Der Stil der Despoten:Wie bei Diktators unterm Sofa

Sonnenkönige im Herzen der Finsternis: Wenn blutrünstige Diktatoren ihre vielen Paläste aufpolieren, um es es sich zu Hause gemütlich machen, dann brauchen sie unter anderem Gruppensex-Betten.

Angela Köckritz

Er war ein Titan, der größte der großen Männer Afrikas. Er konnte leben wie kein anderer. Er konnte stehlen wie kein anderer. Seinen Anhängern verkündete Zaires Herrscher Mobutu Sese Seko: "Wenn ihr stehlen wollt, tut es auf eine nette Weise. Doch wenn ihr zu viel nehmt, um über Nacht reich zu werden, werdet ihr geschnappt!"

Diktator Bokassa

Glanz, Glamour, grenzenloser Prunk: 22 Millionen US-Dollar ließ sich der Diktator Bokassa seine Krönung kosten, ein Viertel des Jahresbudgets Zentralafrikas.

(Foto: Foto: AFP)

Das mochte für den Mann von der Straße gelten, Mobutu aber griff in den 32 Jahren seiner Herrschaft mit beiden Händen zu. Er besaß elf Paläste in Zaire und neun in Belgien, zwei Villen in Frankreich, Anwesen in Spanien, dem Senegal, der Elfenbeinküste und Brasilien. Und was für welche. Es schimmerte, glitzerte und glänzte in Mobutus Palästen, allesamt Archetypen des "Dictator Style": größer, üppiger und ganz viel davon, Gold, Marmor, Edelhölzer - der ganze Pomp eines Machthabers, der Geld, Ressourcen und Menschenleben rücksichtslos für seine Zwecke einsetzt.

Anfangs ließ Mobutu seine Widersacher foltern, ihnen bei lebendigem Leib die Augen herausreißen, später kaufte er sie einfach. Einen Mercedes für jeden neu gewonnenen Freund und eine ganze Flotte für den Herrscher - schließlich musste er von Palast zu Palast reisen.

Mobutus Heimat aber, das war Gbadolite. Das Dorf lag lange Zeit am Ende der Welt, genauer gesagt im äußersten Norden Zaires. Ursprünglich bestand es aus ein paar ärmlichen Hütten, zwischen denen knochige Kühe grasten. Nicht gerade der Ort, an den es die Reichen und Mächtigen verschlug. Bis zu dem Moment, in dem Mobutu kam.

In den siebziger Jahren beschloss der Diktator, seinen Wohnsitz in das Dorf, die Heimat seiner Vorfahren, zu verlegen. Wobei sich das Wort "Wohnsitz" vielleicht etwas bescheiden ausnimmt.

Der erste Palast kostete 500 Millionen US-Dollar, berichtet Peter York in dem Buch "Dictator Style": ein Albtraum aus rosafarbenem Marmor, der von Gärten im französischen Barockstil umgeben war. Man nannte ihn "Versailles des Dschungels".

Teil der Anlage war ein internationaler Flughafen, den Mobutu dringend benötigte: Allein 32 Mal befehligte der Diktator eine Regierungsmaschine nach Venezuela, um 5000 langhaarige Schafe in sein Dorf zu schaffen.

Schon bald ließ sich Mobutu in direkter Nachbarschaft einen zweiten Palast bauen. Einige Jahre später schenkte ihm die Volksrepublik China Gbadolite 3, einen Palast im chinesischen Stil: Pagoden und geschwungene Ziegeldächer, eine Verbotene Stadt mitten im Dschungel. Das verschlafene Nest Gbadolite war inzwischen zu einer Stadt angewachsen, genauer gesagt zu einer Geisterstadt: Da fast alle ihrer Bewohner für den Herrscher arbeiteten, verfiel sie in eine Art Totenstarre, wenn er auf Reisen war.

Wie bei Diktators unterm Sofa

Das geschah des öfteren, Besitz verpflichtet. Gerne hielt sich Mobutu in seinem einem französischen Schloss nachempfundenen Prachtbau am Goma-See auf, in dem er sich ganz als französischer Prinz fühlen konnte. Wie leicht ließ es sich bei einer Flasche des von ihm bevorzugten Champagner Rosé doch vergessen, dass er aus ärmlichen Verhältnissen kam, und dass die Menschen vor seinen Palästen verhungerten.

Eine Frage des Geschmacks

Dem Volk hatte Mobutu eine Politik der afrikanischen "Authentizität" verschrieben: Westliche Mode wurde verboten, das Christentum abgeschafft. Mobutu duldete keine Götter neben sich. Er war der Allgewaltige, der schon als Siebenjähriger mit bloßen Händen einen Löwen erlegt haben wollte. Alle Zairer erhielten unter seiner Herrschaft afrikanische Namen, Mobutu gab sich selbst den prachtvollsten.

Er nannte sich "Der allmächtige Krieger, der aufgrund seiner Ausdauer und seines unbeugsamen Willens zu gewinnen, von Eroberung zu Eroberung schreitet und Feuer hinterlässt". Das mit dem Feuer war nicht ganz falsch, Mobutu hinterließ verbrannte Erde: 1982 schätzten Ökonomen, dass sein Vermögen vier Milliarden Dollar umfasste - und damit genauso groß war wie die Schulden seines Landes.

