Das Popmusik-Jahr 2014:Booty, Happy, Wurst

Beyoncé, Friedrich Liechtenstein, Taylor Swift und Haftbefehl

2014 war ihr Jahr: Beyoncé, Friedrich Liechtenstein, Taylor Swift und Haftbefehl (v.l.n.r.).

(Foto: SZ)

Die Königinnen der Branche entdeckten 2014 ihren Po als Instrument, immerhin schrieb Taylor Swift den Song des Jahres. Haftbefehl machte als deutscher Gangster-Rapper einen gewaltigen Schritt nach vorn und Pharrell Williams zauberte ein Lächeln auf jedes Gesicht.

Von den SZ-Popkritikern

AC/DC, Hardrock-Band, das Oktoberfest der Popmusik. Viele Menschen tun so, als seien sie sich zu fein dafür, aber zum Ozapfn, also zum ersten Takt von "Highway To Hell" sind dann doch alle dabei. Nach sechs Jahren Pause veröffentlichten AC/DC ihr 15. Studioalbum "Rock Or Bust", und es stieg auf der ganzen Welt und in allen angrenzenden Universen auf Platz eins ein. Der beste Kommentar war ein Bild aus dem Film "Jumanji": Robin Williams mit Rauschebart und langen Haaren, nach 26 Jahren aus einem Verlies befreit, auf das Bild hatte jemand geschrieben: "Ein neuer Star Wars, eine Jurassic-Park-Fortsetzung, ein neues AC/DC-Album - welches Jahr haben wir?" Max Fellmann

Al-Qadiri, Fatima, Produzentin. Den verheerenden Zustand des Global Village, das einst als schöne multikulturelle Zukunft vor uns lag, führte niemand so kühl vor Augen wie Fatima Al Qadiri, eine der neuen kosmopolitischen Strippenzieherin der Popmusik, die gerade auch mit ihrer Underground-Supergroup Future Brown in aller Munde ist. Geboren im Senegal, aufgewachsen in Kuwait, macht sie Musik als Konzeptkunst. Ihr Debüt "Asiatisch" ist sphärischer Sino-Grime.

Ausgehend von knackenden, knirschenden Bass-Bausätzen erkundet sie die chinesische Kultur - oder eben das, was sich der Westen darunter vorstellt: Drachentattoos, Panflöten, vermeintliches Mandarin. In Wirklichkeit ergeben ihre Texte keinen Sinn. Und der Hörer steht vor dieser Ramschkiste fernöstlicher Motive und staunt, weil nicht mehr nur die "Adibos"-Turnschuhe dreiste Fälschung sind, sondern ganz einfach alles. Au Backe! Annett Scheffel

Album des Jahres, zehn; die ständigen Popkritiker im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung bekennen sich in aller Kürze: Jens-Christian Rabe: FKA Twigs - "LP1"; Max Fellmann: Beck - "Morning Phase"; Jan Kedves: Fatima Al Qadiri - "Asiatisch"; Eckhardt Nickel: Alexandre Desplat: "The Grand Budapest Hotel"; Karl Bruckmaier: FKA Twigs - "LP1"; Annett Scheffel: Neneh Cherry - "Blanc Project"; Thomas Bärnthaler: D'Angelo and the Vanguard - "Black Messiah"; Paul Hanske: Alt-J - "This Is All Yours"; Meredith Haaf: Caribou - "Our Love"; Max Scharnigg: Jens Friebe - "Nackte Angst zieh Dich an wir gehen aus".

Antilopen Gang, Hip-Hop-Gruppe aus Düsseldorf. Deutscher Rap kann plötzlich wieder links-alternativ. Kann plötzlich wieder Punk und Antifa-Vokabular, kann Zeilen wie "Beate Zschäpe hört U2" oder "Nazis von heute sind friedensbewegt / Und sie sind sehr um Palästina bemüht", statt ewiger Gangsta-Dreifaltigkeit aus Mercedes, Bitches und Rolex. Stattdessen Sex-Pistols-Shirts, viel politisches Bewusstsein, noch mehr Ironie und Zynismus. So schön rücksichtslos hat schon länger niemand mehr die Gartenzwerg-Banalität rechter Hysteriker in den Schwitzkasten genommen wie die drei "Trümmermänner aus dem Antilopenland". Bitte mehr davon! Annett Scheffel

