Deutsche Sprache als Twitter-Trend:I love #Ü

Nein Quarterly Eric Jarosinski

Auf seinem Twitter-Account spielt Jarosinski gern mit dem Gefälle zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Intellektuellendaseins.

(Foto: Screenshot)

Deutsch klingt hart und hässlich? Egal, es ist die neue Lieblingssprache der Hipster. Ein amerikanischer Germanistik-Professor begeistert unter dem Twitter-Pseudonym @NeinQuarterly Zehntausende für die deutsche Sprache - mit intelligenten Witzen über Umlaute, lange Wörter und Werner Herzog.

Von Kathleen Hildebrand

Vor einigen Wochen ging ein Witz-Video durchs Internet. Es zeigte einen Klischee-Engländer, -Italiener,-Spanier und eine Klischee-Französin, die Substantive ihrer Muttersprache vortrugen. Danach wurde ein Deutscher in Lederhosen eingeblendet und schrie dasselbe Wort auf Deutsch - garstig, aggressiv, hässlich.

Das Deutsche hat keinen schönen Ruf. Eric Jarosinski, Germanistik-Professor an der University of Pennsylvania, kämpft für eine positivere Wahrnehmung der Sprache, und das nicht nur im Kursraum. Sein Twitter-Alter-Ego "Nein." (@NeinQuarterly) hat fast 30.000 Follower. "Nein." ist an Theodor W. Adorno angelehnt, kommentiert das Leben als Intellektueller und macht intelligente Witze über die Denker-Sprache Deutsch: "The beauty of German is in struggle", schreibt er, "Is German too harsh or are your ears too soft?" oder, spät am Abend: "Dream in German tonight. You'll like it. #gutenacht". Die Interview-Fragen hat er auf Deutsch beantwortet, sicherheitshalber schriftlich.

SZ.de: Klingt Deutsch wirklich so schlimm für fremde Ohren?

Eric Jarosinski: Naja, als Germanist vertrete ich nicht gerade einen sehr objektiven Standpunkt. Schlimm würde ich nicht sagen, aber doch fremd, so wie alle Fremdsprachen. Das Fremde wird hier aber öfter als schlimm empfunden, da beim Deutschen allerlei negative Assoziationen ins Spiel kommen können. Das Bild des brüllenden Nazis lebt leider weiter, aber es gibt durchaus andere Vorstellungen, die im Ausland mit dem Deutschen verbunden werden. Ich denke zum Beispiel an Marlene Dietrich (Sex-Appeal), Albert Einstein (Intelligenz) oder Werner Herzog (der Sex-Appeal der Intelligenz).

Unter Ihrem Twitter-Account @NeinQuarterly schreiben Sie einerseits Dinge wie "It sounds better if you call it Dienstag", dann aber auch "Flirting in German is a bit like bulldozers making love" - haben Sie ein gespaltenes Verhältnis zum Deutschen?

Die Frage muß ich mit einem klaren Jein beantworten. Ich oder, genauer gesagt, meine Twitter-Persona, hat ein gespaltenes Verhältnis zu allem, auch zu sich selbst. "Nein." ist ein Dialektiker der alten Schule. Es geht bei mir hauptsächlich darum, mich über kulturelle Klischees lustig zu machen. Manchmal möchte ich sie radikal zuspitzen, manchmal eher verneinen oder auf den Kopf stellen.

"Das Deutsche passt gut zum Selbstbild des 'Hipsters'"

Haben Sie das Gefühl, die deutsche Sprache vor Kritikern wie den Machern des YouTube-Videos beschützen zu müssen? Haben Sie eine Strategie dafür?

Beschützen nicht, aber ich finde es wichtig, spielerisch darauf hinzuweisen, dass eine Sprache sich natürlich ganz anders anhört, wenn man sie kann. Ich fände es einfach schade, wenn man sich so leicht vom Deutschen abschrecken ließe. In der Regel wissen die "Kritiker" selbst, dass ihr Standpunkt nicht zu verteidigen ist. Es geht ihnen hauptsächlich um Witze, die manchmal durchaus witzig sind. Es ist doch eigentlich erfreulich, dass sie immer wieder zum YouTube-Hit wird. Sowas bedeutet letzten Endes Relevanz - und vielleicht selbst eine gewisse Faszination, die von der Sprache ausgeht.

Sie haben über 29.000 Follower auf Twitter - obwohl Sie dort über deutsche Philosophie, Umlaute und Werner Herzog schreiben. Wie konnte das passieren?

Obwohl? Vielleicht deshalb. Es scheint ein relativ großes Interesse für solche Themen zu geben. Wichtig ist aber, dass jemand sie einem größeren Publikum näher bringt. Das ist schon länger meine Aufgabe als Professor gewesen, wird allerdings erst richtig auf Twitter in die Tat umgesetzt. Die größten Themen meiner Aphorismen, Sprüche und Witze sind doch ziemlich allgemeinmenschliche: Liebe, Tod, Glück, Enttäuschung.

Eric Jarosinski

Eric Jarosinski alias "Nein."

(Foto: privat)

"Über-" ist seit einiger Zeit zur beliebten Vorsilbe in englischsprachigen Blogs und Zeitungen geworden, wenn Begeisterung ausgedrückt werden soll. Ist Deutsch vielleicht die neue Trendsprache etwas nerdiger US-Hipster?

Das kann man wohl sagen. Über- ist schon angesagt, auch wenn es völlig falsch ausgesprochen wird - "u" statt "ü". Ironie spielt dabei eine gewisse Rolle, ganz sicher, aber dieses Sprachphänomen weist vielleicht doch auch auf etwas anderes hin - und zwar darauf, dass das Deutsche mit einer kühlen, distanzierten Intelligenz verbunden wird, die zum Selbstbild des "Hipsters" gut passt.

Zum Abschluss: Welches ist Ihr deutsches Lieblingswort?

"Stillstand." Im Englischen heißt es nämlich "standstill." Ich mag die dynamische Umkehrung in dem Wort - vor allem bei einem Begriff für das extrem Statische. Nach Heidegger spricht die Sprache selbst. Hier spielt sie auch dabei.

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