Wenig bescheiden gab sich auch das Diktatoren-Ehepaar Marcos, das mehr als 20 Jahre lang über die Philippinen herrschte. Noch heute sind zahlreiche Anwälte damit beschäftigt, ihre verborgenen Reichtümer zu orten - die sehr viel größer sind als Imeldas 3000 Paar Schuhe. Die Schätzungen ihres Gesamtvermögens variieren zwischen fünf und 100 Milliarden US-Dollar - und das in einem Land, in dem die meisten Menschen von zwei Dollar am Tag leben.

Imelda Marcos hat also Geld genug, ihrer selbst erklärten Berufung nachzugehen: Als Diva und Königin des guten Geschmacks sieht sie es als ihre Pflicht an, das Volk mit ihrem Glamour zu inspirieren. Schon allein, weil sie "allergisch gegen Hässlichkeit" sei, erklärt sie.

Ein großer Freund von Soft-Porno-Phantasy-Gemälden

Das mit dem guten Geschmack sieht indessen nicht jeder so. Als ein BBC-Journalist die ehemalige Diktatorengattin in ihrem Appartement in Manila interviewte, amüsierte er sich darüber, dass dort ein gefälschter Michelangelo neben echten Gemälden von Gauguin und Pissarro hing.

Nicht weniger originell ist Imeldas Anwesen in ihrer Heimatstadt Tacloban: Die Eingangshalle erschreckt den Besucher mit einem gigantischen Porträt von Imelda, das offensichtlich von einem ambitionierten Hobbykünstler gefertigt wurde. Darauf entsteigt eine wundersam verjüngte Imelda den Fluten des Meeres, in den Händen eine Muschel haltend, aus der die Köpfe ihrer Kinder wachsen. Gerahmt wird das Bild von einem Vorhang in jenem beige-goldenen Farbton, der als Tischdecke die Säle von Altenheimen schmückt.

Ungewöhnliche Vorlieben pflegte auch der Iraker Saddam Hussein. Er bevorzugte nicht nur einen protzigen Hotelstil (Tore in Adlerform), er war auch ein großer Freund von Soft-Porno-Phantasy-Gemälden, Typus: Metal-Röhre Doro Pesch trifft Siegfried, den Drachentöter.

Feinsinnigkeit und Geschmack, insbesondere guter, sind selten Kriterien bei der Einrichtung von Diktatorenpalästen. Die meisten Diktatoren stammen aus armen Verhältnissen und haben auf dem Weg nach oben wenig Muße, sich mit Ästhetik zu befassen. Und selbst die, die es taten - wie der gescheiterte Kunstmaler Adolf Hitler - entwickelten dabei nicht zwingenderweise Talent.

Wie bei Diktators unterm Sofa

Aber was macht das schon? Der Diktator ist erhaben über die Regeln des guten Geschmacks. Sein Wort ist Gesetz, sein ästhetisches Empfinden Schönheit. Wer würde es wagen, das Gegenteil zu behaupten? Imelda ist überzeugt, in die Geschichte einzugehen: "Eines Tages wird man meinen Namen in die Wörterbücher aufnehmen. "Imeldifisch" wird für "prunkvolle Extravaganz" stehen."

Große Träume

Möbel erzählen Geschichten. Möbel enthüllen Phantasien. Wovon aber träumt ein Diktator, der bereits alles besitzt? Von einer Zeit, als Untertanen noch Untertanen waren. Und Herrscher Könige. Als es noch keine Menschenrechtsgruppen gab und erst recht keine lästige Auslandsopposition. Frankreich, Absolutismus, der Sonnenkönig! Egal, ob Mexikos Porfirio Diaz, Spaniens Franco, Mobutu oder Imelda Marcos - sie alle liebten den Stil des imperialen Frankreich. Louis IV- und Louis VI-Stühle, egal ob echt oder gefälscht, vergoldete Spiegel, üppig bestickte Brokatkissen.

Auf die Spitze trieb es Jean-Bédel Bokassa, Herrscher der Zentralafrikanischen Republik. 1977 ließ er sich und seine Ehefrau Catherine krönen. Bokassa stand in Hermelinmantel und diamantenbesetzer Krone vor einem goldenen Adler und konnte sich ganz wie sein Vorbild Napoleon fühlen.

Einziger Wermutstropfen: Nicht einer seiner neuen Kollegen war erschienen, vom japanischen Kaiser Hirohito bis zum Schah von Persien hatten alle abgesagt. Selbst Bokassas französische Förderer ließen sich nicht blicken, ja, nicht einmal sein Freund, der französische Premier Valéry Giscard d'Estaing, kam. Ihm war Bokassas Krönungszeremonie äußerst peinlich, genauso wie die Gerüchte, Bokassa würde seine Feinde an Löwen und Krokodile verfüttern.

