Das Paradox:Höllische Wut

Wenn heute einer Patriotismus verkörpert, dann George Clooney. Der Star ist ein Märtyrer in Hollywood, der mit seinem Körpereinsatz Zeugnis ablegt für seine Überzeugungen, für sein Engagement und für seine Filme.

Fritz Göttler

Eine Leidensgeschichte, von den Dreharbeiten zu dem Film "Syriana", aus der Szene, da der CIA-Agent Bob Barnes, gespielt von George Clooney, von seinem Gegenspieler Moussaoui gefoltert wird - nach kurzer Überlegung entscheidet der sich, dem Amerikaner die Fingernägel abzuziehen.

George Clooney

George Clooney in "Syriana".

(Foto: Foto: Reuters)

Als die Szene gedreht wurde, fiel der Stuhl um, an den Clooney gefesselt war, er schlug mit dem Hinterkopf auf und erlitt eine Verletzung am Rückgrat. Die Rückenmarksflüssigkeit trat ihm durch die Nase aus, nur langwierige Krankenhausaufenthalte konnten die Schmerzen lindern, noch heute leidet er an den Folgen dieses Sturzes.

Es war der Gipfel all der Unannehmlichkeiten, die Clooney für diesen Film auf sich nahm - sein Gesicht verschwand hinter einem wuscheligen Bart, 30 zusätzliche Pfund fraß er sich an - noch heute, das signalisieren die ersten Fotos zu seinem neuen Film "The Good German", hat sein Körper seine Wendigkeit nicht wieder gewonnen.

Ein Märtyrer in Hollywood, mit seinem Körpereinsatz legt der Star Zeugnis ab für seinen Film, seine Überzeugungen, für sein Engagement.

Zu recht hat George Clooney für seine Rolle in "Syriana", der zur Zeit in den Kinos läuft, dieses Jahr den Oscar bekommen - als bester Nebendarsteller.

Und zu recht scheint er ein wenig enttäuscht gewesen zu sein in der Oscar-Nacht - schließlich war er auch als bester Regisseur nominiert gewesen, für den Film, "Good Night, and Good Luck", der diesen Donnerstag in Deutschland starten wird.

In beiden Filmen war, auch wenn bei "Syriana" Stephen Gaghan, Drehbuchautor von Steven Soderberghs Drogenthriller "Traffic", die Regie machte, George Clooney entscheidend beteiligt, hat die Entwicklung der Stoffe gestaltet, die politische Brisanz der Filme akzentuiert - das Geschäft mit dem knapp werdenden Öl im einen, die Gefährdung der Meinungsfreiheit im anderen Film.

Höllische Wut

Jede Menge Artikel sind geschrieben worden in den letzten Jahren über den Clooney-Effekt. Und jede Menge Interviews hat Clooney selbst dazu gegeben.

Er hat den Spieß umgedreht, hat den alten Vorwurf vom lasterhaften, leichtfertigen, liberalen Hollywood wörtlich genommen, er ist stolz darauf "out of touch" zu sein. Liberal und links, das bedeutet mehr als politische Ortsbestimmung, das gilt in den USA als Schimpfwort - und ein mentaler Link zum Commie ist auch heute nicht sehr weit.

Eindeutiger Bezug zum heutigen Amerika

In "Good Night, and Good Luck", der von der Hexenjagd des Senators McCarthy handelt, ist ein Bezug zum heutigen Amerika ganz eindeutig. Durch Clooney ist das abweichende Liberale eine Lebensart geworden, ein American way of life, mit entsprechenden Markenzeichen.

Er bringt Glamour und politisches Bewusstsein zusammen, Tuxedo-Eleganz und Intellekt. Er zeichnet sich aus durch eine unglaubliche Mischung aus dezenter Bräune und klugen Statements. Clooney, der Junge aus Lexington, Kentucky, dem Herzen von Amerika, der heute viele Wochen in seiner Villa am Comer See verbringt und Partystimmung, aber ohne wirkliche Exzesse, mit ernster Besorgnis über den Zustand der Welt, die Zukunft der USA verbindet.

Alles easy - so easy, dass man nicht mehr entscheiden kann, wo das Natürliche aufhört, das Künstliche anfängt - ein echter Postmoderner unter den Hollywoodstars.

In den Achtzigern und Neunzigern war das noch anders, da schillerte Clooney in vielen Facetten, ein Clown auf Profilsuche, der sich sogar mit den berüchtigten Killertomaten abgab und schließlich als Arzt im "Emergency Room" landete.

In "From Dusk Till Dawn" spielt er den Bruder von Tarantino (auch er einer, der alle Filme stark prägt, auf die er sich einlässt) - zwei Gauner am Rande des Nervenzusammenbruchs, die eine Horrornacht im Zombiehaus erleben.

