Das ist schön:Innerlich geduscht

Friedrich Ani und das Krimi-Fest

Von Antje Weber

Dieser Anfang ist trügerisch: "Am nächsten Morgen erwachte ich wie von kalten Träumen innerlich geduscht, munter und zu Mitleid entschlossen", lässt Friedrich Ani den Ich-Erzähler seines neuen Krimis von sich geben. Der Titel "Nackter Mann, der brennt" trifft das Fazit der folgenden Horrorgeschichte allerdings sehr viel besser: Hier lodert ein Mann mit schwerer Kindheit vor Hass und Rachlust, und nach einem Ritt durch sadistische Tötungsarten und deren furiose sprachliche Darbietung fühlt sich die Leserin moralisch ziemlich zerrüttet.

Da die Welt, die Ani schildert, in diesem Buch womöglich noch düsterer ist als von ihm ohnehin gewohnt, ist man anschließend selbst schon versucht, überall Unheil und Unrecht zu wittern. Warum eigentlich, so fragt man sich nach dem Studium der zahlreichen Krimi-Lesungstermine dieser Tage, findet die Buchpremiere von Anis neuer Höllenstudie im Substanz ausgerechnet an diesem Montag statt, wenn andernorts in der Stadt gleichzeitig das Krimi-Festival in den Herbst startet? TV-Kommissar Miroslav Nemec darf es an diesem Samstag im Circus Krone eröffnen, am Montag folgt der Münchner Jörg Maurer im Prinzregententheater, am Dienstag der Schwede Jonas Jonasson im Gasteig. Und ausgerechnet Ani, der prominenteste Münchner Krimi-Autor, setzt sich just dann zur Lesung in eine seiner Lieblingskneipen ab? Ist da nicht Zwietracht zu spüren? Nistet sich womöglich gerade das Böse in der Münchner Krimi-Szene ein, um irgendwann handfeste Zwistigkeiten zu provozieren?

Ein Anruf beim Krimi-Fest nimmt allen Verschwörungstheorien allerdings schnell die Grundlage. Unglücklich gelaufen sei das in der Planung, heißt es, nach dem Wechsel von Ani zu Suhrkamp seien die Kontakte zum neuen Verlag noch nicht genügend etabliert - von Zerwürfnis also keine Rede. Außerdem würden die Zuhörer ohnehin allerorts die Säle füllen. Und das tun sie; auch wenn sich beim Krimi-Fest für einige der ersten Lesungen noch Karten ergattern lassen, sind die weitaus meisten Abende schon wieder bis November ausverkauft; auch Ani wird im Substanz gewiss nicht alleine herumsitzen. Das ungebrochen große Interesse der Krimi-Leser an Begegnungen mit den Stars der Szene ist verblüffend. Von dieser warmen Wirklichkeit innerlich geduscht, kann man also nur munter und zu Freundlichkeit entschlossen festhalten: In München blüht das Verbrechen nach wie vor. Und das ist verstörend schön.

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