Der Krieg im Internet:Lachsalven über Bagdad?

Modem und Tabu: Das Internet ist zum Unterschlupf amerikanischer Satiriker geworden

REGULA FREULER

George W. Bush kann der freien amerikanischen Presse verbieten, Bilder der toten Söhne ihres Landes zu zeigen. Und er kann regierungskritische Stimmen leiser machen. Beim medialen Hofnarren, der Satire, scheint seine Macht jedoch zu enden. Zwar kann Bush bei der satirisch verfremdeten Darstellung seiner, dem Alkohol nicht abgeneigten Zwillingstöchter eingreifen. Einem Medium gegenüber ist aber selbst der amerikanische Präsident ohnmächtig: dem Internet. Allein aus den USA stammen unzählige Internetseiten mit politischen Cartoons, Comics und Parodien über den Krieg im Irak. Und von einigem, auf das man im Internet stößt, würden sogar die nicht gerade zimperlichen Macher von Titanic und "South- Park" die Finger lassen.

Der Krieg im Internet: Verballhornung der "Homland Security"-Seite ready.gov. Die Piktograme, die das korrekte Verhalten bei einer Terror-Attacke an der Heimatfront illustrieren sollen, werden von Satire-Seiten wie folgt gedeutet: 1. Wirbelstürme, Tierkadaver und dein neues Tattoo haben eine Menge gemeinsam. Denke darüber nach! 2. Nachdem Sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Sie unter Umständen gewaltige Ausmaße angenommen haben können. Achten Sie auf Ihren Kopf! 3. Falls Sie sterben sollten, tun Sie doch Ihren Mitbürgern bitte den Gefallen und verschmutzen nicht die sauberen Rot-Kreuz-Zelte.  Sterben Sie draußen - wie ein guter Amerikaner!

Verballhornung der "Homland Security"-Seite ready.gov. Die Piktograme, die das korrekte Verhalten bei einer Terror-Attacke an der Heimatfront illustrieren sollen, werden von Satire-Seiten wie folgt gedeutet: 1. Wirbelstürme, Tierkadaver und dein neues Tattoo haben eine Menge gemeinsam. Denke darüber nach! 2. Nachdem Sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Sie unter Umständen gewaltige Ausmaße angenommen haben können. Achten Sie auf Ihren Kopf! 3. Falls Sie sterben sollten, tun Sie doch Ihren Mitbürgern bitte den Gefallen und verschmutzen nicht die sauberen Rot-Kreuz-Zelte. Sterben Sie draußen - wie ein guter Amerikaner!

(Foto: SZ v. 08.04.2003)

"Ein Amerikaner und ein Afghane spielen Schach. Wer gewinnt? - Der Afghane natürlich. Dem Amerikaner fehlen schließlich zwei Türme." Das Internet war das einzige Medium, in dem nach dem 11. September für Amerikaner Satire noch möglich war. Terroristen- und bin-Laden-Witze galten in den üblichen humoristischen Gefäßen als tabu, sogar in der Stand-Up-Comedy und anderen unterhaltenden Genres. Während solche Witze in Europa schnell die Runde machten und in den USA ins Internet verbannt waren, läuft es heute gerade umgekehrt: Hört man einen Witz, steht er sicher schon im Internet. "Warum sind Sie so sicher, Mr. Powell, dass Saddam Massenvernichtungswaffen besitzt?""Aber Mr. Blix", Powell zwinkert verschmitzt, "weil wir natürlich die Rechnungen aufbewahrt haben."

Doch das ist noch relativ harmlos, ebenso die unzähligen Fotomontagen, vorzugsweise von Filmplakaten, welche die Titelseiten von Spiegel bis Time zieren: Bush als James Bond ("The World has had enough") und als Rambo IIII, Bush als Gladiator, als Turbanator, als Darth Vader in "Star", besser "Gulf War II", Bush als Lord of the RingsGollum, der in der Hand eine Dose mit Öl hält ("We must have the preciou$$$...").

