·:Der große Mutmacher

SZ-Korrespondent Stefan Klein über den Freund und Kollegen

SZ v. 30.04.2003

Jede Zeitungsredaktion hat ihre Hierarchie. Da gibt es welche, die haben klingende Titel und schöne, große Zimmer. Das sind die Chefredakteure oder die Ressortleiter. Es sind die Menschen, die Macht haben und Einfluss und Entscheidungsbefugnis. Ihre Wichtigkeit ist unbestritten.

Wirklich glücklich schätzen kann sich eine Redaktion aber, wenn es neben den Hierarchen auch noch den anderen gibt. Den einen, der in diesem Fall ein vergleichsweise kleines Zimmer hat, keine Entscheidungsbefugnis und auch keinen Titel - was heißt das schon, leitender Redakteur? Dieser eine, der keine Macht hat - und doch so viel. Der eigentlich nichts hat - und doch alles. Alles, was so ein hochempfindliches Biotop braucht, wenn es nicht verdorren soll.

Herbert war der Chef des Ressorts Menschlichkeit. Im Impressum der Zeitung war dieses Ressort nicht verzeichnet. Es war auch nicht nötig, denn seinen Status bezog dieses Ressort aus dem Vertrauen, aus der Zuneigung und der Liebe all derer, die ihre Sorgen, berufliche und andere, niemandem sonst im Haus anvertraut hätten - außer eben dem Riehl. Es hat Kollegen gegeben, die gingen mit verweinten Gesichtern in Herberts Zimmer hinein - und kamen mit neuem Mut wieder heraus. Es hat Kollegen gegeben, die waren verzweifelt und ganz sicher, dass sie in ihrem Leben nie mehr auch nur eine Zeile zu Papier bringen würden. Dass sie es dann doch konnten, hatten sie einer sanften Massage zu verdanken. Es war eine Seelenmassage, eine liebevolle - eine, die Mut machte. Herbert war der große Mutmacher der Redaktion

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