Das ist schön:Konzertante Politik

Philharmoniker-Ensemble spielt beim Christopher-Street-Day

Von Rita Argauer

Das Verhältnis von Kunst und Politik ist unterhaltsam und zum Teil auch ausgesprochen fruchtbar. Auch München blickt da auf eine gewisse Tradition politischer Kunst: Der zum Teil ins Surreale kippende Anarchismus eines Karl Valentin hält etwa das Potenzial bereit, aus dem Bertolt Brecht dann in seinen Anfangsjahren in München seine politisch motivierten Theaterideen entwickelte.

Die klassische Musik ist dagegen eine weitestgehend apolitische Kunstsparte. Das liegt schon daran, dass ihr Sujet in den meisten Fällen mindestens ein paar Jahrhunderte alt ist. Das heißt selbst Chopins "Revolutionsetüde" oder die Spuren der Französischen Revolution in der Musik Beethovens erzählen primär von einer vergangenen Politik. Dass sich da leicht ein Brückenschlag ins Heute bauen lässt, ist geschenkt.

Brücken musste jedoch Valery Gergiev bauen. Der hatte sich noch vor seinem Amtsantritt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker hinter Wladimir Putins Krim-Politik und die Ressentiments der russischen Regierung gegen Homosexuelle gestellt. Die Empörung in der Stadt mit ihrem bunten und weltoffenen Selbstverständnis war zu Recht groß, und Gergiev bekundete wenig später in einem offenen Brief lapidar, er verstehe die Kunst als Brückenbauer zwischen den Kulturen und den Menschen. Er dementierte nichts, nahm auch nichts zurück, sondern verstummte anschließend einfach zu dem Thema.

Immerhin lassen die Philharmoniker mittlerweile die Politik und den Wunsch nach einer offenen und toleranten Gesellschaft immer häufiger in ihren Orchester-Alltag einziehen. Zu Gergievs Antritt wurde auch gleich ein neues Festival-Format mit dem Namen "360 Grad" vorgestellt, das alle Bevölkerungsgruppen ansprechen soll: Klassik-Hörer und Nicht-Klassik-Hörer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen jeglicher sexueller Orientierung und die verschiedensten Altersgruppen und Nationalitäten sowieso. Zweimal fand das Festival bereits statt, und nun positionieren sich die Philharmoniker ein weiteres Mal mit ihrer Kunst im gesellschaftspolitischen Umfeld. Das Orchester hat gerade den Beginn einer Kooperation mit der Münchner Regenbogen-Stiftung bekanntgegeben. Zum Christopher-Street-Day am 9. Juli wird ein Kammerkonzert im Alten Rathaus stattfinden; zu hören sein werden ein Streichquartett der Philharmoniker und Musiker des Rainbow Sound Orchestra Munich. Weitere gemeinsame Projekte und Konzerte sind bereits in Planung. Damit sollen Zeichen gegen Diskriminierung und für Toleranz gesetzt werden. Und das ist schön.

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