Das Internetvideo der Woche:Das Ufo neben dem World Trade Center

Der Einfluss von Außerirdischen zählt zu den populärsten Verschwörungstheorien. Doch meist suchen wir in den Aliens nur uns selbst: Ufo-Sichtungen in der Clip-Kritik.

Christian Kortmann

Ist da draußen wer?

Versinkt man beim Anblick des Sternenhimmels tiefer und tiefer in eine Meditation über die Beschaffenheit des Kosmos, so verdimmt allmählich die naturwissenschaftliche Skepsis und macht der Illusion Platz, Filme wie "Star Trek" oder "Star Wars" seien keine irdischen Kopfgeburten, sondern zeigten einen galaktischen Realismus: In diesen unendlichen Weiten, bunten Sternennebeln und Schwarzen Löchern muss es doch Abenteuer und Helden geben! The last frontier, irgendwo da draußen läuft sie quer durch Raum und Zeit.

Und es wäre doch schön, wenn sich hier auf der Erde mal ein klitzekleiner Beweis für außerirdische Intelligenz materialisierte. Die Sinne der Erdenbewohner sind jedenfalls geschärft, und seit viele von ihnen permanent eine Kamera mit sich herumtragen, entgeht uns keine potentielle Außerirdischensichtung mehr, wie die zahlreichen Ufo-Clips auf den Filmportalen belegen. Netz-typisch stehen hier verschiedenste Filmsorten nebeneinander, und je nach Genre wird das Thema "Außerirdisches Leben" unterschiedlich beleuchtet.

Der Clip "soviet MIG chasing ufo over russia" zeigt noch einmal die Ufo-Ästhetik in der TV-Berichterstattung: Die Autorität des Militärischen, das Klischee der Experten, die abgedunkelt mit verzerrten Stimmen in Erscheinung treten, und den Topos des Unfassbaren: Das unbekannte Flugobjekt sei zu groß und zu schnell, es könne nicht von dieser Welt sein, wird mit kollektiver Überzeugung vermittelt: "impossible for any airplane that we know".

An Schemen glauben

Man zeigt dem Zuschauer eine bizarre Grafik des fliegenden Zylinders, dazu spricht die todernste Erzählerstimme aus dem Off. Der Clip könnte zwar auch eine Satire sein, doch im Fernsehen haben Ufos immer noch die Aura des womöglich Wahrhaftigen. Im Netz wird diese Autorität des Mediums aufgelöst und konterkariert, weil kritische User zurückschlagen: Die kollektive Kreativität strukturiert die Materialmassen, gewichtet und bewertet sie.

So wird die Zweifelhaftigkeit der Ufo-Sichtungen im Clip "UFO compilation" entlarvt. Ein User (und er ist bei weitem nicht der einzige) hat diverse angebliche Ufo-Clips collagiert und zeigt in seiner Zusammenschau die schematischen Elemente, mit denen außerirdische Raumschiffe filmästhetisch beglaubigt werden.

Der Clip beginnt historisch-kritisch, zu aufgepopten Gregorianischen Chorälen sieht man früheste Ufo-Zeugnisse auf Münzen und Gemälden: Immer schon gab es die Sehnsucht nach den Geheimnissen der Sterne. Durch die Montage wird die Ikonografie der Ufo-Sichtungen deutlich: Man erkennt, wie der Nachrichtenwert durch Datum und Uhrzeit im Bild untermauert wird. Stets ist es ein scheinbar unabsichtliches Filmen mit mieser Bildqualität und schlechten Lichtverhältnissen, zufällige Schnappschüsse während des Sightseeings: An Ufos glauben, heißt an Schemen glauben.

Das Alien und das IKEA-Regal

Die Szene am World Trade Center, ein Ausschnitt aus einem Werbespot, ist aus heutiger Sicht besonders wirkungsmächtig, weil sie zwei populäre Verschwörungstheorien visuell vereinigt. Musikalisch bekommen diese Bilder, was sie verdienen: Ein lächerlicher Beat setzt ein, als ein tatsächlich untertassenförmiges Raumschiff über einem Haus schwebt. "Aber sie sind schon hier", der Zwischentitel leitet zu Aufnahmen von Außeridischen auf der Erde und damit zur Synthese des Konflikts von Ufo-Glauben und -Beweislosigkeit über.

Denn Ufo-Glaube und Alien-Sehnsucht resultieren aus der Hoffnung auf das Andere, wenn man sich selbst entfremdet fühlt: Vielleicht, so die tröstliche Überlegung, verstehen mich diese Außerirdischen besser als meine Mitmenschen. Klar, dass solche emotional aufgeladenen Kollektivbilder von der Werbung benutzt werden. Vor allem parodistisch, wobei dies nicht einfach zu machen ist, da die Balance gewahrt werden muss: glaubwürdig dem Außerirdischenbild entsprechen, die Illusion also nicht ruinieren und sie dennoch lustig behandeln.

Sehr gelungen, in der Bildsprache kompakt, präzise und pointiert, illustriert der "Airwaves"-Werbespot den distanzierten Blick, den ein Außerirdischer auf die Erde werfen könnte: Volle U-Bahnen, Oddjobs, Bingo und Grillen im Regen gehören bestimmt nicht zu den vergnüglichsten Dingen im Universum. "Please make yourself at home": Nach seiner hellsichtigen Vision sieht der fremde Besucher in den Begrüßungsworten des Generals keine Einladung, sondern eine Drohung und legt einen Kavaliersstart in Richtung Andromedanebel hin. Es ist wohl, wie in einem "Calvin und Hobbes"-Comic beschrieben, ein Zeichen für die Intelligenz der Außerirdischen, dass sie die Erde noch nicht besucht haben.

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