Der Popliterat und Sänger Adam Green:Adam und die Ahnen

Bob Dylan für Arme und Nochnichtdabeigewesene: Der Sänger Adam Green feiert mit geborgter Souveränität unheimliche Erfolge.

JULIA ENCKE

Eine Zeit lang scheint die Planstelle des Lieblingsmusikers für die reife literarische Jugend unbesetzt gewesen zu sein.

Der Popliterat und Sänger Adam Green: "Der Flugzeugtreibstoff versengt unsere Ochsenfroschzungen / so bitter wie Crystal Meth ohne Gewissensprüfung", schreibt Green. 
 OK.
 Das muss Kunst sein.

"Der Flugzeugtreibstoff versengt unsere Ochsenfroschzungen / so bitter wie Crystal Meth ohne Gewissensprüfung", schreibt Green. OK. Das muss Kunst sein.

Der Posten ist nun wieder vergeben: Der Gewinner ist ein junger Popdichter aus New York namens Adam Green, der mit zerfledderten und natürlich schwarzen Notizbüchern durch die Großstadt läuft.

Dabei protokolliert er, was ihm so durch den Kopf geht. Der Songschreiber, der mit seiner ehemaligen Band Moldy Peaches am liebsten in Kamel-, Robin-Hood- und Hasen-Kostüm auftrat, nimmt seit einer Weile auch Solo-Platten auf. Und was, glaubt man seinen Jüngern, überhaupt das Allergrößte ist: Er ist der Urenkel von Franz Kafkas einstiger Dauerverlobter Felice Bauer!

Sie haben noch nie etwas von Adam Green gehört? Nun, Adam Green ist the latest shit aus New York: "Die Antwort unserer Tage auf Bob Dylan" - "eine Mischung aus Frank Sinatra und Jim Morrison" - "der talentierteste Songschreiber, den die Popwelt im Moment hat" - "der Lieblingssänger aller klugen jungen Menschen" - "einer der besten Künstler der Welt" - ein "postmoderner Trickster" - ein "verschlagener Kaspar Hauser" - ein "Indie-Superstar".

Zuletzt sang er bei Harald Schmidt.

Adam und die Ahnen

Und weil das alles nicht genug ist und neben Greens neuem Album "Gemstones" (Sanctuary 194, Rough Trade) in der Edition Suhrkamp auch sein erstes Buch "magazines" erscheint, setzt der Verlag noch eins drauf und preist eine Literatur an, in der neben Dylan auch noch "Allen Ginsberg, Guillaume Apollinaire und Rolf Dieter Brinkmann anklingen" sowie - das meint man in Frankfurt ernst - "vielleicht auch Greens Urgroßmutter Felice Bauer durch die Verse flüstert".

Was sieht man? Einen computermusikfeindlichen, aus Großvätern zusammengeklonten Barden mit hübschem Gesicht.

Man könnte einwenden, dass Adam Green wenig dafür kann, wenn in einer Zeit, die keine tragischen Größen hervorzubringen scheint, eine beflissene Gemeinde sich mit allgemeinem Kopfnicken auf ihren kleinsten gemeinsamen Suchsuchts-Nenner einigt, also: auf ihn.

Er kann aber dann doch etwas dafür. Die Projektionen sind seine Erfindung. Begierig bedient man sich in seinem Bauchladen. Adam Green ist es, der auf dem Cover-Foto und den Collagen seines neuen Albums als kleiner Bruder von Dylan und Morrison posiert.

Er selbst erzählt, Frank Sinatra sei ihm im Traum hinter der Bühne im Umkleideraum erschienen, um ihm zu sagen, er solle die Gitarre ganz weglegen und seine Lieder so schreiben, wie er sie im Kopf höre.

Gerne vergleicht er sich mit Kafka, dessen Urenkel er zwar nicht ist, worauf es am Ende aber auch nicht ankommt: "Er hat die gleichen Sachen gemacht, die mich auch interessieren", sagt er. "Bei ihm prallen die unterschiedlichsten Gefühlslagen aufeinander in einer einzigen Geschichte." (Dies trifft übrigens nicht nur auf Franz Kafka zu, sondern zum Beispiel auch auf Britney Spears.)

Und auf die Frage, warum er anders als zu Hause gerade in Deutschland so gefeiert wird, hat er auch eine Antwort: "Schätze, jetzt mögen die Deutschen jüdische Kultur wieder."

