Deutsche Gegenwartsliteratur:Auch du, Mutter

In Svenja Leibers neuem Roman "Staub" brodelt es offenkundig im Helden, einem Arzt aus Berlin namnes Jonas Blaum. Ein Erlebnis aus der Kindheit spielt dabei eine Rolle, aber welche, bleibt sehr unklar.

Von Tobias Lehmkuhl

Wüste

"Staub" spielt, wie der Name schon sagt, spielt an staubigen, vor allem sandigen Orten.

(Foto: Fabio Rose/unsplash)

"Staub" heißt dieser Roman, so steht zu vermuten, weil er an staubigen, das heißt sandigen Orten spielt, im saudi-arabischen Riad, in Amman in Jordanien und in Berlin. Überlegt man, ob der Titel auch sinnbildlich zu verstehen sein könnte, dann fällt einem nur das Bild vom Versanden ein, denn zweifellos versandet ein Teil der Geschichte auf halber Strecke, wenn auch sicher unbeabsichtigt.

Erzählt wird "Staub" von Jonas Blaum, einem Arzt in Berlin, der als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern eine Zeit auf der arabischen Halbinsel verbringt. Seine Schwester, die gerne ein Junge sein möchte, verschwindet in dieser Zeit, warum und wohin und für wie lange - der Leser erfährt es nicht. Auch nicht, warum der alltägliche Umstand, dass ein Kleinkind ein anderes Geschlecht für sich reklamiert, hier so aufgeladen erscheint. Später, in Berlin, wird Blaum heroinabhängig, kommt dann aber von der Droge los, ist eine Weile mit einer Frau liiert, und als diese Verbindung in die Brüche geht, flüchtet er zu seinem Freund Bassam nach Amman. Hier lernt er einen kleinen Jungen kennen, der vor der Zeit altert und einem Greis gleicht. Ihm möchte er, ohne zu wissen wie, helfen. Offenbar steht für ihn dieser Junge im Zusammenhang mit dem Verschwinden seiner kleinen Schwester dreißig Jahre zuvor.

Warum und wieso, auch hier wird dem Leser, nein, nicht Sand in die Augen gestreut. Er tappt schlicht im Dunkeln, was die Dinge angeht, die diesen Blaum um- und antreiben. Schon die Frage, wem er seine Geschichte erzählt, lässt sich nicht sagen, obwohl der Roman selbst diese Frage immer wieder aufwirft.

Mal wird die eine ehemalige Geliebte angerufen, mal irgendeine andere Person. Einmal heißt es, Blaum vergegenwärtige sich Teile seiner Geschichte, um sich von ihnen zu befreien - "und von Dir, Mutter". Abgesehen davon, dass dieser Satz sehr nach Plattitüde klingt, spielt das Verhältnis von Mutter und Sohn ansonsten keine Rolle in diesem Buch, zumindest keine, welche die Heftigkeit des Ausrufs rechtfertigen würde. Offenbar brodelt es in diesem Blaum, aber statt dass das allem unterliegende Trauma offenbar wird, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen voller Kitsch und Phrasenhaftigkeit: "Sehe den verfärbten Fingern zu, kann die Augen nicht davon lassen", schreibt Leiber, oder auch: "Ich kämpfe einige Momente gegen einen Schwindel an. Zu lebhaft fährt meine Fantasie jetzt Szenen auf, Geräusche, Gerüche."

Dann ist die Rede von einem "Kind, ohne Nation, ohne Überzeugung, ohne Grenzen." Ebenso pathetisch die Feststellung: "Innerlich bin ich ein alter Mann." Schon bei dem einfachen Satz: "Ich begab mich sofort zu ihm" vergreift sich Leiber im Register. Begeben Sie sich also nicht in die nächste Buchhandlung. Gehen Sie einfach nach Hause.

Blick ins Buch

Svenja Leiber: Staub. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 246 S., 22 Euro. E-Book 18,99 Euro.

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