"Der Diktator" im Kino:Tyrann und Tourist

Triumphzug auf einem Kamel: Sacha Baron Cohens Realsatire "Der Diktator" wagt den Exkurs in die Glamourpolitik und schickt Admiral Aladeen zur UN. Dort verbreitet der Bartträger Angst und Schrecken - und formuliert eine absurde Liebeserklärung an Amerika.

Fritz Göttler

Der Diktator ist not amused, das kommt nun mal ziemlich oft vor bei seiner unbeherrschten, kindischen Amtsführung. Dann ist er sofort mit jener fetzigen Bewegung zur Hand, die typisch ist für seinen Beruf - einmal kurz mit der Hand quer über den Hals gewischt, das Zeichen fürs sofortige Kopf-ab.

"Der Diktator" im Kino: Bart ab, Kopf ab: Sacha Baron Cohen als Admiral Aladeen in "The Dictator"

Bart ab, Kopf ab: Sacha Baron Cohen als Admiral Aladeen in "The Dictator"

(Foto: Paramount)

So recht amused mochte man, bei allem Wohlwollen, auch nach dem langen, zähen Vorlauf zu dem Film "Der Diktator" über Aladeen, den Herrscher der glorreichen Republik Wadiya, nicht mehr sein - wohl wissend, dass Vorspiele ganz wesentlich sind fürs Gimmick-Kino des Sacha Baron Cohen, das durch und durch vorläufig und prologisch ist. Im Februar tauchte der Meister im Aladeen-Ornat auf dem roten Teppich zur Oscar-Verleihung auf, um die Asche von Kim Jong Il zu verstreuen, seinem Diktatorenbruder im Geiste - der "Diktator" ist ihm in ehrfürchtigem Gedenken gewidmet.

Aladeen hat sich mehrfach zur Weltpolitik geäußert, und in Talkshows wollte Sacha Baron Cohen immer nur als Aladeen erscheinen, in Galamontur, mit breiter Ordenspalette und dichtem Bart - das hat ihn einige Auftritte gekostet. Eine Insistenz, die nervt, auch wenn man Sympathie einem nicht versagen kann, der sich so mit Haut und Bart seinem Projekt verschreibt. Wegen der "Diktator"-Werbetour hat er auch seine kleine Rolle in Tarantinos neuem Film "Django Unchained" wieder zurückgeben müssen.

Mit Kim teilt der Diktator Aladeen vor allem die Sehnsucht nach eigenen - funktionierenden, das heißt oben spitzen - Atomraketen. Jeder hat inzwischen eine, selbst Ahmadinedschad, "und der schaut aus wie ein Gossenganove von Miami Vice". Aladeen hat einiges über die Osama-bin-Laden-Operation der Amerikaner zu sagen und spielt gern das Computerspiel "Münchner Olympiade". Mit dem Ex-Kollegen Gaddafi teilt er die - ölfundierte - Lust am Luxus, auch am allerhöchsten Luxus, den Frauen des Westens, hier repräsentiert von Megan Fox.

Glamour statt Subversivität

Anders als in "Borat" - den man unbedingt immer mit dem wundervollen Gesamttitel "Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan" nennen sollte - und in "Brüno" ist im "Diktator" die böse Konfrontation von Cohens Kunstfigur mit amerikanischer Wirklichkeit stark reduziert. Aladeen zieht zwar im Triumphzug in New York ein, um vor den UN zu sprechen, aber er muss nun schon selber ein wenig grinsen auf seinem Kamel angesichts der Lächerlichkeit seines Aufzugs.

Und Amerika hat im vergangenen Jahrzehnt die Schrecken von 9/11 verarbeitet - eben wird in den "Avengers" im Kino Manhattan gründlich in Trümmer gelegt, nun darf Aladeen mit einem Kumpel beim Helikopterflug über New York ein unbedarftes Ehepaar durch leichtfertigen Talk über potenziellen neuen Terror in höllische Panik versetzen. "Der Diktator" ist große amerikanische Komödie, inspiriert von der amerikanischen TV-Komik-Tradition und, weiter zurück, von den klassischen Hollywoodkomödien, Capra und Lubitsch - es gibt, neben den zahllosen Kopf-abs, auch einen entscheidenden Bart-ab-Effekt, deshalb denkt man auch an "To Be or Not to Be".

Statt auf Subversivität setzt der "Diktator" stark auf Glamour, die Strahlkraft eines Hollywoodmärchens, das die Macht des Luxus zelebriert. Sacha Baron Cohen ist ein Naiver immer schon gewesen, und seine Naivität ist wie ein Schutzschirm, mit dem er durch die absurdeste Wirklichkeit stolpert. Naiv auch seine heimliche, nur unzureichend kaschierte Liebe zu Amerika - schon Borats Versuche, sich aufs amerikanische Leben einzulassen, zeugten von glühender Begeisterung für Amerika.

Demokratie ist eine Frau für Aladeen, und sein Lobpreis der Diktatur enthält lauter Punkte, die den USA nicht fremd sein sollten: In ein anderes Land einmarschieren, Gefangene unbegrenzt in Haft stecken . . . Politik ist ein schamloses Doppel- und Triplé-Spiel geworden, voller Prätention und billiger Schauwerte. In dem die besserwisserischen, verdrucksten, manchmal fast zynischen westlichen Politiker ab und an unerträglicher sind als die freche Aufplusterung des Diktators Aladeen.

THE DICTATOR, USA 2012 - Regie: Larry Charles. Buch: Sacha Baron Cohen, Alec Berg, David Mandel. Kamera: Larry Sher. Musik: Erran Baron Cohen. Mit: Sacha Baron Cohen, Anna Faris, Ben Kingsley, John C. Reilly, Megan Fox, Jason Mantzoukas, J. B. Smoove, Olivia Dudley. Paramount, 83 Minuten.

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