"Deepwater Horizon" im Kino:Mark Wahlberg als Held im Hölleninferno

Deepwater Horizon mit Mark Wahlberg im Kino

Ein wenig muskulöser als das Original: Mark Wahlberg als Cheftechniker der gesunkenen Ölbohrplattform "Deepwater Horizon":

(Foto: David Lee; StudioCanal)

"Deepwater Horizon" will die akkurate Rekonstruktion eines realen Unglücks sein. Doch der Blockbuster kommt über das große Bumm nicht hinaus.

Filmkritik von David Steinitz

Wenn Stahl schmilzt und Ölfässer explodieren, wenn Funkenstürme niederregnen und Schweißperlen auf Männerstirnen glänzen, dann ist Hollywood ganz bei sich.

Die pyrotechnische Rekonstruktion von Destruktion ist ein Handwerk, das keine Filmnation so gut beherrscht wie die Amerikaner. Das eindrücklichste Beispiel dafür ist in diesem Kinojahr der Actionfilm "Deepwater Horizon" von Peter Berg. Darin erzählt der Regisseur nach wahren Begebenheiten vom Untergang der US-Bohrplattform Deepwater Horizon, auf der 2010 ein Feuerinferno losbrach, woraufhin sie im Meer versank und eine gigantische Ölpest im Golf von Mexiko verursachte. Elf Arbeiter kamen ums Leben.

Drei Journalisten der New York Times recherchierten daraufhin minutiös die Abläufe in der Stunde der Katastrophe - und erzählten auch von Mike Williams, dem Cheftechniker der Plattform. Der Mann hatte bereits im Vorfeld des sogenannten "Blow-outs", bei dem durch das unkontrollierte Austreten von Erdöl und Erdgas ein Feuer ausbrach, Bedenken wegen der Sicherheit geäußert. Während des Feuers gelang es ihm, mehrere Kollegen zu retten, und basierend auf seinem Bericht hat Peter Berg seinen Film als Heldengeschichte im Hölleninferno angelegt.

Ein Kerl, der keine Angst hat vor harter Arbeit und Ölflecken auf dem Unterhemd

Williams wird von Mark Wahlberg gespielt, derzeit Hollywoods erste Wahl für sympathische Arbeiterklasse-Helden. Er ist ein wenig muskulöser als das Original, aber ihm und dem Regisseur geht es natürlich weniger um die Fitnessstudioform als um den Inhalt: Mike Williams ist ein Kerl, der seine Familie und sein Land liebt, der keine Angst hat vor harter Arbeit und Ölflecken auf dem Unterhemd. Ein aufrechter Vertreter des einfachen kleinen Mannes, der die raffgierigen Anzugträger der Ölfirma BP ziemlich beunruhigend findet. Die haben seine Plattform gemietet, schlagen aus purer Profitsucht alle Warnungen in den Wind und lassen weiterbohren, bis es Bumm macht.

Um dem bodenständigen Helden einen passenden Antagonisten gegenüberzustellen, gibt es in diesem Film John Malkovich. Der spielt einen der fiesen BP-Männer, als würde er sich an einer besonders theatralen Variation von Graf Dracula versuchen, damit auch jeder sofort versteht, was Sache ist: dieser Mann ist der Bösewicht, stellvertretend für einen Konzern voller Bösewichte.

Und damit sind wir beim Problem dieses Films, der aus einer komplizierten Katastrophe eine einfache Heldengeschichte vom kleinen Mann gegen die gierige Wirtschaftselite strickt. Während "Deepwater Horizon" handwerklich eine Sternstunde des Actionkinos ist, weil der Film die Zuschauer mitten ins Todesinferno und den Überlebenskampf hineinzieht, stellt er sich ideologisch selbst ein Bein. Er möchte gerne die akkurate Rekonstruktion eines realen Unglücks sein, um die Verantwortlichen anzuprangern und die Alltagshelden zu feiern, kommt aber über das große Bumm nicht hinaus.

Am Ende wird Mike Williams zwar im Feuer zum Held geschmiedet. Aber dass dieses Happy End der Beginn der größten Umweltkatastrophe in der US-Geschichte markiert, spielt keine Rolle. Auch die Erörterung der komplizierten Schuldfrage wird mit dem grimassierenden John Malkovich auf ein Minimum reduziert, weil sie nicht so recht in den dramaturgischen Rahmen dieses Actionblockbusters passt. Nur werden die Ereignisse auf der Plattform damit so beliebig, dass der Film auch auf einer fiktiven Bohrinsel spielen könnte.

Militärporno, Ölbohrporno - Polizistenporno?

Damit wiederholt sich ein Muster, das schon in der letzten Zusammenarbeit von Peter Berg und Mark Wahlberg zum Problem wurde. In "Lone Survivor" erzählten sie 2013 - ebenfalls nach einer wahren Begebenheit - die Geschichte des Navy-Seals Marcus Luttrell. Der sollte mit seiner Einsatztruppe ein Mitglied der Taliban in Afghanistan töten, die Mission geriet zum Fiasko, Luttrell überlebte als Einziger.

Auch hier diente die echte Geschichte nur als Trojanisches Pferd, um den Zuschauern patriotische Action mit Authentizitätsbonus zu verkaufen. In der Bilanz blieb nur ein Militärporno übrig, den das Team Berg/Wahlberg jetzt als, ähm, Ölbohrporno weiterschreibt. Und weil's gerade so gut flutscht, haben sie ihr nächstes Werk zur actionreichen Aufarbeitung der jüngeren US-Geschichte bereits abgedreht. Bald startet ihr Film "Patriots Day", in dem sie einem tapferen Polizisten huldigen, der seine Familie und sein Land liebt, und dummerweise in den Bombenanschlag auf den Boston Marathon verwickelt wird.

Deepwater Horizon, USA 2016 - Regie: Peter Berg. Buch: Matthew Michael Carnahan, Matthew Sand. Kamera: Enrique Chediak. Mit: Mark Wahlberg, John Malkovich, Kate Hudson. Sony, 107 Minuten.

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