"Das bunte Leben" von Kandinsky:Der Schandfleck

Das Bild: Wassiliy Kandinsky, Das Bunte Leben, 1907, im Lehnbachhaus (mitte)

"Das bunte Leben" ist das zentrale Werk des Malers und ein Sinnbild der Moderne. Vor allem aber ist es eines der wichtigsten Bilder in der Sammlung des Münchner Lenbachhauses.

(Foto: Florian Peljak (Bildbearbeitung SZ.de))

Einst war München "Hauptstadt der Bewegung". Nach dem Krieg erfand sich die Stadt als Kulturmetropole neu. Doch wahrscheinlich ist eines der berühmtesten Kandinsky-Bilder im Lenbachhaus NS-Raubkunst. Kläger fordern nun die Rückgabe oder 80 Millionen Dollar.

Von Kia Vahland

Alle sind sie da. Der Staatsminister, der Oberbürgermeister, der Landeskonservator, die Museumsdirektoren, der Stadtkämmerer, der Landrat, Bankdirektoren, Professoren und Vorstände der großen Firmen versammeln sich am 13. Dezember 1973 im historischen Flügel des Lenbachhauses. Die Herren tragen dunkle Anzüge, als wollten sie der Kunst an der Wand nicht die Schau stehlen. Was heute geschieht, ist bedeutender als sie selbst. An diesem Tag vollzieht sich, so glauben sie, eine Zeitenwende. München will sich durch Kunst und Lebensfreude vom Ruf befreien, die Hochburg alter Nazis zu sein, die "Hauptstadt der Bewegung", die Adolf Hitler ins Amt half. Ein Jahr zuvor, 1972, hatten die Münchner die Olympischen Spiele gefeiert, sich der Welt als junge Metropole präsentiert. Das Ausland staunt über das neue Olympiastadion; Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder experimentieren mit ungewohnten Formen. Jetzt, an diesem verschneiten Winterabend, soll im Lenbachhaus der Schatten der Nazizeit symbolisch gebannt werden. Das Museum erhält Wassily Kandinskys Schlüsselwerk "Das Bunte Leben". Eine Ikone der Avantgarde, welche die Nazis als "entartet" verhöhnt hatten. Die Welt soll sehen: München ist nicht länger die "Hauptstadt der Bewegung", München ist die Heimat der Moderne.

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