Aphex Twin, Elektro-Rumpelstilzchen. Techno-Forscher, bürgerl. Richard David James. Brachte nach Jahren der Stille mit der Veröffentlichung des fast 20 Jahre alten, verschollen geglaubten Albums "Caustic Window" die Schaltkreise von Fans und Kritik in Wallungen. Leider war das Werk weniger weltbewegend als erwartet, eher frühe Aufwärmübung als Meisterwerk. Guter Stoff, das ja, doch der Erneuerer, den die britische Musikpresse einst zum "Mozart des Techno" ausrief, entpuppte sich als Resteverwerter, als Gralshüter in eigener Sache. Thomas Bärnthaler

Beyoncé, R'n'B-Sängerin, bürgerl. Beyoncé Giselle Knowles-Carter. 2014 war ihr Jahr: Sie veröffentlichte ein sagenhaftes Album, produzierte - scheinbar mit nichts als einem iPhone ausgerüstet - das tollste Video des Jahres und lieferte bei ihrem Auftritt bei den MTV Video Music Awards noch einen ikonischen Moment für moderne Feministinnen. Und ihre meistzitierte Songzeile in diesem Jahr stammt auch aus dem Song, zu dem sie ein weltweites Millionenpublikum zwang, eine ziemlich sexuelle Performance mit dem Wort "FEMINIST" zu verbinden, es heißt "Flawless" und ist auch einer der besten Songs auf "Beyoncé", jenem sagenhaften Album: "Ich bin so aufgewacht / Wir sind makellos." Selten hat Popmusik eine so geradlinige Hymne an die weibliche Selbstwertschätzung hervorgebracht. Meredith Haaf

Blumfeld, Indie-Band. Sieben biblische Jahre nach der jähen Auflösung kam im Frühjahr Hoffnung auf. Es hieß, die Band würde den 20. Geburtstag ihres kanonischen Albums "L'Etat Et Moi" zum Anlass nehmen, sich für eine Tour wiederzuvereinigen. Und so war es. Und es war gut. Und wie rechtschaffen wäre es, wenn Blumfeld jetzt da weitermachten, wo sie mit "Verbotene Früchte" 2006 aufgehört hatten: als Rebellen mit gutem Grund die Exegese des Punk mit klugen deutschen Texten voranzutreiben. Herr, es ist Zeit für etwas Auferstehung. Eckhart Nickel

Booty, der. Die frühen Neunziger hatten den hochgepushten Busen, die frühen Nullerjahre den freigelegten Hüftknochen über der tief sitzenden Jeans, und in diesem Jahr hat man zweifelsfrei feststellen können, dass sich zur Mitte unseres Jahrzehnts der weibliche Hintern als kollektiver visueller Fetisch etabliert hat. Der ausladend einladende, rhythmisch wackelnde Frauen-Arsch fristete lange ein Dasein als Dekoration in Rap-Videos. Nun haben ihn Frauen, die selbst rappen (oder singen oder mit Rappern verheiratet sind) als Instrument ihrer eigenen Inszenierung entdeckt. Aufmerksamkeit erlangten unter anderem Iggy Azalea, Nicki Minaj oder Kim Kardashian mit öffentlichkeitswirksamen Pos, weniger bekannte Frauen begnügen sich damit, auf Instagram sogenannte Belfies (Butt-Selfies) zu veröffentlichen. Meredith Haaf

Diederichsen, Diedrich, deutscher Poptheoretiker, Zeitdiagnostiker, Hipster, Professor, Hipster-Professor. Hat mit "Über Popmusik" eine große Phänomenologie der Popmusik vorgelegt. Ein ideengeschichtliches Ereignis. Jens-Christian Rabe

Sport-Grufties und ein Soul-Überhit

Fischer, Helene, deutsche Pop-Sängerin. Die 30-jährige ehemalige Musicaldarstellerin, eine Kreuzung aus Markus Lanz und Madonna, wurde in diesem Jahr zum deutschen Pop-Superstar schlechthin. Tja. Jens-Christian Rabe