Die Mischung aus Anmaßung, Altklugheit und Naivität wird als charmant empfunden, Green ist der Saisontiger Nummer eins.

Die neue und dritte Solo-Platte "Gemstones" ist nun aber vor allem eines: furchtbar anstrengend.

Und sein Buch ist es auch.

Adam Green hat eine schöne Baritonstimme. Seine Lieder klingen allerdings so, als hätte der Zappelphilipp sie mit Hilfe der Plattensammlung seines jetzt fünfzigjährigen Onkels komponiert.

Da wird gegaukelt und geschaukelt, getrappelt und gezappelt, weil es langweilig sein könnte, einfach mal stillzuhalten.

Was passiert als Nächstes?

Adam Green vertraut dem Beat nicht. Nur zwei Minuten sind seine Lieder im Durchschnitt lang. Diese zwei Minuten aber sind so voll gepackt mit Rhythmus-, Tempo- und Stilwechseln, reihen - mit ein bisschen Procol-Harum-Georgel hier und dem So-happy-together-Sound der Turtles da - in manierierten Nummern-Revues Blues, Folk, Country, Boogie aneinander.

Dass das nervös macht, ist natürlich Programm, der Stilbruch Greens Prinzip. Wer so viel Historizismus atmet und dabei betont leichtfüßig auf den Rücken der Ahnen tanzt, muss allerdings auch in Kauf nehmen, dass das Ganze kalkuliert, künstlich und ausgedacht klingt - was am Ende sicher auch noch ironisch sein soll.

"Wenn man an einem Song arbeitet", vertraute Green dem Popkulturmagazin Spex neulich an, "dann stellt sich ja immer wieder die Frage: ,Und was passiert als Nächstes?'

Manchmal kann das, was als Nächstes kommt, etwas völlig Verrücktes sein." Natürlich freuen wir uns alle, wenn immer wieder einmal etwas passiert: im Leben, in der Musik, in der Literatur. Aber alle halbe Minute etwas Neues oder sogar Verrücktes?

Oder, anders gefragt, da hier einer mit Bob Dylan verglichen wird: Hat Dylan in seinen frühen Aufnahmen, in diesen Schweineorgel und Beatgitarren-Rumplern, ständig was Neues und Überraschendes präsentiert? Er hat sich einen Dreck geschert.

Adam Green dagegen kommt es auf das Verrücktsein-Wollen leider sehr dezidiert an. Nicht nur in der Musik, sondern auch in den Texten.

"Oxymoron" nennt sich das. Er lässt Gegensätzliches aufeinander prallen und hofft auf den schnellen Effekt, für den es am besten ganz plötzlich sehr obszön wird: Er wolle gerne mal die Hand des US-Präsidenten George W. Bush schütteln, heißt es in "Choke on a Cock", während der Refrain die Gefahren des Erstickungstodes beim Oralsex besingt.

Soso! Er wünscht seinen Nazifreunden gute Nacht. Aha! In den literarischen Notizen und Strophen des originellerweise Baudelaire zitierenden Prosagedichts "Die Blumen des Kapitalismus", die Thomas Meinecke ins Deutsche übertragen hat, geht es nach selbem Stilbruchprinzip weiter: "Der Flugzeugtreibstoff versengt unsere Ochsenfroschzungen / so bitter wie Crystal Meth ohne Gewissensprüfung", schreibt Green.

Und in der nächsten Zeile: ",Wie können wir ficken?' lächelte sie, / am Kantstein unseres genitalen Knotenpunkts kauernd".

"Gefühlskubismus" sei das, sagt Green und hat damit schon wieder ein Stichwort gegeben. Nach Apollinaire klingen seine Verse jedenfalls nicht und nach Brinkmann auch nicht. Aber sehr nach Schrauben und Zwingen, Kleben und Verdrehen, nach geborgter Souveränität.

Am Ende bleibt einem nichts anderes übrig, als in wirren Adam-Green-Strophen noch ein bisschen mit hin- und herzuspringen, vom Web durchs abgründige Amerika in die Großstadtstraßen, vom Tumor über die U-Bahn in "deine Vagina", um dann erschöpft eine alte Bob-Dylan-Platte einzulegen.

Der konnte Geschichten erzählen, die man sogar versteht.

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