Das große Geschäft mit den Tonkriegern:Soldaten mit Figurproblemen

Die Terrakotta-Soldaten aus China, die in Hamburg gezeigt werden sollen, sind vermutlich gefälscht.

Stefan Koldehoff

Kaiser Qín selbst kostet in der lebensgroßen Ausführung 595 Dollar. Für ein gesatteltes Pferd muss der Interessent schon 795 Dollar anlegen, ein Rabatt bei Abnahme mehrerer Figuren ist aber möglich. Verschickt werden die Terrakotta-Figuren aus der berühmten Grabanlage des Kaisers Qín Shihuándìs direkt vom Ausgrabungsort Xi'an aus. Bestellungen sind im Internet unter www.terracotta-warrior.cn/terracottawarrios.asp möglich, und für die Bezahlung unterhält die Firma Xi'an SanMing Arts & Crafts.Co.,Ltd sogar ein Konto bei einer Bank in Deutschland.

Die Replikate, die im zentralchinesischen Xi'an aus Originalmaterialien entstehen, gibt es wahlweise unifarben oder so bemalt, dass sie gealtert wirken. Man erhalte, sagt eine Mitarbeiterin am Telefon, auch viele Bestellungen aus Deutschland. Hamburg sage ihr jedoch nichts.

In den vergangenen Tagen, sagt Wulf Köpke, habe er viel im Internet recherchiert: "Es gibt kaum ein großes Museum, das nicht schon einmal auf Fälschungen hereingefallen ist. Das tröstet uns nicht. Aber es zeigt, dass wir uns keine mangelnde Sorgfalt vorwerfen müssen."

Echt falsch oder originalgetreu?

Am Montag hat sich der Verdacht, dass im Völkerkundemuseum Hamburg, das Köpke seit 15 Jahren leitet, gefälschte Tonkrieger zu sehen sind, erhärtet. Das staatliche chinesische Amt für die Verwaltung von Kulturgütern bestätigte, dass in Deutschland zur Zeit keine echten Tonkrieger ausgestellt würden. Genau das aber hat das Völkerkundemuseum für seine aktuelle Ausstellung "Macht im Tod - Die Terrakotta-Armee des Ersten Kaisers von China" behauptet.

Ein chinesischer Behördensprecher schloss daraus gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass es sich in Hamburg um illegale Kopien handle: "Hier scheint es ein Problem mit dem Schutz von Urheberrechten zu geben."

Verantwortlich für die Hamburger Ausstellung zeichnen Yolna Grimm und das "Center of Chinese Arts and Culture" (CCAC). Von ihm hat das angesehene Hamburger Museum die Tonkrieger-Ausstellung als Paket übernommen. An das CCAC fließt dafür ein Teil der Eintrittsgelder. Das Geschäft mit den chinesischen Terrakottasoldaten, so Grimm, sei bis ins kleinste Detail organisiert.

Welche der seit 1974 ausgegrabenen Tonkrieger ins Ausland reisen dürfen, entscheiden demnach zuerst die untere Denkmalschutzbehörde in Xi'an, dann die mittlere Denkmalschutzbehörde der Provinz und schließlich unterschreibt die Nationale Denkmalschutzbehörde in Peking die Papiere. "Dann ist entschieden, was international gezeigt wird, und die Promotion Center kommen ins Spiel. Sie entwickeln Ausstellungsideen und verhandeln mit Partnern im Ausland darüber, wo und zu welchen Bedingungen sie umgesetzt werden können."

Das CCAC ist ein solcher Partner im Ausland. In einem Gebäude in Markkleeberg bei Leipzig war 2005 bereits eine Tonkrieger-Ausstellung zu sehen. Am Status der Exponate ließen die Veranstalter damals keine Zweifel. Es handelte sich um moderne Kopien: "In einer Nachbildung der größten Ausgrabungsstätte von Xi'an stehen 170 lebensgroße Krieger - zertifizierte, originalgetreue Replikate - in Schlachtformation."