Angeprangert wird die moralische Fehlbarkeit des als tumber Brutalo dargestellten George W. Bush und seiner kriegslüsternen, verlogenen Regierung. Bei Saddam Hussein kommt zur Profitgier noch Skrupellosigkeit und Dreistigkeit dazu, mit der er die UN-Inspektoren an der Nase herumgeführt habe. In einem von Disneyland zu Iraqiland transformierten "Vergnügungspark" gibt es zum Beispiel einen "Scud-Mountain" und "Uncle Saddam's Façade Town (US Inspectors only!)".

Die meisten Darstellungen funktionieren also nach der klassischen Definition von Satire: Kritik an Autoritäten üben und den Widerspruch von Ideal und Realität aufdecken. Über die amerikanische Bush-Wählerschaft oder die Soldaten wird dagegen nur am Rande gescherzt. Einige Anti-Kriegs-Parolen stammen zwar aus der Zeit des Vietnamkriegs, die damals übliche Kritik aus den "eigenen Reihen" scheint hingegen aus der Mode gekommen zu sein.

Entsprechend der demagogischen Ausdrucksweise einiger Politiker, allen voran Donald Rumsfeld, sind auch Tonfall und Sprache der Satire schärfer geworden. Vor polemischen Statements schrecken selbst Schriftsteller wie John Le Carré nicht zurück, der in seinem Aufsatz "Die Vereinigten Staaten sind verrückt geworden" die "religiöse Selbstgefälligkeit" der "Bush-Junta" diagnostiziert. Was die Bildsprache betrifft, so bestünden Animationen, Song- Parodien und Computerspiele jeden Härtetest mit links. Doch es geht dabei nicht darum, ob ein "Kill-Saddam"-Game "geschmacklos" ist, sondern um die grundsätzliche Frage, ob Brutalität mit Brutalität glaubwürdig kritisiert werden kann. Die entsprechenden Satiren bergen oftmals unbewusst einen doppelten Boden: Wie genügt man seinem Anspruch, ein moralisch "reiner" Kritiker zu sein, wenn man versucht, Bush und Saddam mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?

Zur Melodie von "Surfin' USA" wird "Let's bomb Iraq" geträllert. Bei einem Dart-Spiel soll der an die Zielscheibe gebundene Bush möglichst schmerzhaft getroffen werden; die Menge fließenden Blutes und die Lautstärke des johlenden Publikums bestimmen den Score. Im "Kill Saddam"-Game geht es darum, den Diktator entweder mit einer Atombombe zu zerfetzen, ihn in einem Eimer mit Chemikalien aufzulösen oder von einer Kreissäge zerfetzen zu lassen. Der "Kill Saddam"-Song (nach Chumbawumas "Tubthumpin") gehört zu einer Animation, in der Saddam von einem Panzer verletzt und schließlich von einem Teufelchen in amerikanischer Uniform durch einen Kopfschuss getötet wird. Die vorwiegend von Rap-CDs bekannte "Parental Warning" steht auch vor dem Herunterladen der "Kill Saddam"-Animation: "No nudity, no violence, no explicit language, no adult themes". Klingt harmlos. Gewalt-Satire für Kinder ab sechs? Von wegen. Das einzige, was ein Kind dabei lernen kann, ist die martialische Wild West-Devise: Schieß' zuerst, sonst wirst du erschossen.

Selbst das (imaginäre) Sittenkomitee scheint sich nicht immer einig zu sein. Das "Weapons of Bush destruction"-Game, bei dem der Spieler den fliehenden US-Präsidenten auf einen Panzer aufspießen soll, ist mit "excessive violence" gekennzeichnet. Auch wenn viele Satiriker behaupten, unparteiisch zu sein: unter König Bush sieht die Rolle des Hofnarren ein wenig anders aus. Dafür sorgt die Selbstzensur. Tucholskys Antwort auf seine berühmte Frage ("Was darf Satire? - Alles.") wird oft ergänzt: "Alles, außer Opfer lächerlich zu machen." Vielleicht sollte man eher sagen: "Alles, außer das Niveau des Kritisierten anzunehmen."

Über die Opfer unter der irakischen Bevölkerung wird tatsächlich nicht gescherzt. Oder: Noch nicht? Der eingangs erzählte Schach-Witz hat nämlich eine weitere Pointe: "Wer gewinnt? Der Afghane natürlich. Dem Amerikaner fehlen schließlich zwei Türme." "Schon, aber der Afghane hat bald keine Bauern mehr."

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