Denzel Washington im Gespräch:Es gilt, den Geist einzufangen

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Der Hollywoodstar über die mörderische Schauspielerarbeit für seine neuen Filme "Man on Fire" und "Manchurian Candidate".

Interview: Susan Vahabzadeh

Denzel Washington beklagt sich gern, weil er nie in Komödien besetzt wird - und wenn man merkt, wie gern er lacht, kann man das sogar verstehen. In diesem Herbst steht uns der zweifacher Oscar-Preisträger doppelt ins Haus, diese Woche mit "Mann unter Feuer", als Bodyguard eines kleinen Mädchens, der in Mexiko City herummetzelt, als das Kind entführt wird; und im November im Remake von "The Manchurian Candidate".

Unterwegs als Ex-Soldat in "Mann unter Feuer": Oscar-Gewinner Denzel Washington. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Schneiden Sie mir die Finger ab, wenn ich etwas Falsches sage? Washington: Oh ja, aber ich habe nur einen Kaffeelöffel hier! Ich werde sie Ihnen weglöffeln.

SZ: Haben Sie gezögert, als Ihnen der brutale Ex-Soldat Creasy in "Man on Fire" angeboten wurde? Washington: Ich zögere immer. Ich versuche, nie schnelle Entscheidungen zu treffen. Als ich mich mit Regisseur Tony Scott hinsetzte und er mir leidenschaftlich von seinen Vorstellungen erzählte, hat mich das überzeugt. Mich hat der Bogen der Figur interessiert. Was er am Ende bereit ist für das Kind zu opfern. Das ist der ultimative Liebesbeweis. Ich finde interessant, was Christopher Walkens Figur über diesen Creasy sagt - Töten ist seine Kunst, das ist eine Herausforderung als Schauspieler. Besonders in der Szene, als er dem Typen die Finger abschneidet, ist er sehr kontrolliert, fast ruhig. Diese Professionalität empfinde ich als das Beängstigendste, Brutalste. Er hat es ja auch mit brutalen Leuten zu tun, es ist ja nicht so, als ob er eine Journalistin umbringt!

SZ: War Creasy von Anfang an so ein Balanceakt zwischen Härte und Gutherzigkeit, dessen Beschützerinstinkt erst langsam die Oberhand gewinnt? Washington: Es war nicht ganz so geschrieben. Jedes Drehbuch wird immer wieder geändert bis in den Schnitt, bis sie uns den Film wegnehmen und ihn herausbringen. Man versucht halt, die bestmögliche Arbeit abzuliefern. Dass Creasy nicht mit Menschen klarkommt und auch mit dem Kind nichts zu tun haben will, war der Ansatzpunkt der Figur. Das Mädchen bringt Creasy dazu, wieder etwas zu fühlen, und als sie ihm weggenommen wird, tut er, was er kann - töten. Dakota Fanning ist so süß, dass ich ihr bei der Arbeit am ersten Teil des Films echt aus dem Weg gehen musste, um mich konzentrieren zu können auf das, was ich da spielen musste. Aber sie hat auch ganz großartig ihren Job gemacht.

SZ: Den Leitsatz, man solle nicht mit Tieren und kleinen Kindern arbeiten, können Sie also nicht bestätigen. Washington: Das ist ein Klischee. Vielleicht ist das so mit Zweijährigen. Sie ist ein Vollprofi. Ich musste immer gut vorbereitet sein, denn sie war es bestimmt.

SZ: Diese Geschichte läuft auf das klassische Beispiel hinaus, das benutzt wird, wenn es um die Rechtfertigung geht von Folter bei Verhören: Was würden Sie tun, wenn es um ein entführtes Kind ginge? Hat Sie das nie gestört, in diesen Zeiten? Washington: Wir sind in Mexiko einer jungen Frau begegnet, der die Entführer die Ohren abgeschnitten und ihrer Mutter geschickt hatten. Die Mutter wollte jeden umbringen, der ihr in die Quere kam. Das ist nicht weit hergeholt. Die Frage soll im Raum stehen: Was würdest du tun? Ich fand ein Kapitel in den Römerbriefen - wir haben sie ins Drehbuch eingearbeitet -, die von Menschen handelt, deren Aufgabe es ist, andere zu beschützen. Wir wollen uns sicher fühlen, aber wir wollen nicht wissen, wie das zustande kam, ob jemand einem anderen dafür das Gehirn wegpusten musste. Das ist nötig, um das totale Chaos zu verhindern. Ich mag keine Gewalt - aber ich möchte vor ihr geschützt werden. Creasy ist ein Beschützer, und was er tun musste, um zu beschützen, hat ihn zerstört. Er ist ein depressiver Alkoholiker, der sich an der Bibel festhält, aber seine Seele verloren hat. Er fragt seinen Freund: "Wird Gott uns vergeben?" Wir wollen das nicht wissen und nicht sehen, aber mich interessiert, was mit so jemandem passiert. Als die Menschen gegen Vietnam waren, gingen sie auf Soldaten los, die nie eine Wahl hatten. Was geschieht mit denen? Manche von ihnen sind heute sechzig und depressive Alkoholiker.

