Deutsche Filmpreise:Etwas mehr Mut ist noch zu schaffen

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Der Favorit gewinnt - es gab sechs Lolas für "Fritz Bauer". Darstellerpreise gingen an Laura Tonke und Peter Kurth.

Von Anke Sterneborg

Die Zukunft des Kinos in Deutschland liegt in der Neuen Berliner Straße im Studio Babelsberg. Beim traditionellen Brunch am Samstag nach der Verleihung der deutschen Filmpreise wurde sie feierlich eröffnet. Genau genommen sind es vier Straßen in einer, ein ganzes Viertel mit den Art-Deco-Palästen der Friedrichstraße, den bürgerlichen Boulevards von Charlottenburg, den Mietshäusern und dunkleren Hinterhöfen von Kreuzberg und Wedding. Hier werden bald Kinoträume realisiert, zu denen endlich auch hierzulande die großen Fernsehvisionen gehören. Konzipiert wurde der imposante Kulissenkomplex für die zugezogenen Berliner Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten, die hier mit "Babylon Berlin" in die fiebrig vibrierende Zeit zwischen den Kriegen eintauchen. Nach ihrer Verfilmung von Volker Kutschers Gereon-Rath-Krimis sollen die 16- Millionen-Euro-Kulissen internationale Projekte in die Region ziehen, denn sie können sich in jede andere Kinometropole verwandeln. Vorausgesetzt, die Wirtschaftspolitik kann sich zu entsprechenden Steuervergünstigungen durchringen.

Die Zukunft des Kinos liegt auch bei Regisseurinnen wie Nicolette Krebitz ("Wild"), Anne Zohra Berrached ("24 Wochen") und Maren Ade ("Toni Erdmann"). Mit ihnen ist im nächsten Jahr bei den Lolas fest zu rechnen, weil sie das Kino hierzulande derzeit mit leiser Verstörung aufmischen. Alle drei beweisen genau den Mut, den die deutschen Filmemacher im Palais am Funkturm immer wieder einforderten: "Mehr Geld für mutige Ideen, mehr Ehrgeiz für die Entwicklung mutiger Ideen!", verlangte Akademie-Präsidentin Iris Berben in ihrer Einführungsrede, und viele nahmen diesen Faden später auf.

Die Lola-Gala präsentierte sich gut ausbalanciert zwischen Stolz und Selbstironie

Womit wir bei der Gegenwart des deutschen Kinos sind. Schon im letzten Jahrgang dominierte die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die dann aber doch von der ganz gegenwärtigen Energie in Sebastian Schippers "Victoria"-Trip weggefegt wurde. So ein Film fehlte in der Auslese dieses Jahres, auch weil Nicolette Krebitz ihr Wolfsabenteuer "Wild" erst im nächsten Jahr einreichen will. Mit neun Nominierungen etablierte sich Lars Kraumes "Der Staat gegen Fritz Bauer" als Favorit des Abends. Mit den ersten Lolas für Ronald Zehrfeld als besten Nebendarsteller, für das beste Drehbuch (Lars Kraume und Oliver Guez) und die besten Kostüme (Esther Walz) setzte der Film, der die Jagd nach dem Kriegsverbrecher Eichmann mit Politthriller-Spannung auflädt, zum Durchmarsch an. Kurzzeitig gebremst wurde er durch Peter Kurth, der unter euphorischem Jubel für seine Darstellung des von der Nervenkrankheit ALS gezeichneten Boxers "Herbert" prämiert wurde. Am Ende gab es für Thomas Stubers kleinen Film neben einer Lola fürs beste Maskenbild ( Hanna Hackbeil) auch noch die silberne Lola. Das Votum für Nicolas Steiners "Above and Below" als bester Dokumentarfilm wurde von einer Lola für die beste Kameraarbeit (Markus Nestroy) untermauert. Wobei die Überlebenskünstler an den Rändern der amerikanischen Gesellschaft, von denen der Film erzählt, durchaus als Inspiration für Filmemacher gelten können.

Von gelegentlichen Längen abgesehen präsentierte sich die Lola-Gala, zum dritten Mal unter souveräner Führung von Jan Josef Liefers, erneut gut ausbalanciert zwischen Stolz und Selbstironie, unterfüttert mit dem Bewusstsein für die Verantwortung der Kunst in kritischen Zeiten. Statt ihre Texte zu deklamieren, eigneten sie sich fast alle Laudatoren und Dankesredner mit Gefühl an, wie eine gute Rolle: Doppelgewinnerin Laura Tonke etwa, die ihre Lola für die beste Nebenrolle in "Mängelexemplar" in charmanter Demut allen Fehlbesetzungen widmet und die weitere Lola für die Hauptrolle in "Hedi Schneider steckt fest" allen denjenigen, die sich nicht anpassen können oder wollen.

Mit insgesamt sechs Lolas, darunter den Königspreisen für die beste Regie und den besten Film für "Der Staat gegen Fritz Bauer" wurde ein kraftvoller Film ausgezeichnet, der zu einer Serie neuer deutscher Vergangenheitsbewältigungsfilme gehört, die sich von der Schockstarre der Schuld lösen. Der Mut auch die teuflisch reale Neonazi-Politsatire "Er ist wieder da" auszuzeichnen, fehlte leider. Es gebe ja schon viel Mut, meinte Ronald Zehrfeld in seiner Dankesrede: "Aber ein bisserl mehr können wir schon noch schaffen!".

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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