FKA Twigs, britische Sängerin, bürgerl. Tahliah Barnett. Untoten-R&B - so könnte man die Musik der Entdeckung des Jahres vielleicht nennen. Stimmlich borgte sie sich das ätherische Hauchen und Falsettieren von der 2001 gestorbenen R&B-Sängerin Aaliyah und kombinierte es mit elektronischen, von klirrenden Echos durchwehten Soundscapes. Der Effekt war der eines lustvollen Fröstelns. Auch stiltechnisch war Aaliyah Vorbild, genauer: deren Hauptrolle als Mutter aller Vampire in "Königin der Verdammten". Und seit dem Sommer datete FKA Twigs auch noch Robert Pattinson, den Hauptdarsteller der Hollywood-Vampirsaga "Twilight". Das nennt man konsequente Konzeptkunst. Jan Kedves

Haden, Charlie, amerikanischer Jazz-Bassist, 6. August 1937 bis 11. Juli 2014. Die Mutter hebt ihn hoch, damit er ins Mikrofon singen kann. Das soll Charlie Hadens früheste Kindheitserinnerung gewesen sein. Zwischen diesem frühen Pop-Moment hinter den sieben Bergen und seinem Tod im Juli 2014 an den Spätfolgen einer Kinderlähmung liegt eine atemberaubende Musikerbiografie. Von der Country-Musik zum Bebop zum Free-Jazz zum Heroin zur Politisierung zur Melodie zum Standard zum Spiritual zum Verstummen: Was für eine weit ausholende Liebe zur Musik. Welch innere Ruhe und Gelassenheit. Und dann hat dieser große Musiker noch drei Punkrocktöchter gezeugt und einen Sohn, der für Johnny Cash einen Song geschrieben hat: Hey, Old-Timer, geht's noch? Ja, es geht noch - und zwar immer weiter. Karl Bruckmaier

Haftbefehl, deutscher Gangster-Rapper, bürgerl. Aykut Anhan. Anders als viele denken, hat der deutsche Gangster-Rap ja eigentlich kein Image-, sondern erst mal ein Qualitätsproblem. Das vierte Album "Russisch Roulette" des gefeierten Haftbefehl sollte die Rettung sein, war dann leider nicht ganz so gut, wie es sich alle wünschten, aber doch ein gewaltiger Schritt nach vorn. Man höre nur die schön brachiale Single "Ich rolle mit meim Besten". Vielleicht ist der Tag, an dem man sich für deutschen Gangster-Rap nicht mehr schämen muss, doch nicht mehr so weit entfernt. Jens-Christian Rabe

Happy, Hit von Pharrell Williams. Ich kann mich nicht erinnern, wann irgendein Lied mich jemals so zielsicher in gute Laune versetzt hat wie dieses. Williams hat damit dem schwarzen Smiley auf gelbem Grund seine perfekte musikalische Form verliehen Der sparsam instrumentierte Soul-Überhit entfaltet seine Magie im Rhythmus des Händeklatschens mit der profunden Devise: "Clap along if you feel like that's what you want to do." Und man wird sofort zu einem der wildfremden gut gelaunten Menschen, die rund um die Uhr unterwegs auf den Straßen von L. A. zu "Happy" das erste Ganztagsvideo der Musikgeschichte durchtanzten: 24hoursofhappy.com. Drei Minuten und 53 Sekunden Weltverbesserung. Repeat to infinity. Eckhart Nickel

Health Goth, Trend. Wer trägt im Fitnessstudio pechschwarze High-Tech-Stoffe und beklebt sich die Muskeln mit schwarzem Kinesio-Tape? Man nennt sie seit 2014 "Health Goths" (hilflose Übersetzung: Sport-Grufties). Nur logisch, dass es zum neonbunten Vitalitätsprogramm der Fitnessindustrie irgendwann eine monochrom-düstere Konterästhetik geben musste. Neben "Normcore" war "Health Goth" der zweite große Trendbegriff des Jahres. Jan Kedves

Liechtenstein, Friedrich, Tänzer, Crooner, Dandy, Schmuckeremit. Schenkte dem Land eine grandiose Edeka-Werbung, sein noch viel grandioseres Debüt-Album "Bad Gastein" und das aphoristisch-lebensphilosophische Grundlagenwerk "Selfie Man". Warum? Weil er besitzt, was Helene Fischer nie besitzen wird: lässige Ironie. Friedrich Liechtenstein sagt: "Wenn du eine Scheiß-Show von mir siehst, dann ist das keine Scheiß-Show, sondern ein sehr genauer Film von einer Scheiß-Show." Oder: "Wer Anti-Kriegsfilme kennt, weiß / Die Welt der Kämpfer ist nur einen schmalen Grat entfernt vom schlimmsten Tuntenkitsch". Oder: "Es ist kalt, wir sind allein, diese Welt ist traurig, böse und gemein. Und es gibt täglich weniger Gründe, nicht auch so zu sein." Jens-Christian Rabe

