Deutscher Alltag:Das Ende ist nah

Karlsruhe ist nicht nur eine Pensionistenmetropole, sondern auch eine Laubbaumstadt, Hamburg dagegen eine Zierkürbiscity. Die CDU ist fast die ideale Partei für Karlsruhe: Dort herrscht auch gerade Herbst.

Kurt Kister

Fast scheint es, als seien in diesem Herbst mehr Blätter gefallen als in vielen Jahren zuvor. Der Wind treibt das Laub durch Gärten und über Gehsteige, die Blätterhaufen wachsen immer mehr, und allüberall sieht man Männer mit Rucksackblasmaschinen, die ein wenig an die Bolter der imperialen Sturmtruppen erinnern. Wahrscheinlich ist der Große Blätterfall ein Vorzeichen der Apokalypse oder wenigstens des CDU-Parteitags in Karlsruhe an diesem Wochenende.

Herbst in Nürnberg

Der Wind treibt das Laub durch Gärten und über Gehsteige, wahrscheinlich ist der Große Blätterfall ein Vorzeichen der Apokalypse oder wenigstens des CDU-Parteitags in Karlsruhe an diesem Wochenende.

(Foto: dpa)

Auch in Karlsruhe ist der Große Blätterfall virulent, denn Karlsruhe ist nicht nur eine Pensionistenmetropole, sondern auch eine Laubbaumstadt. Hannover zum Beispiel ist eine Heckenstadt, Hamburg eine Zierkürbiscity und Berlin eine Gestrüppkapitale. In einer Laubbaumstadt fließt das Leben langsam und es ist ungefährlich. Regen wird vom Blätterdach abgehalten, die Menschen bewegen sich im milden Dämmerlicht unter Buchen und Akazien. Das Lebhafteste sind die Rucksackbläser im Herbst, und manchmal befährt ein Regierungsrat a.D. eine Einbahnstraße in der falschen Richtung. Das tut er nicht mutwillig, sondern eher weil er sich in Gedanken an jene Zeit verloren hat, in der man ihm noch mit Respekt begegnete.

Die CDU ist fast die ideale Partei für die Laubbaumstadt Karlsruhe. In der CDU herrscht auch gerade Herbst, was man daran erkennen kann, dass Ursula von der Leyen und Norbert Röttgen über das Recht streiten, das parteiinterne Rucksackblasgerät anlegen zu dürfen. Beide wollen Vize-Parteivorsitzende werden, auch weil sie darauf spekulieren, dass selbst auf den Herbst der CDU irgendwann einmal ein Frühling ohne Merkel folgen wird. Beide werden solche Spekulationen mit Abscheu und Entsetzen zurückweisen und trotzdem todfroh sein, dass die Spekulationen angestellt werden.

Es gibt Städte in Deutschland, die sich für Symbolisches eignen. Man denke nur an: die Weimarer Republik, das Godesberger Programm oder sogar den Leipziger Parteitag (2003 wähnte sich die CDU kurz vor dem Sommer, hatte ihn aber in Wirklichkeit bereits 2002 hinter sich gelassen). Andererseits aber weiß man auch genau, bei welchen Städten so was nicht funktioniert. Wer etwa nähme ernst das Cottbuser Signal, das Münchner Projekt oder gar den Karlsruher Aufbruch? Nichts gegen Karlsruhe. Gibt ein nettes Schloss dort, viele Badener und natürlich das Verfassungsgericht, das noch vor der EKD-Synode und dem Bundespräsidialamt Deutschlands führende Laubbauminstitution ist. Ob man aber wirklich ausgerechnet in Karlsruhe und noch dazu im Herbst einen Motivationsparteitag abhalten muss?

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