Das ist schön:Haltung

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Tollwood ist ein Festival mit politischer Botschaft

Von Michael Zirnstein

Bei der Präsentation des Tollwood-Programms ging es unlängst zu wie bei einer Miss-Wahl, wo die Kandidatinnen ja auch mit Sätzen punkten wollen wie: "Ich finde, man sollte mit der Umweltverschmutzung aufhören", "Ich schmiere den hungernden Kinder in Afrikaner Butterbrote" oder "Free Willy - rettet die Wale!" Dem Motto des Sommers "Alles eine Frage der Haltung" gemäß klang das dann so: "Ein trauriges Schnitzel für einen Euro neunundzwanzig, das unter seiner Cellophan-Hülle schwitzt, kann nicht gut sein!" Das sagte ein bairischer Rock'n'Roller namens Hundling. Dem wollte der bairische Blueser Otto Göttler nicht nachstehen: Auch er hasse Massentierhaltung und habe also zur Tierrechte-Performance der "Kuscheltierschlachterei" musiziert. Und der Umweltengel des Festivals, Stephanie Weigel, schloss die Vorstellung des gerade von Tollwood gestarteten Aktionsbündnisses "Artgerechtes München" mit der Feststellung: "Wir sind viele. Wir sind München."

Unbestreitbar. Das alles mag nun etwas anbiedernd anmuten, der Mainstream ist längst gegen das Massentier, wenn auch noch nicht im Topf, so doch im Kopf. Aber im Gegensatz zur völlig ökologisch ziemlich wurstig eingestellten Techno-Großparty am Samstag im Zenith, dem "Organic Dance Music Festival", ist Tollwood wirklich organisch, und das in der Gastronomie seit 23 Jahren. Wahrscheinlich ist das den meisten Besuchern des "alternativen Oktoberfestes" schnuppe, wenn sie nicht gar gegen den Bio-Aufpreis beim Öko-Döner stänkern.

Vielleicht ist das Festival nicht größer, nicht reicher und nicht berühmter, weil es wie früher Unterschriften gegen Atommüll oder Mobilfunk-Smog sammelte oder wie heuer Monster-Wiener ("Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat keins") und Kuh-Skulpturen aus Schrottautos aufstellt. Aber all das zeigt: Trotz Riesenwuchs und dem Anheuern von Pöbel-Rappern (Kollegah am 26. Juni) und Schlager-Leichtmatrosen ( Santiano am 18. Juli) ist Tollwood wie vor 27 Jahren von guten Geistern durchdrungen und gemanagt. Man kann das auch Haltung nennen. Die ist ansteckend - dem Aktionsbündnis gegen Tierleid haben sich schon Dutzende Künstler wie Ringsgwandl, Rosenmüller oder Wecker angeschlossen: Und das ist schön.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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