Das ist schön:Gemütlich

"Heimatsound Vol. 2" bietet zwar wenig Neues, ist aber sehr nett

Von Christian Jooß-Bernau

Das Beste zum Schluss: Gerade haben alle gemeinsam "Sag mir wo die Blumen sind" gespielt. Das Publikum im Studio 2 des BR-Funkhauses will eine Zugabe. In die allgemeine Ratlosigkeit hinein lässt Willy Michl seinen Song über die Gesellschaft des Johnny B. Goode rocken. Ungeprobt, ohne Netz wird es gerade im Bruch mit der Senderoutine ein heißer Jam. So heiß, dass sich Claudia Koreck den Haindling schnappt und zu tanzen beginnt.

"Heimatsound Vol. 2" heißt der Sampler, den der BR an diesem Abend vorstellt. Eine Doppel-CD mit 42 Titeln. Von der ersten Folge hat man etwa 10 000 Stück verkauft. Moderatorin Dagmar Golle erzählt, wie nach der anfänglichen Sorge, der Stoff könnte knapp werden, der "Heimatsound" eine eigene Dynamik entwickelt hat. Radio, TV, Stream, CD und das passende Festival in Oberammergau: Der multimediale Ansatz funktioniert.

Wobei Heimat auf dieser Compilation von Franken bis Wien reicht und in die Schweiz blickt. Die Institution Züri West, steht neben den Ösi-Hippstern von Wanda, Schmidbauer & Kälberer dürfen in "Wo bleibt die Musik?" betulich mutmaßen, dass früher alles besser war. Dass daraufhin die ehemalige Sängerin der Global Kryner "Geh bitte" raunzt, passt gut. Und sogar überzeitlich findet sich ein Plätzchen für Ambros' "Zentralfriedhof" und Falcos Barjazz-Version von "It's All Over Now Baby Blue". Am Horizont kann man die Beliebigkeit ahnen, im Gesamthöreindruck funktioniert das gut. Auch wenn es längst keine neue Idee mehr ist: Die Deutungshoheit über den Heimatbegriff den konservativen Begrenzern zu nehmen, war und ist für Bayern wichtig.

Die Bühne ist an diesem Abend dialektgeprägt, aber musikalisch weltoffen: Claudia Korecks Soul-Folk, Haindlings immer etwas sphärische globale Innerlichkeit und Willys Blues, der über den Moden steht wie die Isar, der ewige Fluss. Die zwei Gewinner des Bandwettbewerbs, die auch beim längst ausverkauften Oberammergauer Festival spielen werden, dürfen sich ebenfalls vorstellen. Hundling sind rock'n'rollende Alltagsbeobachter im Geiste der Spider Murphy Gang, deren Sound durch eine Pedal-Steel-Guitar besonders wird. Paul Istance and The Magic Mumble Jumble dagegen sind ein euphorisiertes junges Hippie-Kollektiv. Auf sympathische Weise hemmungslos und auch mal jenseits des Kitsches kuschelbereit, englisch singend zwischen "Hair", Motown und den Les Humphries Singers. Sie holen gleich einmal das Publikum als Chor auf die Bühne, was einen zwar mit dem Tonmann mitleiden lässt und in der Folge zu diversen Ausfällen des Equipments führt, der Veranstaltung insgesamt aber einen netten Anarchozug gibt. "Heimatsound" ist an diesem Abend eine Begegnungsbühne, auf der Willy und Claudia zum ersten Mal aufeinandertreffen - und merken, dass sie sich mögen. Nicht nur das ist schön.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: