Debatte um ZDF-Chefredakteur:"Massive Einmischung der Politik"

Unabhängige Kritik oder parteipolitische Spielchen? Roland Koch stellt Nikolaus Brenders Zukunft als ZDF-Chefradakteur öffentlich in Frage.

Der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende des ZDF, Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), sieht noch erheblichen Diskussionsbedarf um die Besetzung des Chefredakteurspostens beim ZDF. Die Entscheidung über die von Intendant Markus Schächter vorgeschlagene Vertragsverlängerung für Chefredakteur Nikolaus Brender sei nicht unproblematisch, sagte Koch im Interview der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ/Mittwoch). Koch sprach von "bitteren Zahlen" des öffentlich-rechtlichen Senders während der Amtszeit von Brender.

Debatte um ZDF-Chefredakteur: Streitobjekt parteipolitischer Kämpfe? ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.

Streitobjekt parteipolitischer Kämpfe? ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.

(Foto: Foto: dpa)

Seit 2002 habe die Nachrichtensendung "heute" 26 Prozent seiner Zuschauer verloren und sei hinter der "ARD Tagesschau" und "RTL aktuell" auf den dritten Platz abgerutscht. Das "Auslandsjournal" habe 56 Prozent und der "Länderspiegel" 16 Prozent der Zuschauer verloren. "Es ist die Pflicht des Verwaltungsrates, solche Negativentwicklungen zu erörtern. Und es ist unsere Aufgabe, nicht jede Debatte über diese Fragen als eine politische oder gar parteipolitische diskreditieren zu lassen." Um eine solche Debatte gehe es bei der Vertragsverlängerung des Chefredakteurs auf keinen Fall, sagte Koch in dem Interview.

Koch kritisierte, dass durch die Veröffentlichung eines offenen Briefes prominenter ZDF-Journalisten zur Unterstützung Brenders versucht werde, Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben. "Da helfen weder Ratschläge von außen noch irgendwelche Unterschriftenlisten, wie sie Herr Kleber jetzt organisiert hat". "heute"-Moderator Claus Kleber gehörte mit zahlreichen Kollegen zu den Unterzeichnern des offenen Briefes. "Ich glaube, keiner der Beteiligten hat sich durch diesen Brief einen Gefallen getan", sagte Koch der FAZ.

Intendant Schächter will dem Verwaltungsrat am 27. März vorschlagen, den im März 2010 auslaufenden Vertrag von Brender um fünf Jahre zu verlängern. Brender ist seit April 2000 Chefredakteur. Der Verwaltungsrat besteht aus 14 Mitgliedern, die vom Bund, den Ländern und dem Fernsehrat bestimmt werden. Vorsitzender ist der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), sein Stellvertreter Roland Koch (CDU). Zu den weiteren Mitgliedern gehören die Ministerpräsidenten des Saarlandes, Peter Müller (CDU), und von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), der frühere bayerische Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) und der Kultur-Staatsminister der Bundesregierung, Bernd Neumann (CDU).

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich gegen eine Einmischung der Politik in die Vertragsverlängerung von Brender gewandt. Der DJV-Vorsitzende Michael Konken, der auch Mitglied im ZDF-Fernsehrat ist, bescheinigte Brender am Dienstag im Deutschland adio Kultur, dass er politisch immer unabhängig berichtet habe. Konken sprach angesichts der jüngsten Diskussion um seine Vertragsverlängerung von Versuchen der Politik, die freie Presse zu unterlaufen und für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Er könne sich nicht erinnern, dass es in den vergangenen Jahren einen vergleichbaren Vorgang gegeben hätte, bei dem sich die Politik so massiv in die Besetzung eines Chefredakteursposten eingemischt habe, sagte Konken.

Der Medienexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Otto, warf den Vertretern von CDU und CSU im Verwaltungsrat "politische Spiele" zum Nachteil des Senders vor.

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