Der Fall Gurlitt und die Verjährung:Gut gemeintes Gesetz

Wann ist irgendwann? Diese Frage stellt sich beim Thema Verjährung. Im Fall Gurlitt wird nun versucht, diese Rechtsgrundlage abzuwehren - zugunsten der enteigneten Besitzer.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Irgendwann muss Schluss sein. Das ist die Idee, die hinter der Verjährung steckt. Irgendwann soll Rechtsfrieden eintreten, irgendwann soll ein Schlussstrich gezogen werden. Irgendwann. Und zwar schon deshalb, weil es mit dem Ablauf von viel Zeit immer schwerer wird, die Wahrheit herauszufinden. Aber wann ist irgendwann? Nach dreißig Jahren? Und was ist, wenn die Wahrheit lange Zeit kaum jemand interessiert hat; soll dann, wenn sie endlich zu Tage tritt, der Schleier der Verjährung über sie gezogen werden?

Darf es sein, dass ein Dieb sagen kann, "ich habe zwar gestohlen, aber ich berufe mich jetzt auf Verjährung?" Darf es sein, dass dann das Diebesgut nach geltendem Gesetz beim Dieb verbleibt? Soll sich selbst der bösgläubige Besitzer nach dreißig Jahren auf Verjährung berufen und die Herausgabe an den Eigentümer verweigern dürfen?

Ein Anlass für eine Gesetzesinitiative

So ist derzeit die deutsche Rechtslage. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback will diese Rechtslage nicht mehr akzeptieren. Er will den Eigentümern dazu verhelfen, dass sie ihr Eigentum wieder erhalten - auch nach dreißig Jahren. Anlass für die bayerische Gesetzesinitiative im Bundesrat ist der Fall Gurlitt.

Diese Gesetzesinitiative ist pfiffig konzipiert: Sie schafft in den genannten Fällen nicht die Verjährung als solche ab, sondern nimmt dem bösgläubigen Besitzer die Möglichkeit, sich auf diese Verjährung zu berufen. Auf diese Weise will das geplante Gesetz den Bedenken begegnen, die sich daraus ergeben, dass ein Gesetz grundsätzlich nicht rückwirkend gelten darf; der Besitzer (etwa von Kunstwerken, die in der Nazizeit geraubt wurden) soll in Zukunft nicht mehr die Herausgabeansprüche des Eigentümers unter Hinweis auf Verjährung abwehren können.

Ein Akt des guten Willens

Das ist gut gemeint, das ist rechtschaffen und originell gedacht - das wird aber die Diffizilitäten der meisten einschlägigen Fälle nicht entwirren; die Schwierigkeit besteht ja darin, dass der Eigentümer, wenn er denn sein Eigentum nachgewiesen hat, dem Besitzer auch dessen Bösgläubigkeit nachweisen muss. Daran ändert das geplante Gesetz nichts; und daran lässt sich auch schwer etwas ändern.

Das geplante Gesetz ist ein Akt des guten Willens. In einigen wenigen Fällen wird es dem Eigentümer, dem seine Sache weggenommen wurde, wieder zu seinem Recht verhelfen. Aber die meisten Unklarheiten, die es etwa im Fall Gurlitt gibt, werden mit dem neuen Gesetz nicht klarer: Dieses Gesetz erleichtert nicht die Provenienzforschung, also die Feststellung der Herkunft von Kunstwerken; und es erleichtert auch nicht den Nachweis der Bösgläubigkeit des derzeitigen Besitzers.

Das von Bayern geplante KRG-Gesetz ("Kultur-Rückgewähr-Gesetz") wird also wenig dazu beitragen, den Fall Gurlitt zu einem befriedigenden Ende zu bringen. Das wird wohl anders gehen müssen: Der Freistaat Bayern wird die umstrittenen Gemälde ankaufen, die Herkunft dann sorgfältig klären - und sie dann dem Eigentümer zurückgeben. Auf Verjährung pflegt sich der Staat in solchen Fällen (im Gegensatz zu Privatleuten) nicht zu berufen.

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