Neo-R'n'B-Frauen. R'n'B ist das, was nachts in Fastfood-Restaurants aus den Flachbildschirmboxen scheppert. Aufgeklärte Pophörer haben damit gern ein Problem. Der zuckerglasierte Sound, die schmachtenden Stimmen, die althergebrachten Geschlechterrollen, die Konsumfeier - mit all dem fühlen sich jene, die im Pop Qualität und Dissidenz suchen, unwohl. Spätestens 2014 wurde aber klar, dass das Klischee "R'n'B" der Überarbeitung bedarf. Banks aus Los Angeles veröffentlichte ihr lange erwartetes Debütalbum. Auf dunkel glänzenden Stücken wie "This It What It Feels Like" meditiert sie über die Unmöglichkeit der Liebe - begleitet von einem bösen Basssound, der klingt, als brülle ein Löwe in Zeitlupe.

Es war einer der seltenen Glücksfälle im Pop: avantgardistisch und doch eingängig, abstrakt und doch fürs Herz. Gleiches gilt für die minimalistischen Lieder der Britin Jessie Ware oder den Electro-R'n'B der Kanadierin Jessie Lanza. Am interessantesten ist der zeitgenössische R'n'B jedoch, wenn er die Klischees nicht verleugnet. "2 On" von Tinashe oder "Maybe" von Teyana Taylor sind irritierend schlüpfrige, aber eben auch grandiose Lobeshymnen der Oberfläche, wie gemacht für den Einsatz im Burgerrestaurant. Aber wieso sollte da eigentlich keine gute Musik laufen? Paul Hanske

Gescheiterte PR-Kampagnen und Frauenbärte

Sheezus, die. Den Mainstream-Pop dominieren derzeit die Frauen, und sie tun es alle mit einer Mischung aus ihrer Musik, ihrer Körper und einer konstanten Präsenz in sämtlichen Social-Media-Kanälen. Den Meta-Kommentar dazu liefert die Engländerin Lily Allen mit ihrem Album "Sheezus". Wenn man dem Titeltrack zuhört, könnte man auf die Idee kommen, das Business bestehe nur noch aus Frauen und Internet. Allen, die als Ur-Internet-Star gelten darf, die ihr erstes Album auf Myspace vertrieb und aggressives Twittern betrieb, als Lorde und Taylor Swift noch Rechtschreibung lernten, scheint dem Ganzen allerdings eher zwiespältig und genervt gegenüber zu stehen. Meredith Haaf

Songs des Jahres, zehn; weil man manchmal ja nicht ewig Zeit hat: Taylor Swift - "Shake It Off"; Nick Mulvey: "Fever To The Form"; Alt-J - "Hunger Of The Pine"; Jamie xx - "All Under One Roof Raving"; Caribou - "Can't Do Without You"; Beyoncé feat. Nicki Minaj -"Flawless"; Kendrick Lamar - "I"; Banks: "This Is What It Feels Like"; FKA Twigs - "Video Girl"; Chet Faker - "Gold"; Sylvan Esso: "Coffee".

Spotify, schwedischer Musikstreaming-Dienst. Die gigantische Songsammlung aus Schweden erweist sich ja als recht massiver Brückenpfeiler auf dem Weg in die Zukunft des Musikhörens. 2014 war das Jahr, in dem Spotify mit 40 Millionen Nutzern (davon 10 Millionen zahlende), nicht nur einen neuen Hörerrekord vermelden konnte, sondern auch massive Kritik zu verdauen hatte. Taylor Swift, die Königin des Popjahres, lässt ihre Musik seit Herbst nicht länger über Spotify streamen - angeblich, weil schon die Einnahmen der neuen Single nicht den Erwartungen entsprachen. Pro abgerufenen Song zahlt Spotify etwa zwischen 0,6 bis 0,8 Cent an die Künstler aus. Max Scharnigg

