Das Problem: öffentliche Toilette:Im Hygiene-Sumpf

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Wenn Sie auf einer öffentlichen Toilette ein Stück stinknormale Seife sehen, greifen Sie zu! Es könnte Ihre letzte sein.

Gottfried Knapp

Als Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld wusch, hat er wohl kaum Seife benutzt, und ob ihm danach ein Handtuch gereicht worden ist, bleibt Spekulation. Mit seinem öffentlichen Reinigungsritual hat sich der römische Statthalter von der Schuld am Tod Jesu reinwaschen wollen. Doch die symbolische Geste hat ihm wenig genützt: Als Inkarnation des Bösen geistert Pilatus für alle Zeiten durch das christliche Glaubensbekenntnis: Jedesmal, wenn ein Christ sich seines Glaubens versichert, wird P. P. als Folterer mit Namen genannt.

Seltenheitswert: das ehemals handelsübliche Stück Seife. (Foto: Foto: dpa)

Handwaschungs-Zeremonien haben in vielen Kulturen der Erde kultisch bedeutsame Rollen gespielt. In unseren profanen Zeiten aber hat sich jeder höhere Sinn aus der alltäglichen Hygienepraxis geflüchtet, ja das Händewaschen an öffentlichen Orten ist durch die seltsamen Gerätschaften, die dafür erfunden worden sind, zur unappetitlichen Tätigkeit heruntergekommen.

Menschen gesetzten Alters können sich noch an Wasserhähne erinnern, deren Griffe sich mit vier ausgeprägten Zinken ganz natürlich zwischen die gespreizten Finger schmiegten und darum bequem drehen ließen. So viel Funktionalität scheint die Designer verärgert zu haben.

Verkrüppelt

Sie rächten sich mit Erfindungen, die sich heimtückisch den mechanischen Möglichkeiten der Hände widersetzen. Wasserhahngriffe schrumpften auf winzige Würfel oder dreieckige Klümpchen zusammen, die man allenfalls mit Fingerspitzen anfassen, also nur mit Mühe drehen kann. Auch Kugeln erweisen sich als schwachsinnige Alternativen, da feuchte oder gar seifige Hände hilflos an ihnen abrutschen. Am hartnäckigsten haben sich birnenförmige Klumpen mit vieleckiger Ummantelung gehalten, die man eigentlich nur mit Schraubenschlüsseln oder entsprechend verkrüppelten Händen drehen kann.

Sogar Mischhähne mit drehbaren Hebelarmen sind kein wirklicher Fortschritt. Sie lassen sich zwar leichter öffnen und schließen, verwehren aber den Zugang zum naturkühlen Trinkwasser. So scheint die Generation, die meint, dass Getränke grundsätzlich colasüß sind, auch zu glauben, Wasser sei von Natur aus lauwarm und abgestanden.

Schließlich die grifflosen Automatikwasserhähne, die über Lichtschranken zur Ejakulation gebracht werden: Jeder Toilettenbenutzer hat sich schon einmal die Hände verbrüht, weil ein Vorgänger den Wärmeregulierungshebel ganz nach links gedreht hat; und jeder hat schon einmal seine eingeseiften Hände minutenlang verzweifelt betend vor der Lichtschranke auf- und abbewegt, um an die sekundenkurzen Einzelspritzer zu kommen, zu denen sich der fehlsichtige Automat, wenn überhaupt, überlisten lässt.

Schleim des Grauens

Der blanke Horror hat aber in öffentlichen Nasszellen Einzug gehalten, als dort handfeste Seifen abgeschafft und durch zähflüssige Reinigungs-Emulsionen ersetzt worden sind. Man glaubte dadurch einen Riesensprung in Sachen Hygiene zu machen, versank aber in einem Morast, in dem der Ekel erst richtig aufblüht. Um an den Hygieneschleim zu kommen, müssen wir hängende Beutel, an denen andere herumgefummelt haben, mit feuchter Hand onanistisch massieren und auspressen. Hat sich der erste Tropfen endlich gelöst, tropft es ewig nach; blaues Sperma fließt dann über das Waschbecken oder ins Reisenecessaire.

Steht aber ein Spritzgerät für die Lotion auf dem Waschtisch, muss man den Druck auf den Knopf präzise dosieren, damit nicht die ganze Hand vollgespritzt wird. Denn los wird man den Glibber nie wieder. Man kann die Hände ewig unter dem Wasserstrahl reiben - der seltsam riechende Schleim des Grauens bleibt auf der Haut kleben. Nur mit Papierhandtüchern kann man sich von diesen Reinigungsmitteln reinigen. Ist man aber auf ein Heißluftgerät angewiesen, muss man die eklige Gleitmasse mühsam pulverisieren, um sie mit allen Keimen in die Luft zu befördern.

© SZ vom 13.5.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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