SZ Warum spielen Sie eigentlich so viele Figuren mit einer Armee-Vergangenheit? Sie waren doch nie in der Army? Washington: Ich weiß es auch nicht. Das ist so mit Kerlen im Kino - die sind Ex-Cop, Ex-Spezialeinheit, Ex-Spion, damit kann man das dauernde Herumspringen rechtfertigen. Als nächstes spiele ich keinen Ex-Irgendwas!

SZ: Ben, den Sie im "Manchurian Candidate" spielen, ist noch so ein problembeladener Soldat. Washington: Das war ein anstrengendes Jahr - ich habe danach nichts mehr gemacht, weil ich Zeit brauchte, um zu leben . ..

SZ Ben und dem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft wurden Chips implantiert, sie werden ferngesteuert. Eine sehr finstere Metapher für die Mediengesellschaft. Washington: Wir werden von dem, was wir sehen, gehirngewaschen. Wir sind überzeugt, wir bräuchten dringend einen Hamburger, weil wir das gerade gesehen haben, und sind uns dessen nicht mal bewusst. Ich hoffe mal, dass unsere Politiker nicht ganz so manipuliert sind wie in "Manchurian Candidate", zumindest nicht so offensichtlich ...

SZ: Aber man kann sie mit den Medien hinrichten, das ist viel einfacher, als jemanden zu erschießen. Washington: Sehen Sie sich Howard Dean an: Eine falsche Bewegung, und alle Welt fragte, spinnt der Mann?

SZ: Sie meinen den Auftritt in Iowa, der ihn wahrscheinlich die Kandidatur für die Demokraten gekostet hat. Washington: Ich habe neulich noch einmal etwas im Fernsehen darüber gesehen. Er hat rumgebrüllt bei diesem Auftritt, weil es in dem Raum so laut war, aber man hat damals immer nur den Ton seines Mikrofons abgespielt. Also klang er wie ein Irrer. Aber Kennedy hat Nixon auch besiegt, weil er in den Medien besser rüberkam. Er war eine Medienpersönlichkeit. Das gleiche gilt für Martin Luther King und Malcom X. Am Ende des zweiten Weltkriegs waren die Amerikaner überzeugt, dass sie die Deutschen hassen und die Russen lieben. Fünf Jahre später, im Kalten Krieg, war es genau andersherum. Wie ist das passiert?

SZ: In den beiden Hauptfiguren in "The Manchurian Candidate" , dem Poltiker und dem Attentäter, hat dennoch etwas Unzerstörbares, Unmanipulierbares überlebt. Washington: Manchmal tut man etwas, obwohl man im tiefsten Inneren weiß, dass es falsch ist. Ich möchte glauben, dass der Verstand manipulierbar ist, aber nicht die Seele.

SZ: Stimmt es, dass Sie den alten Film mit Sinatra nie angesehen haben? Washington: Ich wollte halt nicht beeinflusst werden. Ich wollte nicht denken: Das habe ich gemacht, weil Frank das auch so gemacht hat.

SZ: Wie war es dann erst, den echten Rubin Carter zu treffen, den Sie in "Hurricane" gespielt haben? Washington: Am schlimmsten war es, in seiner Gegenwart boxen zu müssen. Ich hörte ihn rufen: Come on, Hurricane! Und ich dachte: Rubin, sei bitte still ...

SZ: Insgesamt war Ihre Vorstellung als Rubin Carter jedenfalls sehr eindrucksvoll. Washington: Das ist mein Job. Ich will nicht angeben, aber ich wurde eben mit diesem Talent gesegnet! Der Druck einer realen Person ist hoch, aber ich versuche immer, es so zu sehen: Was ich da zu tun versuche, ist größer als ich und größer als sie. Carter sagt: Hass ist ein Gefängnis und die Liebe befreit dich. Das ist für mich die Geschichte, die es zu erzählen gibt. Nicht, ob ich wie er aussehe oder mich so bewege. Will Smith rief mich an, als er die Hauptrolle in "Ali" bekommen hatte. Er sagte: Klinge ich wie er? Ich habe ihm geraten, zu Ali zu fahren und mit ihm zu beten. Es geht darum, den Geist einzufangen, nicht darum, jemanden zu imitieren. Aber sowas ist schwierig. Ich glaube, ich werde vorsichtshalber nie jemanden spielen, der so berühmt ist, dass jeder weiß, wie er redet.

© SZ vom 29.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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