Den verrückten, überzogenen Clooney gibt es auch in der bösen Irakkriegklamotte "Three Kings" und natürlich in den Filmen, die er mit den Brüdern Coen machte: "Oh Brother, Where Art Thou?" und "Intolerable Cruelty". In diesem erlebt man ihn als coolen Scheidungsanwalt, der beim Auftritt vor einem Anwaltskongress in Las Vegas plötzlich weich wird - da fängt er an, inbrünstig für Liebe und Treue zu plädieren.

Keiner ruft laut Bullshit

Im Februar 2003 wurde der politische Clooney geboren, als er aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr machen mochte und die unsägliche Situation im Amerika vor dem Irakkrieg anprangerte.

Es ging nicht mal um differente politische Überzeugungen - es ging um die Unfähigkeit der Versager an der Spitze der Regierung und ihren Umgang mit der Wahrheit.

Höllische Wut

"Ich will doch nur, dass ein kluger Mann aufsteht und laut Bullshit ruft", sagte er in einem Interview mit dem Guardian: "Sie erklären uns, wir würden in den Krieg ziehen, und keiner sagt laut genug Bullshit." Empörung, Trauer klingt mit, über die Perversion Amerikas: "Wir sind die Burschen, die in Frankreich einmarschierten und die Leute befreiten, ihnen Nylons und Schokolade schenkten. Und dann sind wir langsam das geworden, was wir einst bekämpften. Wie konnte das geschehen?"

Hier liegt das ganze Clooney-Paradox offen. Ein Mann, der alte nationale Tradition und nationale Werte evoziert, wird von den politischen Gegnern als unpatriotisch beschimpft.

Nein, wenn einer Patriotismus heute verkörpert, dann George Clooney, er steht für die Moral der einfachen Leute, den gesunden Menschenverstand, die klassische Graswurzel-Tradition.

Clooney weiß, dass die Stars als die Dummchen des Hollywood-Betriebs gelten. Das klassische Beispiel, wie jemand sich dagegen wehrte, sind Marilyns Versuche, den Ulysses zu lesen, ihre Heirat mit Arthur Miller.

Clooney dreht die Schraube noch eine Windung weiter: Wie schlimm ist der Zustand dieses Landes, dass ein Hollywoodianer den Leuten die Meinung sagen muss . . . was im Grunde jeder Republikaner verstehen müsste, wenn er nicht so fanatisch und verbohrt an seinen Formeln sich festkrallen würde, die sich längst nicht mehr mit der Wirklichkeit decken.

Immerhin hat sogar Präsident Bush die Wichtigkeit des Themas Öl entdeckt, kurz nachdem "Syriana" in den Kinos angelaufen war.

Mit dem Regieführen haben die Stars immer wieder versucht, ihr intellektuelles Defizit in der Öffentlichkeit zu verbessern, ein Überbleibsel der Autorentheorie.

Ein totaler Filmemacher

Regieführen nobilitiert, das haben nachhaltig Clint Eastwood und Robert Redford gezeigt, auch Warren Beatty, Tim Robbins und Sean Penn. Manche von ihnen haben daraus auch politische Ambitionen entwickelt - Beatty, der alte Method-Mann kokettiert immer wieder mit politischer Karriere, mit dem Versuch, gegen Schwarzenegger anzutreten um den Posten des Gouverneurs von Kalifornien, Redford for President war lange Zeit eine beliebte Formel der Linken.

Einen Politiker George Clooney kann und muss man sich auch in Zukunft nicht vorstellen - gerade das ist ein entscheidender Punkt seiner Verlässlichkeit. Clooney ist ein entschiedener, ein totaler Filmemacher.

Und wichtig ist in dieser Hinsicht die Zusammenarbeit mit Steven Soderbergh, die weit über die Filme hinausgeht, die sie gemeinsam gedreht haben. Systematisch spielen sie die künftigen Möglichkeiten des Kinos durch, ein Langzeitexperiment, für das sie ihre Firma Section Eight gegründet haben, gemeinsam Filme produziert haben und eine TV-Serie entwickelten, "K Scene", die Tagesgeschehen fiktiv verarbeitete.

Eben hat Soderbergh mit seinem neuen Minibudgetfilm "Bubble" erstmals Kinostart, DVD-Vertrieb und TV-Ausstrahlung zeitlich zusammengelegt - was für einige Unruhe in der Branche sorgte.

Und vor wenigen Tagen haben sie erneut ihre Danny-Ocean-Trumpfkarte gespielt - den Deal für "Ocean"s Thirteen" perfekt gemacht, der all die Stars der beiden früheren Filme um George Clooney versammeln wird: ein hochklassiges Millionen-Actionspektakel, gefilmt mit den Mitteln der Nouvelle Vague.

Lust an der Politik, Lust am Kino, Clooney vereint sie auf eine schöne, naive Weise. Lust am Fernsehen mag auch dabei sein - die er bald mit einem Remake seines Lieblingsstücks "Network" befriedigen könnte. Den zentralen Satz "I'm as mad as hell, and I'm not gonna take it anymore!" hat er ja bereits intensiv studiert.

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