Frauen, Frauen, Frauen

Auch wenn man es ihnen nicht unbedingt ansah: Die meisten Diktatoren waren Frauenhelden. Und verheiratet. Sie standen also vor dem Dilemma aller Schürzenjäger: Wo den Liebschaften nachgehen, ohne erwischt zu werden? Im Liebeskabinett natürlich, und das findet sich in allen Ausführungen, von schillernd bis schäbig. Wenig romantisch war Italiens Duce Benito Mussolini, der sich jeden Nachmittag eine andere Gespielin ins Büro bringen ließ. Sein Biograph Nicholas Farrell berichtet: "Der Liebesakt fand auf einem steinernen Fensterplatz oder auf dem Teppich statt. Sobald er fertig war, entließ Mussolini die Frauen, ohne ihnen Kaffee, Likör oder auch nur ein Stück Kuchen anzubieten."

Sehr viel größeren Aufwand betrieb Chinas Vorsitzender Mao Zedong. Er ließ sich Holzbetten anfertigen, die groß genug für mehrere Gespielinnen waren. "Am glücklichsten war er, wenn mehrere Frauen sein Bett teilten", schreibt Maos Leibarzt Li Zhisui. Mao war ständig von einer Entourage junger Frauen umgeben, die er aufforderte, Verwandte zum Liebesspiel einzuladen. Selbst junge Männer verschmähte Mao nicht. Seine Betten ließ er im ganzen Land aufstellen: in seinen Villen, seinen privaten Zügen, ja sogar in der Großen Halle des Volkes.

Der sexuelle Appetit des Vorsitzenden wurde im Alter noch größer, er entwickelte sich zu einem begeisterten Anhänger daoistischer Sexpraktiken, mit denen er sein Leben zu verlängern suchte. Für seine Ehefrau Jiang Qing hatte Mao hingegen nur noch wenig übrig. Er sei längst zu alt für die ehelichen Pflichten, hatte er ihr erklärt. Die Eheleute schliefen in getrennten Schlafzimmern, meist sogar in unterschiedlichen Villen.

Mao besaß 50 Anwesen im ganzen Land. Obwohl er lebte wie ein Kaiser, hatte sich der Bauernsohn seinen einfachen Geschmack bewahrt. Er zog sich nur an, wenn es absolut nötig war. Meist arbeitete er lediglich mit einem Morgenrock bekleidet in seinem Bett oder am Rande eines Schwimmbeckens. Mao war begeisterter Schwimmer, viele seiner Anwesen verfügten über eigene Bäder.

Ansonsten hielt Mao nicht allzu viel von Körperhygiene. Weder putzte er seine Zähne, die von grüner Plaque überzogen waren, noch badete er. "Er wasche sich in seinen Frauen", erklärte er seinem Arzt - und übertrug dabei unzählige Geschlechtskrankheiten. "Das macht nichts, so lange ich selber keine Beschwerden habe", fand der Vorsitzende. Mit dem Leben anderer war Mao schon immer großzügig umgegangen, es störte ihn wenig, dass seine Wirtschaftspolitik mehr als 20 Millionen Hungertote gefordert hatte. Seine Lustmädchen ertrugen ihre Infektionen übrigens mit Stolz - wie ein Geschenk des Großen Vorsitzenden.

Schlaflose Nächte

Sehr viel genauer nahm das rumänische Diktatoren-Ehepaar Ceausescu das Thema Körperhygiene. Um nicht zu sagen: peinlich genau. Nicolas Ceausescu, der sich gerne "das Genie der Karpaten" oder "der irdische Gott" nennen ließ, litt unter Waschzwang. Wann immer er jemandem die Hand reichte, ließ er sich diese im Anschluss von einem Leibwächter mit Alkohol desinfizieren. In seinen Palästen finden sich unzählige Badezimmer, Schwimmbäder und Therapieräume.

Ceausescu hatte nicht nur panische Angst vor Ansteckung, er fürchtete sich auch vor Anschlägen. Seinen Vorkoster hatte er immer dabei, selbst als er einmal die Queen besuchte. Genutzt hat es ihm wenig. Am 25. Dezember 1989 wurde das Paar des Völkermordes schuldig befunden und noch am selben Tag erschossen.

Ceausescu war mit seinen Ängsten nicht allein. Saddam Hussein residierte in 65 Palästen, in keinem aber lebte er dauerhaft. Die Angst vor Anschlägen zwang ihn, jede Nacht umzuziehen, während seine Doppelgänger exakt um die selbe Zeit in verschiedenen Villen dinierten - sollten sie doch erschossen werden. Die meisten Diktatoren leiden unter Paranoia, nicht ganz unbegründet, denn die wenigsten von ihnen sterben friedlich im Bett. Die Konsequenz ist eine Architektur der Angst.

Wälle, Zäune, Schäferhunde. Der Potentat wird zum Sklave seiner Furcht: Hinter jeder Säule und jedem Busch könnte der Attentäter lauern, die Pistole im Anschlag. Der Palast scheint dem Diktator zur tödlichen Falle zu werden. Wer hätte da noch Augen für all den goldenen Prunk?

Das Buch "Dictator Style: Lifestyles of the world's most colourful despots" von Peter York ist erschienen bei Chronicle Books, San Francisco, 2006.

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