Solche Nachbildungen ließ China von Kunsthandwerkern aus Originalmaterialien, darunter Scherben zerstörter Figuren, anfertigen, um den Ausstellungswünschen aus dem Ausland entsprechen zu können. Zu sehen waren in Markkleeberg angeblich aber auch 14 Originalplastiken aus dem Kaisergrab.

Schon damals gab es Streit um die Soldaten: Ausstellungsorganisator Roland Freyer wurde vorgeworfen, er habe Kopien als Originale ausgestellt. Es folgten eine Anzeige, die vorzeitige Schließung der Ausstellung, Untersuchungen der Ausstellungsstücke und ein nicht von allen akzeptiertes Ergebnis: Die Leipziger Tonkrieger wurden aus echten und aus nachgeformten Terrakottafragmenten zusammengesetzt.

Es kann nur einen geben

Roland Freyer, ist seitdem nicht mehr gut auf das CCAC zu sprechen. Der ehemalige Kunsthändler reklamiert für sich, er sei der einzige, der laut chinesischer Denkmalschutzbehörde die Terrakotta-Armee in Europa vermarkten dürfe. Er klagte deshalb, erfolglos, gegen Ausstellungen in Nürnberg und Stuttgart und will auch die Hamburger Schau schließen lassen, falls Museumsdirektor Köpke das nicht selbst tut.

Er denke gar nicht daran, die Ausstellung zu beenden, sagt Wulf Köpke. Experten des Hamburger Völkerkundemuseums seien damals nach Leipzig gefahren, um die Ausstellung anzusehen: "Sie hatten keine Zweifel an der Echtheit." Auch die Umstände, die Roland Grimm nun moniert - Transport per Schiff statt per Flugzeug und Installation in Hamburg durch CCAC-Mitarbeiter an Stelle von chinesischen Experten - stellen sich für Köpke anders dar: "Uns wurde gesagt, die Terrakottasoldaten seien mit dem Flugzeug gekommen und die Begleiter hätten sie aufgestellt.

Dass das nachts, direkt nach Ankunft, geschah, ist im Museumsbetrieb nichts Ungewöhnliches." Sein Haus habe schon mehrfach Ausstellungspakete von externen Anbietern übernommen: "Zuletzt die erfolgreiche Inka-Gold-Schau. Das ist eine Frage von Erfahrung und Vertrauen."

Dass CCAC-Sprecher Yolna Grimm sich als Chef einer Werbe- und einer Kommunikationsagentur vor allem für PR interessierte, bevor er sich vor wenigen Jahren der Verbreitung der chinesischen Kultur widmete, schien das Völkerkundemuseum nicht zu beunruhigen. Auch nicht der Umstand, dass die in Leipzig gezeigten Exponate nach der dortigen Zwangsschließung nach China zurück reisten und von dort ganz andere Stücke nach Hamburg kamen.

Ausstellungsorganisator Grimm gesteht freimütig: "Ich maße mir nicht an, die Unterschiede zwischen den antiken und den für Ausstellungszwecke neu gefertigten Terrakottakriegern erkennen zu können." Er müsse sich dabei auf seine Partner in China verlassen: "Die Zollpapiere beziehen sich alle auf Verträge, in denen von authentischen Figuren die Rede ist."

Direktor Wulf Köpke hofft, dass die Glaubwürdigkeit des Völkerkundemuseums nicht gelitten hat: "Wir sind mit dem Problem an die Öffentlichkeit gegangen und werden die offenen Fragen klären."

Mit externen Anbietern von Ausstellungen werde er aber auch weiterhin sprechen: "Unser Haus wird seit fünf Jahren umgebaut, wir haben zur Zeit einen 36-monatigen Bauverzug und kommen nicht an unsere eigenen Objekte heran. Irgendetwas muss man ja machen."

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