Deutscher Buchpreis:Gehen, ging, gewonnen

Welches Werk wird in diesem Jahr von der Jury zum "besten Roman in deutscher Sprache" gekürt? Gute Chancen haben wohl vor allem die sperrigen Kandidaten.

Von Lothar Müller

Seit 2005 wird am Vorabend der Frankfurter Buchmesse der Deutsche Buchpreis "an den besten Roman in deutscher Sprache" vergeben. Dass er vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ins Leben gerufen wurde, hat den Preis von Beginn an dem Verdacht ausgesetzt, vor allem ein Marketinginstrument zu sein, eine Bestsellermaschine, für die der beste Roman der mit den meisten Verkaufschancen ist. Nun hat sich der Preis im Jahrzehnt seines Bestehens in der Tat als Marketinginstrument bewährt. Der nach dem Vorbild des Booker Prize aufgebaute Spannungsbogen von der Longlist (zwanzig Titel) über die Shortlist (sechs Titel) bis hin zur Verleihungszeremonie, die in der Bekanntgabe des Preisträgers in Anwesenheit aller anderen Shortlist-Kandidaten kulminiert, sorgt in den Auslagen der Buchhandlungen wie in der Berichterstattung über Literatur dafür, dass die ausgewählten Titel über Wochen hinweg erhöhte Aufmerksamkeit genießen.

Dass aber am Ende der Titel das Rennen macht, der im jeweiligen Herbst die besten Verkaufschancen hat und dass im Zweifelsfall der sperrige gegenüber dem leichter konsumierbaren Kandidaten auf der Strecke bleibt, darauf sollte man gerade nicht wetten. In Terézia Moras Roman "Das Ungeheuer", der 2013 gewann, teilte ein schwarzer Strich die Buchseiten und verlangte die konzentrierte Parallellektüre der Erzählstränge. Und in diesem Jahr hat die Jury Ulrich Peltzers Roman "Das bessere Leben" auf die Shortlist gesetzt, der den überschaubaren Plot verweigert und die Lebenskrisen seiner in der globalen Finanzwelt agierenden Charaktere mit den Mitteln des Bewusstseinsromans darstellt. Und auch ein unförmiger Ich-Roman, der seinem mäandernden Titel alle Ehre macht, hat es auf die Shortlist geschafft, Frank Witzels "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969". Würde der Preis so funktionieren, wie bei der Gründung vorausgesagt, die Spannung wäre dahin: Jenny Erpenbecks Roman "Gehen, ging, gegangen", der einen alternden Altphilologen mit DDR-Hintergrund auf die Flüchtlinge im Berlin des Jahres 2014 treffen lässt, ist das Buch zur Stunde. Die Preisverleihungszeremonie im Frankfurter Römer war am Montagabend bei Andruck dieser Ausgabe noch nicht beendet.

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