Die CDs der Woche - Popkolumne:Comeback und Knödelei

Kreisky

Das Album "Blick auf die Alpen" von Kreisky.

(Foto: Wohnzimmer Records)

Kreisky glänzen beim "Blick auf die Alpen" mit einzigartiger Schlagwortdichte, Kate Bush kehrt nach drei Jahrzehnten auf die Bühne zurück und Shakira bleibt auch auf ihrem neuen Album beim leichten Erkältungsknödeln. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Joachim Hentschel

Kreisky

Bevor wir die Frage vergessen: Hat eigentlich schon irgendwer einen Song zur Krim-Krise gemacht? Ukrainische Rapper zählen nicht, obwohl zuletzt ja verdächtig wenige von ihnen in den deutschen Medien auftauchten (bei den Rebellionen in Tunesien und Ägypten war das anders - gibt es in der Ukraine ein Hip-Hop-Problem?). Und natürlich hatte die Band Kreisky noch keine Ahnung vom Donnerwetter, als sie ihr neues Stück "Pipelines" vollendete. Aber was die Wiener hier singen, über, tja, Pipelines, Raffinerien und Kraftwerke, über den Zusammenhang zwischen Technologie, Körper und Landnahme, Sex und Unterwerfung, das klingt auf gruselige Art nach der Freud'schen Interpretation des Konflikts.

Auch musikalisch ist das eine phänomenale Legierung aus schlecht ausgeschlafenem Avantgarde-Rock und erlösungssüchtigem Beat à la "Twist and Shout", wie überhaupt das ganze, durch und durch großartige Kreisky-Album "Blick auf die Alpen" (Buback Tonträger). Sänger Franz Adrian Wenzl, der nebenher unter dem Namen Austrofred Queen-Songs mit österreichischen Texten aufführt, ist als Sprücheklopfer, Theaterkasperl und Horrorvisionär ein in Deutschland bisher übersehenes Talent. Und Kreisky stehen mit ihrer Schärfe, ihrer miesepetrigen Sehnsucht, ihrer Schlagwortdichte in diesem Frühjahr relativ einzigartig da.

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Kate Bush

Das heftigste Popereignis der vergangenen Tage war allerdings ein Versprechen. Die englische Landhausmagierin Kate Bush kündigte für August und September 15 Liveshows in London an. Was deshalb eine Nachricht ist, weil Bush ihre bislang letzten Konzerte im Jahr 1979 gab, als sie ein einziges Mal auf Mädchentour ging. Interessanter als die Frage, warum sie sich so lange versteckt gehalten hat, ist jetzt natürlich: Warum kehrt sie ausgerechnet 2014 zurück? Und: Warum wollen alle dabei sein?

Dieser Reflex, dem man als Reaktion auf die Bush-Botschaft im Internet beobachten konnte, ist gar nicht so selbstverständlich. Wer ab und zu auf solchen Großveranstaltungen war, müsste ja wissen, dass von den rund 5000 Leuten im Hammersmith Apollo jeden Abend höchstens 300 nah genug an der Bühne sein werden, um Kate Bush einwandfrei zu identifzieren. Alle anderen buchen sich trotzdem schon mal die Flüge von Tokio oder Los Angeles, bevor am Freitag der Vorverkauf startet.

Rolling Stones

Die deutschen Fans der Rolling Stones haben das schon hinter sich. Sie meldeten sich in der vergangenen Woche erst freiwillig beim Paid-Content-Service einer Boulevardzeitung an, um überhaupt Zugang zu den Karten zu bekommen, und investierten dann rund 220 Euro in einen Stehplatz vor der Berliner Waldbühne.

Früher ging es darum, wer sich nachts als erster am Vorverkaufskiosk anstellt. Heute hat das Kaufen von Poptickets eher den Charakter einer Mission-Impossible-Straftat, bei der es nur die Cleversten schaffen, alle Zugangsbarrieren zu meistern, den Trümmern jedes zusammenbrechenden Servers auszuweichen.

Das große Begehren, das dahintersteht, die Sehnsucht, sich am Ende selbst an den Ort zu bewegen, an dem Pop gemacht wird - das muss eine Konditionierung aus der Entertainment-Steinzeit sein, die durch Virtualisierung und Billigfluglinien nur noch stärker wird. In Berlin bestellen die Leute ja sogar schon Karten für die im Mai anstehende David-Bowie-Ausstellung vor. Obwohl der nicht mal persönlich vorbeikommt, sondern nur seine alten Schuhe und Hüte schickt.

Shakira

Apropos Steinzeit: Die kolumbianische Sängerin Shakira hat kürzlich in einigen Interviews ihr letztes Video "Can't Remember To Forget You" kommentiert, in dem sie gemeinsam mit Rihanna halbnackt über eine schwarzweiß gestreifte Matratze kugelt und sich von ihr an den Hintern fassen lässt.

Shakira, Album, 2014
(Foto: Sony Music)

Die Szenerie sei auch ein Zugeständnis an die Gefühlswelt ihres Ehemanns, des spanischen Fußballspielers Gerard Piqué, sagte Shakira. Der sei nämlich sehr konservativ und habe ihr streng verboten, in Clips mit anderen Männern aufzutauchen. Man wüsste gerne, ob sie Piqué auch die Songtexte ihres neuen Albums "Shakira" (RCA/Sony Music) vorlegen und ihm versichern musste, dass sie in Stücken wie "You Don't Care About Me" oder "Broken Record" keineswegs von anderen doofen Typen singe, sondern immer nur von ihm.

Ein bisschen schade ist es schon, dass Shakira so viel Energie ins dotterblonde Modeln für die eigene Musik stecken muss: Dieses leichte Erkältungsknödeln in ihrer Stimme hat man schon immer sehr gern gehört, und im Kreis der weltweiten Videogirls ist sie weiterhin die einzige, die man sich zumindest in einigen Momenten als brennende, das Freiheitsbanner schwenkende Protestsängerin vorstellen kann. Aber ach, das ist nur Romantik. Und was wir wirklich brauchen, das sind doch: mehr Pipelines, mehr Raffinerien, mehr Kraftwerke.

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