lässige Honneurs und knallen die meiste Zeit unheimlich rum, die Beats sind dick und die Texte wie Geschenke: Doch da ist etwas / das uns Hoffnung gibt / Geschlechtsverkehr und / Popmusik.

Ja okeee, mit dem Gendefekt klingt's noch besser. Das Lustige liegt ihnen, wie immer, noch mehr als die ruhigen Sachen, wobei ihr Zartgefühl bei "Echo" auch sehr manierlich ist und noch keineswegs altersweise. Ein paar Füllsongs wie "Josephine" sind drauf, aber das passt schon, die Band weiß eben, dass die Menschen beim Konzert auch mal Bier holen müssen. Ausgehplatte, Discostiefel, Hafenrundfahrt - Fettes Brot sind obenauf.

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Jupiter Jones

Diese Menschen können sich für immer aufs Wams nähen, dass sie mit "Still" den hörbarsten Song des jüngeren Mainstream-Radios gemacht haben. So ein Erfolg gibt natürlich bedenklich guten Schwung ins Studio. Was genau an Jupiter Jones' neuem Album "Das Gegenteil von allem" (Columbia) nun auch nervt, ist schwer zu buchstabieren. Ist es ihre lange Wanderung, vom einstigen Eifel-Punkrock über das stark Kettcar-Epigonale zu einer nun ins Grönemeyerhafte tendierenden Gitarrenpoppigkeit? Ein bisschen.

Jupiter Jones

Noch störender: Das dringende Gefühl, dass sie problemlos noch ein Dutzend weiterer ihrer immergleich pathosschwangeren Tresenballaden auf die Platte hätten packen können. So ein durchschnittlicher Jupiter-Jones-Song hat keinen nennenswerten Höhepunkt, lässt wohltemperierte Gitarren kontrolliert leiern, nimmt sich ein paar gefällige Effekte und erzählt von einem vagen Unwohlsein feat. Selbstmitleid und Männerweh. Käufer, die das kaufen, kauften auch Bendzko, Revolverheld und haben sich auf einem Kettcar-Konzert verlobt.

Das ist nicht richtig schlimm, die Texte sind vorsichtig um die größten Phrasenklippen herumgesteuert worden, aber wie sich die Band so in ihrer innigen Gefühlsverbundenheit suhlt, ist auf Albumlänge schwer zu ertragen. Ein Song auf dieser Platte fällt aber auf wie eine Pistole im Grießbrei: "Denn sie wissen was sie tun" mit Ferris MC ist ein hartes, wildes Stück geworden. Mehr davon, weniger Weichmacher, danke.

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Die höchste Eisenbahn

Endlich ist das Platte geworden, was seit langer Zeit als liebenswertes Gerücht in den hinteren Reihen von "Ja, Panik"-Konzerten weitergeflüstert wurde. Mit Francesco Wilking, Moritz Krämer, Max Schröder und Felix Weigt hat sich tatsächlich eine Art Songwriter-Supergroup geformt und nach ein paar verheißungsvollen Häppchen jetzt was Großes gemacht.

Die höchste Eisenbahn

Die höchste Eisenbahn liefert mit ihrem Album Musik für alle, die am ersten Tag des Winters schon frösteln.

Der Tod von Nils Koppruch vor einem Jahr hatte dem Genre einen Dämpfer verpasst, obwohl das bittere Ende, das Aufgeben ja durchaus tonangebendes Sujet all dieser empfindsam musizierenden, schlaksigen Herren war. Da macht "Schau in den Lauf, Hase" (Tapete Records) keine Ausnahme. Es ist ein bittersüßer Liederreigen geworden, den die schön nebensächliche Stimme von Francesco Wilking und das herzcrackende Wunderwesen Moritz Krämer angenehm stoffelig vortragen.

Ihr Sound ist Landstreicher-Pop, warm wie ein Kuchen, der vor zehn Minuten aus dem Backofen kam und der liebevoll von Felix Weigt mit Keyboard-Rosinen und anderem Zuckerkram garniert wird. Der waveige Saxofon-Einstieg von "Egal Wohin" ist nur wie ein Trommelwirbel, es folgen Light-Folk und viele dunkle Kammerpop-Arrangements, wie das herrliche "Raus aufs Land". Musik für alle, die am ersten Tag des Winters schon frösteln. Keine große Sache, aber viel kleines Glück.

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