Deep Purple rockt für Gazprom:Smoke on the Gas

Darf sich eine Rockband willenlos an Konzern- und Staatsmacht verkaufen? Muss man von Rockstars politisch korrekte Haltung einklagen? Deep Purple rockt jetzt jedenfalls für Gazprom.

Andrian Kreye

Am kommenden Montag feiert der russische Energiekonzern Gazprom sein fünfzehntes Betriebsjubiläum. Da will der Konzern seinem Aufsichtsratvorsitzenden Dmitrij Medwedjew kurz vor seinem Umzug in den Kreml ein Abschiedsgeschenk machen. Deswegen wird die Lieblingsband des designierten russischen Präsidenten Deep Purple bei der Veranstaltung aufspielen. Im Westen sorgt das erwartungsgemäß für Belustigung. So tobt auf der Webseite der New York Times derzeit eine Debatte, ob die alternden Hardrocker denn auch russische Patriotenlieder einüben oder ihre Stücke für Firmenzwecke umbenennen werden.

Deep Purple rockt für Gazprom: "Deep Purple"-Bassist Roger Glover und Gitarrist Steve Morse (re.) sind nicht die einzigen, die für Staats- und Konzernmächte spielen.

"Deep Purple"-Bassist Roger Glover und Gitarrist Steve Morse (re.) sind nicht die einzigen, die für Staats- und Konzernmächte spielen.

(Foto: Foto: Reuters)

Nun haben die USA gerade sieben Jahre lang Erfahrungen damit gemacht, was passiert, wenn man die höchsten Regierungsämter eines Landes mit leitenden Funktionären aus der Energiewirtschaft besetzt. Die Frage stellt sich also durchaus, ob sich eine Rockband so willenlos an Konzern- und Staatsmacht verkaufen darf. Eine Frage die voraussetzt, dass Rockstars prinzipiell auch eine Haltung, und zwar möglichst eine antikapitalistische, systemkritische und rebellische Haltung einzunehmen haben.

Die Frage stellt sich auch nicht zum ersten Mal. Die Liste der politisch inkorrekten Engagements und Besuche ist endlos - Elvis bei Nixon, Chuck Berry bei Bill Clinton, Oasis bei Tony Blair, die Scorpions bei Schröder und nun vereinen sich die Grateful Dead sogar für den Wahlkampf von Barack Obama.

Volkswagen brachte die Elite der Rockgeschichte Mitte der Neunziger erstmals zum richtigen Ausverkauf, indem sie Autos unter dem Signet von Pink Floyd, Bon Jovi und den Rolling Stones verkauften. Die Rolling Stones gingen dann noch einen Schritt weiter und spielten für Kunden und Angestellte des Finanzkonzerns American Express.

Der Unmut der Fans lässt dabei außer Acht, dass sich Mick Jagger Börsenmaklern wahrscheinlich näher fühlt, als den von ihm 1968 so emphatisch besungenen Straßenkämpfern. Immerhin studierte er Betriebswirtschaft an der London School of Economics, die ihn 1995 zum Ehrenmitglied ernannte. Denn egal, ob sich Bono für Afrika einsetzt oder Bruce Springsteen Songs gegen den Irakkrieg schreibt, Rockmusik ist Pop und Pop ist ein Geschäft. Niemand käme auf den Gedanken, von Bildhauern politisches Engagement zu verlangen, nur weil Richard Serra zu den wichtigsten Kräften der Bewegung gegen den Irakkrieg gehörte. Bob Dylan war der erste Rockstar, der sich dem Zwang zu Haltung entzog. Und der ist heute einer der geschäftstüchtigsten Rockstars.

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