Swift, Taylor, amerikanische Sängerin. So richtig kann ja niemand ernsthaft gegen Taylor Swift sein - kein Bikini Kill-Fan, keine 13-jährige Schönheitskönigin, kein bierbäuchiger Familienvater. Schließlich ist sie für uns alle da. Klar, darum ging es im Pop schon lange bevor der normalste Popstar unserer Zeit überhaupt geboren wurde: um alles, um das Leben von Millionen Menschen in einem Drei-Minuten-Popsong. Nirgendwo wurde 2014 aber der Rausch der Globalisierung so schön auf die Spitze getrieben wie auf dem Polaroid-Cover des Albums, das sie vom Country-Darling endgültig zur Popgigantin beförderte: ein Bild wie ein Instagram-Selfie, im putzigen Möwenpulli, Hashtag Nostalgie. Dieses Mädchen auf dem Cover, ein Mädchen, das sich in der großen Stadt selbst sucht - wir könnten es alle sein. Mit fast drei Millionen verkauften Platten ist sie der größte kleinste gemeinsame Nenner dieses Popjahres. Annett Scheffel

Tempest, Kate, britische Rapperin, Theaterautorin und preisgekrönte Dichterin. Noch nie waren sich Rap und Dichtung, also literarische E- und U-Kultur so nah wie in Person der 28-jährigen Londonerin Kate Esther Calvert alias Kate Tempest, deren Debüt-Album "Everybody Down" in diesem Jahr erschien. Was genau das bedeutet, darüber wird gerade noch heftig nachgedacht. Jens-Christian Rabe

U2, irische Rockband. Eine grandios angelegte PR-Kampagne, die grandios scheiterte: der teuerste Slapstick aller Zeiten. Was war das für eine Aufregung! Die Band U2 lud ihr neues Album ungefragt allen iTunes-Nutzern auf die Festplatte, aber die Welt ging nicht in Dankbarkeit auf die Knie. Was niemand bemerkte: Die Aktion war für U2 in erster Linie ein guter Trick, um nicht über reale Verkaufszahlen reden zu müssen. Die waren bei den letzten Alben weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, bei "Songs Of Innocence" konnte man jetzt stolz verkünden: 26 Millionen Downloads. Max Fellmann

Wanda, Wiener Indiepop-Band. "Tante Ceccarelli hat einmal in Bologna Amore gemacht!" Und binnen Tagen hat die Wiener Band Wanda diese Textzeile aus ihrem Hit "Amore" zum Indie-Gassenhauer gemacht. Ist das schon das grandiose Comeback des Austropop? Oder nur ein subversiv-charmantes Lokalphänomen? Fest steht, mit ihrem Album "Amore" hat die Band um den arg lässigen Marco Michael Wanda endlich wieder ein bisschen Schwung in den an Ernsthaftigkeit lahmenden deutschsprachigen Indiepop gebracht. Allein wie die Jungs rauchen, wie sie auf die Bühne spucken, wie sie rotzig hinklampfen und wie sie die komischen Geschichten erzählen. Max Scharnigg

Wurst, Conchita, österreichische Sängerin. Bärte in Gesichtern von Frauen, die Männer sind: Ende der Sechzigerjahre gab es das bei der queeren Performance-Truppe The Cockettes aus San Francisco, später bei der Berliner Drag-Queen Gloria Viagra oder bei Pavel Petel, dem ukrainischen Burlesk-Bodybuilder (zwei Zentner Muskeln auf zwanzig Zentimeter hohen Lackstilettos - unbedingt googeln!). Neu ist der Look von Conchita Wurst aus Österreich also nicht. Neu ist, dass so eine Figur singt wie Céline Dion und dass sich mit ihr Europa vereinen lässt - bei der Abstimmung zum Eurovision Song Contest gegen Russland und Putins homophobe Politik.

Als Signal war ihr Siegersong "Rise Like A Phoenix" toll, als Musik arg glattrasiert. Was vermutlich der Idee geschuldet war, niemanden auszuschließen - so wie Conchita Wurst von niemandem ausgeschlossen werden möchte. In der "Wurstgemeinde" soll sich noch der biederste Musikgeschmack aufgehoben fühlen, und sie soll weiter wachsen. Bis sich der Bart, diese strategisch platzierte Irritation des Genderkonservativismus, erübrigt hat und wieder verschwinden darf. Oder bis ihn niemand mehr sieht. Jan Kedves

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