Das ist schön:Mehr Lärm als Geräusch

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Für den Noise-Nachwuchs gibt es eine unwirtliche Insel

Von Martin Pfnür

Wenn man jemanden an einen Ort wünscht, wo der Pfeffer wächst, dann ist das für den Betreffenden natürlich nicht besonders schmeichelhaft. Soll die alte Redewendung doch ausdrücken, dass man sich denjenigen ganz weit weg wünscht, auf dass er, respektive sie, für lange Zeit nicht mehr auftauche. Zwar mag dieses etwas aus der Mode gekommene Sprüchlein angesichts der Erfindung des Flugzeugs und der Beliebtheit von klassischen Pfefferländer-Reisezielen wie Indien, Vietnam oder Brasilien nicht mehr ganz kongruent mit der Realität gehen - sein Sinn erschließt sich indes bis heute.

Entsprechend selbstironisch und lässig wirkt die Zeile mit der das Feierwerk an diesem Samstag einen Abend im Sunny Red überschreibt. "Where the Pepper Grows - Movies, Noises and Drones", heißt es da mit einem subtilen Verweis auf die musikalische Landkarte, die seit Jahrzehnten von den beiden Supermächten Pop und Rock dominiert wird, während die, nun ja, "Musik", die hier zur Aufführung gebracht wird, eher dem Status einer ebenso entlegenen wie unwirtlichen Insel gleichkommt. "Noise" nennt sich dieses ausschließlich von Abenteurern besiedelte Eiland, das es einem als Nicht-Abenteurer furchtbar schwer macht, überhaupt erst dort anzulanden.

Denn klar, "Noise", das ist bekanntlich der englische Begriff für "Geräusch", "Krach" oder "Lärm". Im musikalischen Kontext steht er gemeinhin für eine Strömung, die sich grimmig gegen jegliche Form von Struktur zu behaupten weiß. Harmonien und Melodien wird man hier vergeblich suchen, einen Rhythmus nur mit ganz viel Gespür. So verwundert es nicht, dass die Soundscapes der jungen Münchner Experimentalisten namens Daniel Door, Mäander, Space Eating Dogs und Elkht, die im Verbund mit dem Wahlberliner Skrei das Sunny Red bespielen, ausschließlich sirrender, flirrender, dröhnender oder sägender Natur sind. Das tut natürlich erst mal weh im Ohr.

Und doch können, hat man den ersten Gehörschock einmal überwunden, erstaunliche Dinge mit einem passieren, deren kathartischer Effekt sich wohl am besten mit einer Art Entgrenzung, mit einer Komplettspülung für Leib und Seele beschreiben lässt. Keine Frage, schön ist diese Musik, wenn man sie so nennen will, nicht. Dass es im seit jeher umkämpften Konzert-Standort München dennoch einen Ort gibt, wo sie erklingen darf, ist dafür umso schöner.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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