Regisseur Michael Cimino:Wie "Heaven's Gate" das Studio United Artists ruinierte

Regisseur Michael Cimino: Auch Schauspieler wie Jeff Bridges, Isabelle Huppert und Kris Kristofferson (von links) konnten nicht verhindern, dass der Western floppte.

Auch Schauspieler wie Jeff Bridges, Isabelle Huppert und Kris Kristofferson (von links) konnten nicht verhindern, dass der Western floppte.

(Foto: Carlotta Films)

Wie Michael Ciminos Western "Heaven's Gate" das legendäre Hollywood-Studio United Artists ruinierte.

Von Fritz Göttler

Am sechsten Tag, so geht die böse Legende zu "Heaven's Gate", blickte der Filmemacher Michael Cimino zurück auf das Geschaffene, und siehe da, er war fünf Tage dem Drehplan hinterher.

Selten hat sich über einen Hollywoodfilm so viel Spott und Häme ergossen wie über diesen Western, der 1980 zum Schrecken der Produzenten, Kritiker und Zuschauer wurde. Ein grandioser Rohrkrepierer, der das glorreiche Filmstudio United Artists (UA) für immer ruinierte, so dass es bald von seinem Konkurrenten MGM gekauft wurde, und die Karriere seines Regisseurs komplett zerstörte. Bis heute ist nicht wirklich geklärt, wie es zu diesem Fiasko kommen konnte, wer hier falsche Entscheidungen getroffen hat oder gar keine, an welchem Punkt man die Kontrolle verlor, ob es Unfähigkeit war oder Größenwahn oder die zaghafte Hoffnung, am Ende doch ein Meisterwerk zu bekommen. Der ewige Clash von künstlerischen und kommerziellen Interessen, der ganz normale Produktionswahnsinn, der Hollywood so viele tolle Stücke beschert hatte, führte diesmal ins Desaster.

Michael Cimino war Ende der Siebziger das Wunderkind des jungen amerikanischen Kinos, das durch Talente wie Martin Scorsese, Brian de Palma und Francis Coppola zum internationalen Erfolg geführt worden war. Cimino hatte als Werbefilmer und mit Drehbüchern erste Erfolge, dann ließ Clint Eastwood ihn "Die letzten beißen die Hunde" drehen, eine melancholische Gangstergeschichte mit Eastwood und Jeff Bridges. Danach kam "Die durch die Hölle gehen", eine kraftvolle Parabel auf die Leiden der Amerikaner im Vietnamkrieg, zwischen brutalem russischem Roulette im Kriegsgefangenenlager in und einem "God bless America"-Finale. Das Epos erhielt 1979 fünf Oscars, darunter einen als bester Film und einen für die beste Regie.

United Artists, damals gerade mit einer neuen jungen Managerriege versehen, hoffte auf einen ähnlichen Erfolg, als es einen dubiosen Deal mit Michael Cimino aushandelte - einer dieser jungen Chefs, Steven Bach, hat das Desaster 1985 erzählt in seinem Buch "Final Cut".

Bis Ende 1979 sollte der Film fertig sein, damit er gleich ins neue Oscar-Rennen gehen könnte. Um den Zeitdruck zu kompensieren, wurde er im vorhinein von allen möglichen Budget-Überschreitungen freigesprochen. Cimino schlug ein altes Script vor, eine Episode aus der Pionierzeit des Westens, Ende des 19. Jahrhunderts, die auf einer wahren Begebenheit basierte: Reiche Viehbarone massakrierten arme europäische Immigranten, die ihnen Weideland streitig machten. Eine blutige, düstere, gemeine Geschichte, die nicht recht zum Mythos von Amerika als großem Einwandererland passen wollte. Kris Kristofferson und Christopher Walken spielten die Helden, auch Jeff Bridges war wieder dabei, und eine wenig bekannte Französin namens Isabelle Huppert - Cimino hatte sie durchgesetzt gegen die von den Produzenten ersehnten Stars Jane Fonda oder Diane Keaton.

Der Dreh begann April 1979 in Montana, als Budget waren 7,5 Millionen Dollar veranschlagt. Schnell wurde klar, dass der Winter-Starttermin sicher nicht einzuhalten war, und am Ende waren über vierzig Millionen Dollar in der Produktion verbrannt. Michael Cimino versuchte an Detailfetischismus dem guten alten Erich von Stroheim den Rang abzulaufen. Er ließ seine Akteure wochenlang Rollschuh-fahren üben, baute eine Westernstadt mitten in die Prärie, ließ eine alte Dampflok an den Drehort hieven, wartete tagelang aufs richtige Licht und imposante Wolken am Himmel und ließ jede Einstellung Dutzende Male drehen. Er vergeudete das wertvollste Material beim Filmemachen, die Zeit. Am Ende hatte er über zweihundert Stunden Material.

219 Minuten dauerte dann die Version, die Cimino Ende 1980, ein Jahr später als geplant, in New York vorstellte. "Heaven's Gate" wurde von den Kritikern vernichtet. Das Publikum ignorierte das detailverliebte Werk, das dem Mythos vom amerikanischen Westen huldigte und zugleich mit ihm abrechnete.

Jahrzehnte lang war der Film quasi unsichtbar, erst 2012 wurde er restauriert und auf dem Filmfestival Venedig erneut präsentiert - ein Triumph, mit Standing Ovations gefeiert. Das Pendel schlug nun exzessiv in die andere Richtung aus, Cimino feierte Wiederauferstehung mit seinem künstlerischen Animismus, der erklärte, wieso er manchmal tagelang brauchte, nur um eine Landschaftsaufnahme zu drehen: "Die Indianer glauben, alles hat einen Spirit . . . Der Berg sagt sich: Ich werde diesen Burschen testen. Denn der Berg gibt dir nicht automatisch seine Schönheit. Er schaut, ob du ihresgleichen bist. Wenn du beweist, dass du das bist, wird er dir erlauben, sie zu sehen."

Anm. d. Red.: Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2015 in der Süddeutschen Zeitung.

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