"Die Ausbildung" im Kino:Balancieren, Abrutschen, Reinplumpsen

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Wenn der Arbeitsplatz wie der Abendbrottisch von lebloser Symmetrie beherrscht wird: In Dirk Lütters Film "Die Ausbildung" hofft Azubi Jan auf Übernahme und Festanstellung, ungeachtet dessen, dass er bei seinem Arbeitgeber einer strengen Überwachung unterliegt. Doch darin spiegeln sich auch die Strukturen seines Privatlebens.

Fritz Göttler

Die Stärkeren fliegen im vorderen Teil, und die Schwachen, die fliegen hinten. Und kommen die Kraniche an am Ziel ihrer Reise, dann haben die Stärkeren größere Arbeit getan . . . Beispielhaft, die natürliche Solidarität der Kraniche, und besonders bewegend, dass aus unterschiedlichem Arbeitspotential keine sozialen, keine Machtverhältnisse sich bilden. Auch die schwächeren werden gelobt, dass sie ihr bestes gaben . . .

Kinofilm "Die Ausbildung" (Foto: Basis-Film Verleih)

Jan (Joseph K. Bundschuh) ist im letzten Ausbildungsjahr bei einer Softwarefirma, er hofft auf eine feste Anstellung. Der Personalchef (Stefan Rudolf) ist von ihm angetan, will ihn fördern. Die Mutter ist auch in der Firma, engagiert als Betriebsrätin. Ein Überwachungsbetrieb, wie er heute üblich scheint. Es wird immerzu restrukturiert, überwacht, gemahnt, mit Entlassung gedroht.

Der Filmemacher Dirk Lütter hat einen ungemein bedächtigen Film über ein nervenzerrendes Thema geschaffen. Er hat zuletzt Kamera bei Carmen Losmanns "Work Hard - Play Hard" gemacht - die beiden Filme reflektieren sich wie zwei gegenüber stehende Spiegel, treiben Sonden in die moderne Arbeitswelt. Die Leere schmerzt, da ist zuviel Raum um die Menschen an ihrem Arbeitsplatz, aber wenn der Personalchef zwei Jungs nach ihrer Meinung zu dem neuen Bild in seinem Büro fragt, stehen sie zu nah dran, als dass man ihrem "Sehr schön" glauben möchte. Meist sind die Blicke ausweichend und stumm. Die leblose Symmetrie setzt sich am Abendbrottisch zuhause fort, immer die gleiche Installation von Butter und Wurst, das schreckliche Kratzen der Messer auf den Semmeln. Aber die Sehnsucht nach Solidarität ist da, nach Liebe und kindischem Spaß - auf einem Balken über einem Teich balancieren, abrutschen, reinplumpsen.

DIE AUSBILDUNG, D 2010 - Regie, Buch: Dirk Lütter. Kamera: Henner Besuch. Mit: Joseph K. Bundschuh, Anke Retzlaff, Stefan Rudolf . Basis, 89 Min .

© SZ vom 12.05.2012/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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