Deutscher Oscar-Kandidat:Victoria, sieglos

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"Im Labyrinth des Schweigens", ein Film über einen frühen Auschwitzprozess, ist deutscher Oscar-Kandidat. "Victoria", der dem Zeitgeist eigentlich sehr viel näher ist, wurde hingegen disqualifiziert.

Von David Steinitz

Das Auschwitzprozess-Drama "Im Labyrinth des Schweigens" ist der deutsche Bewerber um eine der begehrten fünf Nominierungen als bester ausländischer Film bei der kommenden Oscar-Verleihung. Das entschied am Donnerstag in München eine Jury im Auftrag von German Films, der Auslandsvertretung des deutschen Films.

Die finalen fünf Teilnehmer werden die Mitglieder der amerikanischen Filmakademie unter allen weltweiten Einsendungen aussuchen, bevor der Auslandsoscar am 28. Februar 2016 in Los Angeles verliehen wird.

Inszeniert hat "Im Labyrinth des Schweigens" der in Deutschland lebende italienische Regisseur Giulio Ricciarelli. Er erzählt in Form eines fiktiven Justizthrillers die Vorgeschichte zum ersten Frankfurter Auschwitzprozess Ende der Fünfzigerjahre. Ein junger Staatsanwalt will inmitten des Wirtschaftswunders, in dem die Aufarbeitung der NS-Zeit von vielen Seiten extrem unerwünscht war, einen ehemaligen KZ-Wärter vor Gericht bringen.

Der Film ist ohne Frage ein starkes Stück Kino, Ricciarelli gelingt der schwierige Spagat, die komplizierten gesellschaftlichen Sublimierungsprozesse der Fünfziger in eine spannende Spielfilmhandlung einzuweben.

Unter den insgesamt acht Kandidaten für die deutsche Oscar-Bewerbung ist er deshalb auch keine schlechte Wahl. Auf jeden Fall ist er ein würdigerer Vertreter des deutschen Kinos als beispielsweise die Til-Schweiger-Dramödie "Honig im Kopf" oder der Sozialdrama-Kitsch "Jack", die ebenfalls zur Auswahl standen.

Der eigentliche Favorit geht leer aus

Trotzdem ist diese Entscheidung auch eine große Enttäuschung. Denn der eigentliche Favorit geht damit leer aus: Sebastian Schippers "Victoria", eine wilde Exkursion ins Berliner Nachtleben, in der ein spanisches Mädchen von ein paar schrägen Jungs in ein fatales Kleingangsterdrama hineingezogen wird.

Der Film wäre sowohl inhaltlich als auch formal der aufregendste Botschafter des aktuellen deutschen Kinos. Weil er tatsächlich dort ist, wo so viele Regisseure gerne wären: nah am Zeitgeist. Und das hat Sebastian Schipper - ein bislang einmaliges Experiment - in nur einer einzigen Einstellung gedreht.

Das Problem: Der Auslandsoscar ist eine Auszeichnung für den besten nicht englischsprachigen Film. Aber in "Victoria" unterhalten sich die junge Spanierin und ihre vier sympathischen Berliner Prolls meist auf Englisch - zu 49 Prozent, um genau zu sein. Die amerikanische Filmakademie aber sieht in ihren Statuten vor, dass höchstens vierzig Prozent erlaubt sind - wie auch immer dieser Grenzwert zustande gekommen sein mag.

Academy hat großes Faible für Nazi-Stoffe

Die Vertreter von German Films hatten daraufhin um eine Ausnahmegenehmigung gebeten, um den Film im Rennen zu halten. Diese wurde leider nicht erteilt. Und das, obwohl der Film in Hollywood gerade sehr heiß gehandelt wird und bald auch in den USA für eine deutsche Produktion recht groß im Kino startet. "Im Labyrinth des Schweigens" könnte nun immerhin davon profitieren, dass die Mitglieder der amerikanischen Filmakademie bei den Oscars traditionell ein großes Faible für Nazi-Stoffe haben.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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