Cruise, Tarantino und der 1. April:Ritt auf der Schildkröte

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Treppenwitz der Evolution: Wie wir den Drehort eines erfundenen Tarantino-Films besuchten, der tarantinöser nicht sein konnte. Und Tom Cruise zum Reptiliendompteur machten.

Bernd Graff und Christian Kortmann

Die Reisen sind natürlich immer wunderbar: Alljährlich am 1. April macht man hier die Käfigtüren auf, und wir dürfen ins Freie, in die weite Welt. Als Online-Redakteur klebt man ja sonst stundenlang hinter seinen Bildergalerien und kommt kaum raus. Doch dank der immensen Rechercheaufträge für die großen 1.-April-Reportagen kamen wir auf die Autobahn.

"Hier gibt's kein Nutella": Tom Cruise auf den Galapagos-Inseln, na ja, fast. (Foto: Foto: Monkey-Productions)

Wir fuhren zu Charles und Camilla, auch nach Berlin, wo wir die letzten Tage des Eisbären Knut vor seiner Versteigerung miterlebten, oder nach Paris, um Nicolas Sarkozy bei der Einspielung seines Debütalbums über die Schulter zu blicken. In diesem Jahr also ging es um den halben Erdball auf die Galapagos-Inseln.

Weite Reisen mit großem Spesenbudget: ein weiterer Vorteil der dank bester familiärer Kontakte in der Glamourbranche untergekommenen Finanzelite, mag der Leser denken. Doch gemach: Mit der Größe der Dienstfahrt steigen auch die Ansprüche an die Reporter. Heute geht, Gott sei es geklagt, ja nichts mehr ohne Tätigkeitsnachweis. Als Lohn für unsere Incentive-Reise müssen wir die Story des Jahres mit nach Hause bringen.

Aber Galapagos im März, sorry, ob man dort wie Sherlock Holmes mit der Lupe nach spannenden Stoffen sucht oder wie Seymour Hersh seine besten Verbindungen in die Zentrale der Weltregierung spielen lässt: Man findet dort ganz viel Sand, ein paar Schildkröteneier und auch Vulkanasche, aber man findet keine Themen. Gut, wir hätten von der Insel Isabela neojournalistisch twittern können: "Ganz süße Schildkrötenbabys hier, die nehmen wir einfach mit", oder: "Basstölpel paaren sich ungelenk", oder: "Blöd, hier gibt's kein Nutella".

Aber wir haben uns entschieden: Aus der Skizze, welche die Natur gefertigt hat, evolutionierten wir das Breitwandgemälde, das darin angelegt ist - sowieso in Cinemascope und dazu noch mit Tarantino und Cruise. Hier dann noch eine Hathaway-Nonne reingestreut, dort noch das immer gerngesehene Dustin-Hoffman-Autisten-Genie - und fertig ist das intelligente Design!

Tja, und wer jetzt wie unser Leser Herr K. meint, an diesem perfekten Setting herumkritteln zu dürfen, etwa, weil er die Sinnhaftigkeit einer Fernreise mit dem Learjet zu bezweifeln wagt, dem sagen wir: Bei Kaltbetankung und mit ein wenig Geschick des Piloten kann der Learjet 60 bis zu 5000 Kilometer nonstop zurücklegen. Wir sind in Caracas zwischengelandet, haben diese Nebensächlichkeit in unserer Reportage aber nicht erwähnt. Und weil wir eigentlich alle anderen kleinen und großen Nebensächlichkeiten frei erfunden haben, können wir "No animals were harmed" in den Abspann schreiben. Und übrigens: There's no place like home.

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