Die CDs der Woche - Popkolumne:Bucht mich endlich als irren Killer

Wieso ist da vorher niemand drauf gekommen? Iggy Pop soll einen Serienmörder spielen. Von David Bowie geistert ein neuer Song durchs Internet. Und Julian Casablancas greift wieder zum Verzerrer.

Von Max Fellmann

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Singer Iggy Pop performs with the Stooges after being honored with the band during the 2010 Rock and Roll Hall of Fame induction ceremony in New York

Quelle: REUTERS

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Es ist immer schön, wenn jemand eine Idee hat, bei der man sich mit der Hand vor die Stirn schlägt und seufzt, natürlich, hätte man doch längst draufkommen können. Zum Beispiel diese Idee: Iggy Pop soll im nächsten Film des legendären Horror-Regisseurs Dario Argento einen Serienmörder spielen. Logisch! Dieser Blick, dieser aderige Körper, diese zauseligen Haare - alles an Iggy Pop sagt: "Bucht mich endlich als irren Killer!"

Argentos Film "Der Sandmann" wird auf der gleichnamigen Erzählung von E.T.A. Hoffmann beruhen, einem Schauermärchen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Argento versucht das Budget per Crowdfunding zusammenzukriegen, noch sieht's allerdings eher schlecht aus.

DAVID BOWIE

Quelle: AP

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Wo es um Iggy Pop geht, da ist sein Freund David Bowie nie weit. Von Bowie geistert gerade ein neuer Song durchs Internet: "Sue (Or in a Season of Crime)". Zu hören sind siebeneinhalb lose verfugte Minuten Jazzbläser über Drum'n'Bass-Beat, dazu gibt Bowie den larmoyanten Crooner, der gegen die Saxophone und Trompeten ansingt wie ein Frank Sinatra mit Schussverletzung.

Man würde jetzt gern mehr in der Richtung hören, um zu sehen, ob Bowie sich da ein neues Feld erschließt. Aber nein, er hat nur diesen einen Song aufgenommen, weil im November eine Werkausgabe erscheint.

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Quelle: 4AD

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Von David Bowie ist es wiederum zu Scott Walker nicht weit, dem anderen alten Allesprobierer. Walker traut sich noch mehr als Bowie, er hat jetzt ein Album mit Sunn O))) aufgenommen. Das ist paradoxerweise so abwegig und folgerichtig zugleich, dass es einem die Sprache verschlägt.

Extremisten treffen aufeinander: Scott Walker, ehemals Popstar, dann Chansonnier, dann einfach nur noch unberechnbar, und Sunn O))), amerikanische Drone-Metal-Mönche, deren Stücke in der Regel nur aus einzelnen Gitarrenakkorden bestehen, brachial verzerrt, minutenlang gehalten.

Auf "Soused" (4AD) findet das jetzt genau so zusammen: Die Gitarren braten rum, bis sie wie Bohrlärm klingen, darüber schmettert Walker mit theatralischem Bariton komplizierte Melodiebögen, die manchmal zum Bodenlärm passen, manchmal nicht. Im besten Fall klingt das wie der Todeskampf eines Menschen, der gerade im Moor versinkt. Im schlechteren Fall wie eine Platte, die die Einstürzenden Neubauten dann lieber doch nicht veröffentlichen wollten.

So oder so, "Soused" ist eines der bemerkenswerten Alben dieses Jahres. Walker und Sunn O))) versuchen, etwas völlig Neues zu machen. Respekt. Man sollte "Soused" einmal gehört haben, es könnte das "Metal Machine Music" dieses Jahrzehnts werden. Es ist aber leider auch: ein Album, das man danach nie mehr aus dem Regal holen wird.

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Quelle: Cult Records

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Wenn Musiker sich ihrer Sache nicht ganz sicher sind, greifen sie gern zum Verzerrer. Die Gitarren zu lieblich? Alle verzerren. Der Gesang zu brav? Verzerren. Das Schlagzeug ein bisschen banal? Egal, Verzerrer an. Denn was verzerrt ist, klingt böse, schräg - und ist, so die Hoffnung, irgendwie spannender als der reine Ursprungsklang.

Es hätte Julian Casablancas nicht geschadet, in der Hinsicht etwas auf die Bremse zu treten. Der Strokes-Sänger veröffentlicht "Tyranny" (Cult Records), begleitet von einer neuen Band, The Voidz, und die Verzerrerpedale wird gar nicht mehr ausgeschaltet.

Schade, die Songs wären eigentlich gut genug, um sie akustisch abgerüstet zu spielen. Überraschende harmonische Sprünge, Melodien, die gewohnte Raster oft verlassen, Weltmusik-Einflüsse, dazu eine Band mit der Wucht und Rotzigkeit früher New-Wave-Gruppen.

Casablancas sagt, er habe da ansetzen wollen, wo die Strokes den Faden verloren hätten. Aber die Leichtigkeit, die verblüffende Stringenz eines Album wie "Is This It" erreicht "Tyranny" nicht.

Hatsune Miku

Quelle: AFP

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In Japan heißt der Popstar der Stunde Hatsune Miku. Sie ist der erste Hologramm-Popstar der Welt, ein computergeneriertes Comic-Wesen, das dreidimensional auf der Bühne zu stehen scheint.

Jetzt soll Hatsune auch im Rest der Welt berühmt werden, deshalb findet in dieser Woche in New York und Los Angeles ein Festival statt, die "Hatsune Miku Expo". In der Late-Night-Show von David Letterman war sie auch schon zu Gast, ein absurdes Schauspiel: Die Musiker spielen ihre Instrumente, in der Mitte tanzt und singt eine blau leuchtende Manga-Schönheit, die Musik klingt wie die Soundtracks japanischer Zeichentrickserien. Und als Letterman danach ins Bild tritt, wird erkennbar, dass zwischen den Musikern einfach eine Glaswand steht, auf die Hatsune Miku projiziert wird.

Den Letterman-Auftritt im Internet anzusehen, lohnt sich trotzdem - wegen Letterman: Der stellt sich neben die blaue Erscheinung, die ätherisch leuchtet wie eine Drogenhalluzination, grinst in die Kamera und sagt: "Ich fühl mich wie in Willie Nelsons Tourbus."

© SZ vom 15.10.2014/tgl/rus
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